pafl: Offizieller Besuch von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Liechtenstein
(ots)
Vaduz, 22. Juni (pafl) -
Auf Einladung von Regierungsrat Ernst Walch stattete die schweizerische Aussenministerin, Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Liechtenstein am 22. Juni 2004 einen Besuch ab. Es war der erste formelle Besuch der amtierenden Aussenministerin der Schweiz in Liechtenstein. Die Arbeitsgespräche fanden in der gewohnt guten Atmosphäre statt. Der Besuch unterstreicht die speziellen freund-nachbarschaftlichen Beziehungen der beiden Länder. Letztes Jahr hatte Regierungsrat Walch seine Amtskollegin in Bern besucht.
Bundesrätin Calmy-Rey informierte über die weitestgehend abgeschlossenen Abkommen der "Bilateralen II". Ein Teil dieser Abkommen der Schweiz mit der EU hat direkte oder indirekte Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis Schweiz-Liechtenstein und auf die Beziehungen Liechtensteins im EWR. Alle Abkommen der "Bilateralen II" sind nach ihrer Unterzeichnung noch Gegenstand der Ratifikation und eventuell auch einer Volksabstimmung in der Schweiz.
Regierungsrat Walch informierte über die erwartete Liechtenstein- Lösung im Bereich der Zinsertragsbesteuerung. Wie für die Schweiz war auch für Liechtenstein die Sicherung des Bankgeheimnisses ein erklärtes Ziel der Verhandlungen. Aus der Sicht Liechtensteins können die Verhandlungen mit der EU als in der Substanz abgeschlossen betrachtet werden.
Auch über das abgeschlossene Abkommen zur Assoziation der Schweiz an Schengen/Dublin wurde gesprochen. Eine Schengenassoziation der Schweiz hat auch Auswirkungen auf Liechtenstein. Liechtenstein führte bereits erste Gespräche mit der EU zur Frage, in welcher Form sich Liechtenstein dem Schengenraum anschliessen könnte.
Es liegt im Interesse der liechtensteinischen Wirtschaft und Landwirtschaft, dass Liechtenstein auch weiterhin in das Agrarregime der Schweiz eingebunden ist. In diesem Zusammenhang kam auch das Agrarabkommen der Schweiz mit der EU zur Sprache, welches im Rahmen der "Bilateralen I" abgeschlossen wurde. Es liegt im Interesse Liechtensteins, in dieses Abkommen eingebunden zu sein. Regierungsrat Walch sprach der Schweiz für die Unterstützung dieser Bemühungen seinen Dank aus.
Im Rahmen der Vaduzer Konvention hatten sich Liechtenstein und die Schweiz bekanntlich geeinigt, dass liechtensteinische Staatsangehörige in der Schweiz gleich wie EU/EFTA-Angehörige bzw. schweizerische Staatsangehörige in Liechtenstein wie EWR-Angehörige zu behandeln sind. Diese neue Regelung im Personenverkehr ist in zwei Phasen umzusetzen. Die erste Phase, die Gleichstellung der bereits in der Schweiz bzw. in Liechtenstein wohnhaften Personen, ist bereits umgesetzt und seit einem guten Jahr (1. Juni 2003) wirksam. Die zweite Phase muss bis spätestens 1. Juni 2005 umgesetzt sein. In dieser zweiten Phase geht es um die Gleichstellung von Schweizer Staatsangehörigen ohne Wohnsitz in Liechtenstein bzw. die Gleichstellung der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner ohne Wohnsitz in der Schweiz. Bundesrätin Calmy-Rey und Regierungsrat Walch konnten erfreut feststellen, dass die Verhandlungsdelegationen die Verhandlungen in der Substanz bereits jetzt abgeschlossen haben und nur noch einige technische Einzelheiten zu klären sind. Daher kann nun ein Inkrafttreten der neuen Regelung schon zum einem früheren Zeitpunkt, bereits zum 1. Januar 2005, angestrebt werden. Damit kann die Gleichstellung der Schweizerinnen und Schweizer mit den EWR-Angehörigen in Liechtenstein ein halbes Jahr früher eingeführt werden als vorgesehen. Liechtenstein wird gleichzeitig die volle Freizügigkeit in der Schweiz erhalten.
Regierungsrat Walch gratulierte der Schweiz auch zur erfolgreichen Positionierung in der UNO, insbesondere zur Ernennung eines Schweizers, Professor Nicolas Michel, zum neuen Rechtsbrater des UN Generalsekretärs. Seit der Mitgliedschaft der Schweiz bei den Vereinten Nationen hat sich Aktionsfeld für gemeinsame Aktivitäten der Schweiz und Liechtensteins bei den Internationalen Organisationen erheblich erweitert. Beide Staaten treten einer Schwächung des internationalen Völkerrechts, besonders des humanitären Völkerrechts, vehement entgegen. Beide Staaten haben sehr ähnliche Interessen im Hinblick auf die Reformen der UNO. Liechtenstein legt hier einen Schwerpunkt in der Mitarbeit an der Reform des UNO Sicherheitsrates und darf derzeit den Co-Vorsitz der entsprechenden Arbeitsgruppe stellen. Beide Staaten engagieren sich aber auch stark für den Internationalen Strafgerichtshof, den ICC. In Liechtenstein wird demnächst das Abkommen über Privilegien und Immunitäten des ICC ratifizieren, das letzte Woche vom Landtag genehmigt wurde.
Ein weiteres Feld enger Zusammenarbeit bildet das humanitäre und entwicklungspolitische Engagement. Regierungsrat Walch informierte die Schweizer Delegation über die aktuellen Schwerpunkte und Zielsetzungen der liechtensteinischen Aktivitäten in der Nothilfe, der Zusammenarbeit mit Osteuropa und der Entwicklungszusammenarbeit. Er begrüsste die finanzielle Beteiligung Liechtensteins an Projekten der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) und bedankte sich auch für die Möglichkeit, Personen aus Liechtenstein an Einsätzen des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe teilnehmen zu lassen. Im vergangenen Jahr hat sich Liechtenstein mit über 5 Millionen Franken an Hilfsprojekten schweizerischer Partnerorganisationen beteiligt. Das sind knapp ein Drittel der gesamten Mittel, welche Liechtenstein für seine internationale humanitäre Zusammenarbeit aufwendet.
Die Schweiz und Liechtenstein wollen auch im Bereich der Katastrophenhilfe noch enger zusammen arbeiten. Der Entwurf zu einem bilateralen Abkommen über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen liegt vor und soll noch vor Ende dieses Jahres unterzeichnet werden.
Nach den Arbeitsgesprächen der beiden Delegationen fand ein Höflichkeitsbesuch bei Regierungschef Otmar Hasler und ein Empfang auf Schloss Vaduz, gegeben von Fürst Hans Adam II. von und zu Liechtenstein, statt. Ein Besuch der aktuellen Ausstellung über die späten Werke von Andy Warhol im Kunstmuseum und ein Treffen der Schweizer Aussenministerin mit dem Schweizer Verein im Fürstentum Liechtenstein rundeten das Programm ab.
Kontakt:
Botschafter Roland Marxer
Leiter des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten, Vaduz
Tel.: 00423 / 236 6050