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Fürstentum Liechtenstein

pafl: Interreg Projekt: "Grenzen setzen - Grenzen überschreiten"

Vaduz, 30. Mai (pafl) -

(ots)

Vorstellen der Studie "Gewalt hat (k)ein Zuhause" am 30. Mai 2003 in Vaduz

Um die Ergebnisse der Studie einer
breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, trafen sich Regierungschef 
Otmar Hasler, Landesrätin Greti Schmid, Vorarlberg und 
Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Graubünden am 30. Mai in 
Vaduz. Die Studie ist Teil des Interreg Projekts "Grenzen 
überschreiten - Grenzen setzen". Im Rahmen des Interreg-Projekts 
wurde von Anfang Januar bis Ende Februar in Vorarlberg, Graubünden 
und Liechtenstein eine Sensibilisierungskampagne zu Gewalt gegen 
Frauen in Ehe und Partnerschaft durchgeführt.
Länderübergreifende Datenerhebung 
Die Untersuchung gliederte sich in zwei Teile. Im ersten Teil der 
Untersuchung wurde eine 
repräsentative Datenerhebung in Vorarlberg, Liechtenstein und im 
Kanton Graubünden durchgeführt. Dabei wurde der Frage nachgegangen: 
Was wird in Partnerschaften/Ehen/Lebensgemeinschaften als Gewalt 
angesehen bzw. welche Bilder von Gewalt sind in der Gesellschaft 
verankert? Im Weiteren interessierten sich die Auftraggeberinnen 
Susanna Mazzetta, Stabsstelle für Gleichbehandlungsfragen des 
Kantons Graubünden, Monika Lindermayr, Frauenreferat der 
Vorarlberger Landesregierung und Bernadette Kubik-Risch, 
Gleichstellungsbüro der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, 
welche Formen von Gewalt die Befragten schon erlebt haben.
Im zweiten Teil der Untersuchung wurden Fallbeispiele zur 
Schaffung von fundiertem Wissen über Ursachen, Erscheinungsformen, 
Folgen und vor allem Unterstützungsmöglichkeiten für Frauen, die 
Gewalt in einer partnerschaftlichen Beziehung erlebt haben, 
analysiert.
Mit der Untersuchung wurde Erika Geser-Engleitner, Fachhochschule 
für angewandte Forschung in Vorarlberg betraut.
Ökonomische Gewalt wird nicht als Gewalt eingestuft 
Mittels telefonischer Interviews wurde erhoben, was die Bevölkerung 
als Gewalt in Paarbeziehungen bezeichnet. Geser- 
Engleitner: "Bezüglich körperlicher Gewalt zeigt sich ein relativ 
hohes Gewaltbewusstsein bei den Befragten. Das Bewusstsein bezüglich 
sexueller Gewalt ist niedriger als das Bewusstsein bezüglich 
körperlicher Gewalt. Die psychischen Gewaltformen werden wesentlich 
seltener als Gewalt bezeichnet. So sind bei massiven Drohungen des 
Partners/der Partnerin - wie "ich nehme dir die Kinder weg, wenn du 
nicht machst, was ich will" oder auch bei Morddrohungen - nur mehr 
gut 70 Prozent der Meinung, dass das Gewalt ist. Die ökonomische 
Gewalt ist jene Gewaltform, bei der sich die Bevölkerung relativ 
einig ist, dass dies nicht Gewalt ist. Nachdem aber gerade diese 
Gewaltform vor allem Frauen daran hindert eine Gewaltbeziehung zu 
beenden, bedarf es diesbezüglich massiver Öffentlichkeitsarbeit und 
Bewusstmachung in der Bevölkerung."
Unterschiede in der Definition von Gewalt 
Bei der Gewaltdefinition gibt es signifikante Unterschiede zwischen 
den Geschlechtern. Frauen sind bezüglich Gewalt sensibler als 
Männer. Sie haben aber keine prinzipiell andere Gewaltdefinition wie 
Männer.
In der Definition von Gewalt gibt es auch Länderunterschiede. Am 
gewaltsensibelsten sind die LiechtensteinerInnen, gefolgt von den 
VorarlbergerInnen. Das Schlusslicht bildet die Bevölkerung im Kanton 
Graubünden.
Neben dem Geschlecht und dem Land sind weitere Einflussfaktoren 
das Alter - Jüngere bezeichnen im Gegensatz zu Älteren physische 
Gewalt signifikant seltener als Gewalt.
Durchschnittliche Verweildauer in einer "Gewaltbeziehung" 11 
Jahre 
Im zweiten Teil der Untersuchung wurden insgesamt 24 Frauen (8 pro 
Land) zu ihren Erfahrungen, Bewältigungsstrategien, Wünschen und 
