pafl: Jahrestagung der Europabank
(ots)Liechtenstein war durch Regierungsrat Hansjörg Frick vertreten
Regierungsrat Hansjörg Frick, Inhaber des Ressorts Wirtschaft, nahm am 19. April 2004 als Gouverneur des Fürstentums Liechtenstein bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) an der Jahrestagung des Gouverneursrats in London teil. Er wurde begleitet vom Stellvertretenden Gouverneur, Botschafter Roland Marxer, Leiter des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten.
Liechtenstein ist seit dem 28. März 1991 Mitglied der EBWE. Wie alle andern Mitgliedstaaten ist Liechtenstein in der Bank durch einen Gouverneur und durch einen Stellvertretenden Gouverneur vertreten. Die Aufgaben des Gouverneursrats, der in der Regel jährlich einmal alternierend in London (dem Sitz der EBWE) und einer Stadt aus dem Kreis der Empfängerländer, nämlich der Staaten Mittel- und Osteuropas, tagt, entsprechen im Wesentlichen in etwa den Aufgaben eines Verwaltungsrats einer internationalen Bank. Die eigentliche Geschäftstätigkeit der EBWE wird unter dem Vorsitz ihres Präsidenten - derzeit dem Franzosen Jean Lemierre - von einem Direktorium wahrgenommen. In diesem Direktorium sind die Schweiz, die Türkei und Liechtenstein sowie die - seit der Aufnahme des Ehemaligen Jugoslawien - fünf Empfängerländer Aserbeidschan, Kirgistan, Turkmenistan, Usbekistan und die Bundesrepublik Jugoslawien durch einen Direktor schweizerischer Nationalität - derzeit Laurent Guye - vertreten.
Regierungsrat Frick unterstrich in seiner Intervention vor dem Gouverneursrat das Interesse Liechtensteins an den Aktivitäten der Bank und nahm zu einigen auch aus liechtensteinischer Sicht wichtigen Aspekten Stellung. So sind die terroristischen Aktivitäten der letzten Wochen, die sich vorher nur in beschränktem Ausmass auf Europa bezogen, heute für ein Umfeld der Unsicherheit verantwortlich, das seine direkten und teilweise zumindest indirekten Auswirkungen auf die Aktivitätsbereiche der EBWE hat. Auch die EBWE dürfe sich aber angesichts dieser Bedrohungen nicht davon abhalten lassen, ihre Zielsetzungen weiterhin zu verwirklichen.
Der Präsident der EBWE, Jean Lemierre, hatte als vierter Präsident die Bank am 3. Juli 2000 übernommen. Nach der Krise in Russland konnten die Aktivitäten der Bank konsolidiert werden. Das Portfolio ist von 6.3 auf 8.3 Milliarden Euro, also um 31 Prozent angewachsen. Die Kapitalbasis und die Reserven wurden verstärkt, und unter Einhaltung einer realen Wachstumsquote von Null konnte die Produktivität der Bank gesteigert werden. Starke operationelle Ergebnisse des letzten Jahres und tiefere Verwaltungskosten haben zu einem Rekord-Gesamtergebnis beigetragen, womit auch die Reserven der Bank auf 990 Millionen erhöht werden konnten.
Im Jahr 2003 wurde eine neue organisatorische Struktur eingeführt, welche sich auf die besten Standards der Finanzpraxis und der Corporate Governance abstützt. Die liechtensteinische Delegation hatte sich schon anlässlich der Jahrestagung von 2003 für diese Massnahmen ausgesprochen. Die neue Organisationsstruktur trennt unter anderem auch die Bankfunktionen vom Risk Management. Die Schaffung der Position eines Vizepräsidenten für Risk Management kann hierzu sicher sehr nützlich sein, und die angewachsenen Reserven erlauben es der Bank auch, in einem mit teilweise hohen Risiken behafteten Umfeld tätig zu sein.
Das Budget der Bank für das Jahr 2005 ist aber auch im Zusammenhang mit den allgemein unsicheren Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung in Westeuropa, der globalen Volatilität des Risikokapitals, der hohen fiskalischen und externen Defizite in einer Reihe der Länder und der Unsicherheit bezüglich der Preise für Öl und andere Güter zu sehen. Die Bank wird sich auf fortgesetzte Effizienzgewinne fokussieren und dafür sorgen müssen, dass die internen Kontrollen und Verhaltensweisen entsprechend angepasst werden.
Nach intensiven Konsultationen ist die EBWE auch einer revidierten Umweltpolitik verpflichtet, die nicht nur ökologische sowie gesundheits- und sicherheitsrelevante Aspekte berücksichtigt, sondern auch Themen wie Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz einbezieht. Das Konzept sieht auch den Einbezug von Parametern bezüglich der Auswirkungen der Investitionen auf lokaler Ebene unter Einschluss des kulturellen Erbes vor. Liechtenstein unterstützt dieses Konzept.
Zehn der Empfängerländer der Bank werden am 1. Mai 2004 Mitglieder der Europäischen Union und gleichzeitig Mitglieder im Europäischen Wirtschaftsraum, in welchem die EU-Staaten mit den EFTA Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen verbunden sind. Der damit auf 25 Mitgliedstaaten erweiterte EWR-Raum schafft neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Rahmen eines grossen Binnenmarktes. Gleichzeitig sind mit einem neuen Finanzinstrument auch die Grundlagen für die Unterstützung der zehn neuen EU- Mitglieder geschaffen worden. Liechtenstein hat das interne Verfahren zur Ratifikation des EWR- Erweiterungsabkommens bereits abgeschlossen und auch dieser massiv erhöhten finanziellen Unterstützung zugestimmt.
Die Bedeutung der EBWE für die betroffenen neuen EU-Länder wird mit dem Beitritt dieser zehn Staaten zur EU nicht gemindert. Liechtenstein tritt aber trotzdem dafür ein, dass die anderen Empfängerländer der Bank, die nicht oder noch nicht EU-Mitglieder sind, möglichst in den vermehrten Genuss der Unterstützung der Bank gelangen.
Schliesslich konnten auch die Weichen dafür gestellt werden, dass die Mongolei zu den Empfängerländern der EBWE gehören wird. Liechtenstein hat als erstes Mitglied der EBWE die Änderung der Statuten zum Einbezug der Mongolei ratifiziert.
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung spielt auch weiterhin im Zusammenhang mit der Entwicklung der Volkswirtschaften der Empfängerländer eine wichtige Rolle. Liechtenstein begrüsst dies ausdrücklich. Diese Unterstützung ist Bestandteil der grundsätzlichen Bereitschaft Liechtensteins, den Entwicklungs- und Demokratisierungsprozess in Osteuropa weiterhin aktiv zu unterstützen. Liechtenstein tritt dabei auch für die Einhaltung der Menschenrechte ein und leistet im Rahmen der Internationalen Humanitären Hilfe (IHZ) regelmässig Beiträge an verschiedene Projekte, die den am meisten Hilfsbedürftigen zukommen.
Die liechtensteinische Delegation nahm auch an einem von Bundesrat Joseph Deiss, dem Gouverneur der Schweiz, für die gemeinsame Ländergruppe gegebenen Arbeitsfrühstück teil.