pafl: Liechtenstein-Verfassungsänderung: Regierung äussert Befremden über Vorgehen der Venedig-Kommission des Europarates
(ots)Regierung fordert Anhörung aller Seiten
Die liechtensteinische Regierung hat in einem Schreiben vom 7. Januar an den Europarat ihr Befremden über das Vorgehen der Venedig-Kommission zum Ausdruck gebracht.
In ihrem Brief kritisiert die Regierung insbesondere die einseitig selektive Sachverhaltsdarstellung und Schlussfolgerungen im Gutachten der Venedig-Kommission vom 14. Dezember 2002 zum Thema der liechtensteinischen Verfassungsänderung.
Die unvollständige Behandlung und teilweise faktisch unrichtige Auslegung der liechtensteinischen Verfassung und damit auch der Initiative zu ihrer Änderung durch die Venedig-Kommission lassen aus Sicht der Regierung nicht zu, dass nur dieses Gutachten als Grundlage für weitere Diskussionen verwendet wird. Dem Gutachten fehlt das Hineindenken in das direkt demokratische politische Leben eines Volkes von 33.000 Einwohnern.
Die Regierung kritisiert in ihrem Brief an den Europarat auch das Vorgehen der Venedig-Kommission, die nur nach wiederholtem Nachfragen des liechtensteinischen Ständigen Vertreters beim Europarat die Möglichkeit eröffnet hat, einen liechtensteinischen Repräsentanten zur Sitzung der Venedig-Kommission am 13. Dezember 2002 zu entsenden. Die Unterlagen wurden dann so spät zugestellt, dass eine fundierte Vorbereitung und Abklärungen nicht möglich waren. Das Ersuchen Liechtensteins auf Verschiebung des Traktandums wurde abgelehnt.
Die Regierung weist in ihrem Schreiben darauf hin, dass 37 Prozent aller stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger die Verfassungsinitiative des Fürstenhauses unterzeichnet und damit ausdrücklich ihren Willen bekundet haben, eben diesen Verfassungstext in der gesetzlich vorgesehenen Frist zur Abstimmung zu bringen. 11 Prozent haben einen Gegenvorschlag zur Verfassungsänderung unterschrieben. Die Abstimmung über beide Volksinitiativen wird innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von drei Monaten stattfinden, nämlich am 14. und 16. März 2003.
"Die Regierung verschliesst sich keinesfalls einer Diskussion, weder über die Einhaltung demokratischer Mindeststandards in Europa, noch in diesem Zusammenhang über die liechtensteinische Verfassung im Europarat", betonte der liechtensteinische Aussenminister, Ernst Walch, heute. "Weil aber die politischen Gegebenheiten Liechtensteins naturgemäss wenig bekannt sind und die Thematik eine gesamteuropäisch komplexe ist, bedarf es einer gründlichen Auseinandersetzung und der sorgfältigen Anhörung aller Seiten."