Anregungen mittels Tiefeninterviews befragt.
Geser-Engleitner: "Die Dauer der Beziehung mit Gewaltelementen 
reicht von 2 bis 34 Jahren. Die durchschnittliche Dauer beträgt 11 
Jahre. Wenn Frauen ihre Gewalterlebnisse in ihren Paarbeziehungen 
erzählen, dann geht daraus hervor, dass sie alle von verschiedenen 
Gewaltformen in mehrfacher Weise betroffenen waren. Die ökonomische 
Gewalt ist jene Gewaltform, die häufig Frauen daran hindert, sich 
aus einer Beziehung zu befreien. Gewalt in der Beziehung tritt 
wellenförmig oder phasenweise auf. Wobei die Frauen nie wissen, wann 
sie das nächste Mal passieren wird. Gewalt in Paarbeziehungen spielt 
sich sehr häufig im Privaten ab. In der Regel trachten alle 
involvierten Personen danach, nichts an die Öffentlichkeit kommen zu 
lassen. Damit entstehen nicht selten zwei voneinander völlig 
getrennte, verschiedene Welten."
Unterstützungsangebote 
Bei den Tiefeninterviews wurde auch der Frage nachgegangen "Welche 
Unterstützung wurde in Anspruch genommen?". Geser-Engleitner: 
Solange die Beziehung noch aufrecht war, wurde Hilfe eher selten in 
Anspruch genommen. Hilfe in Anspruch zu nehmen empfingen manche 
Frauen als Eingeständnis, es nicht mehr alleine zu schaffen und 
deuten es als Versagen ihrerseits. Unterstützung erhielten viele 
Frauen von Freundinnen. Familiäre Hilfe wurde eher selten in 
Anspruch genommen oder gesucht. Professionelle Hilfe wurde 
häufig erst in der Trennungsphase in Anspruch genommen. Viele Frauen 
sagen, dass sie es erst mit dieser Hilfe geschafft haben sich zu 
lösen."
Mögliche Handlungsfelder 
Landesrätin Schmid: "Die Studie macht sichtbar, dass zur Bekämpfung 
der Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft noch sehr viele 
Felder zur weiteren Bearbeitung offen sind. Ein zentrales 
Handlungsfeld wird weiterhin die Öffentlichkeitsarbeit zur 
Bewusstseinsbildung sein." Die in der Studie vorgeschlagenen 
Handlungsfelder gliedern sich in folgende Bereiche: 
Öffentlichkeitsarbeit - Bewusstseinbildung für Frauen, 
Mädchen, Männer und Buben und Bewusstseinsbildung zu speziellen 
Themen wie Schuldgefühle, Scham, Selbstvertrauen, Ängste, Grenzen 
setzen und Definition von Gewalt. Bewusstseinsbildung im Umgang mit 
Kindern: Auswirkungen von Gewalt in Paarbeziehungen auf die Kinder 
oder wie können Gewalterlebnisse mit den Kindern besprochen werden. 
Information für MitwisserInnen (Freundinnen, Familienmitglieder, 
Aussenstehende) ist ein weiterer Themenbereich. Die Aus- und 
Weiterbildung für Frauen sowie die Professionalisierung der 
Einrichtungen und die Erweiterung der Angebote sind weitere 
Handlungsfelder.
Massnahmen im Rahmen des Interreg-Projekts 
Aufgrund der vielen möglichen Handlungsfelder wurde für die 
Umsetzung im Rahmen des Interreg-Projekts eine Auswahl getroffen. 
Regierungsrätin Widmer-Schlumpf: "Die Studie hat klar gezeigt, dass 
das nächste Umfeld der betroffenen Frauen häufig überfordert ist. 
Dabei sind gerade diese Beziehungen sehr wichtig, um aus dem 
Gewaltkreis auszubrechen bzw. um den Schritt in die Öffentlichkeit 
zu wagen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen." Ein 
länderübergreifendes Projekt wird die Entwicklung eines Leitfadens 
für FreundInnen und Angehörige von gewaltbetroffenen Frauen sein. 
Der Leitfaden wird in Zusammenarbeit mit den Frauenhäusern bzw. 
Interventionsstellen erarbeitet. Im Weiteren planen die drei Länder 
am Internationalen Tag gegen Gewalt eine Veranstaltung für 
MultplikatorInnen. Zudem wird der in der Sensibilisierungskampagne 
entstandene Flyer nochmals an bestimmte Stellen versandt.
Weitere Umsetzungen in den einzelnen Ländern befinden sich noch 
in der Planungsphase.

Kontakt:

Gleichstellungsbüro
Bernadette Kubik-Risch
Tel.: +423/236 60 60

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