ikr: Strategie zur Bewältigung des demografischen Wandels
Vaduz (ots/ikr) -
Der demografische Wandel führt zu verschiedenen Veränderungen in der Zahl und Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Um für die damit einhergehenden Herausforderungen gewappnet zu sein, hat die Regierung eine Analyse in Auftrag gegeben, in welcher die Situation des Landes in den betroffenen Bereichen aufgezeigt und daraus Chancen und Risiken des demografischen Wandels abgeleitet werden.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Liechtenstein die Entwicklung hin zu einem modernen Kleinstaat vollzogen. Damit dieses Erfolgsmodell auch in Zukunft prosperiert, hat die Regierung im Jahr 2010 mit der «Agenda 2020 für das Fürstentum Liechtenstein» ein Strategiepapier vorgelegt, welches darstellt, wie Liechtenstein auch in Zukunft ein Land mit hohem Wohlstand, hoher Lebensqualität und hoher sozialer Sicherheit bleiben kann.
Um die Zielsetzungen aus der Agenda 2020 so gut wie möglich realisieren zu können, sind seitens der Regierung in verschiedenen Bereichen Projekte lanciert worden, so auch der Regierungsauftrag «Strategie zur Bewältigung des demografischen Wandels». Der Bericht, den die Regierung hierzu in Auftrag gegeben hat, verfolgt das Ziel, einerseits die durch den demografischen Wandel bedingten Herausforderungen für die Entwicklung des Landes zu skizzieren und andererseits Handlungsvorschläge zu entwickeln, welche sich aus den Chancen und Risiken dieses Wandels ableiten lassen.
Ursachen und Folgen des demografischen Wandels
Verursacht werden die Veränderungen in der Zahl und Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch verschiedene Faktoren. Die kontinuierlich ansteigende Lebenserwartung und sinkende Geburtenraten gehören dazu, ebenso wie eine grosse Anzahl von Personen aus der geburtenstarken Babyboom-Generation, welche in den kommenden Jahren das Pensionsalter erreichen wird. Und schliesslich zählt auch die konstante oder leicht zunehmende Zuwanderung aus dem Ausland dazu.
Diese Veränderungen führen dazu, dass in Liechtenstein in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verschiedene demografische Trends anzunehmen sind. Einerseits ist von einem Bevölkerungswachstum auszugehen, welches insbesondere auf die Zuwanderung aus dem Ausland zurückzuführen ist. Diese Migrationsströme werden auch zu einer Internationalisierung der liechtensteinischen Bevölkerung beitragen. Gleichzeitig wird es zu einer Alterung der Gesellschaft kommen, da sich der Anteil der betagten und hochbetagten Personen in der Bevölkerung erhöhen wird. Und schliesslich ist davon auszugehen, dass sich auch die Individualisierung der Gesellschaft weiter fortsetzen wird. Das heisst, dass sich traditionelle Familienformen, aber auch Lebensbiografien verändern werden und durch unterschiedliche Variationen des Zusammenlebens sowie durch lebensabschnittsbezogene soziale Netzwerke ergänzt werden.
Bericht als Grundlage für Ableitung von Massnahmen
Der so beschriebene demografische Wandel wird derart nachhaltige Veränderungen mit sich bringen, dass unsere Welt in Zukunft nicht mehr gleich organisiert werden kann wie in den letzten Jahrzehnten. Für die politischen Entscheidungsträger ist es daher von grosser Bedeutung, die verschiedenen Szenarien zu kennen. Aus diesem Grund ist unter der Führung des Ressorts Soziales und mit Beteiligung aller betroffenen Regierungsressorts ein umfassender Bericht erarbeitet worden, welcher aufzeigt, in welchen politisch relevanten Bereichen der demografische Wandel Auswirkungen zeigen wird. Es sind dies die Bereiche Bildung, Finanzen, Soziales und Gesundheit ebenso wie Kultur und Sport, Migration und Wanderung, Verkehr, Raumordnung und Bau und schliesslich auch der Arbeitsmarkt. Erstmals wird das komplexe Geflecht, auf welches die demografische Zusammensetzung unserer Wohnbevölkerung Einfluss nimmt, einer Gesamtanalyse unterzogen. Zusammenhänge werden aufgezeigt, Handlungsfelder werden beschrieben und Handlungsempfehlungen werden formuliert.
Erkenntnisse für die verschiedenen Politikbereiche
Bereits mittelfristig werden verschiedene politisch relevante Bereiche durch den demografischen Wandel in beträchtlichem Ausmass betroffen sein und können dadurch die in der Agenda 2020 formulierten Zielsetzungen gefährden.
Sozialversicherungsleistungen
Die langfristige Sicherstellung der AVH-Renten ist aktuell eine der wichtigsten Herausforderungen des demografischen Wandels. Damit die Sozialversicherungsleistungen der künftigen Generation sichergestellt werden können, braucht es weitere Massnahmen. Diese können wenig populär sein und alle Generationen betreffen. Hier steht Liechtenstein - wie anderen europäischen Staaten auch - ein politischer Prozess bevor, in welchem die Finanzierung der Alterssicherung ausgehandelt werden muss.
Arbeitsmarkt
Die liechtensteinische Volkswirtschaft ist auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Bisher konnte der Bedarf an Arbeitskräften durch die verfolgte Arbeitsmarktpolitik gedeckt werden. Künftig wird sich der Wettbewerb um Arbeitskräfte - gefördert durch die demografische Entwicklung in den Nachbarländern - im Allgemeinen und im Besondern im Gesundheits- und Pflegebereich weiter verschärfen. Liechtenstein muss daher alle Möglichkeiten nutzen, welche es als Kleinstaat zur Verfügung hat, um auf die neue Herausforderung rasch und flexibel zu reagieren. Ergänzend braucht es jedoch flankierende Massnahmen wie die Förderung der Vereinbarkeit von Erwerb und Familie, die Sicherstellung des Know-hows älterer Arbeitskräfte sowie die Reduktion der Abwanderung von qualifizierten Fachkräften (Brain Drain).
Gesundheitswesen
Die Kostensteigerung im Gesundheitswesen ist entgegen oft geäusserten Befürchtungen nicht hauptsächlich auf den demografischen Wandel und die damit einhergehende starke Zunahme der Anzahl älterer Personen zurückzuführen. Die zu erwartende Kostensteigerung dürfte mehrheitlich durch die Faktoren Teuerung, medizinischer Fortschritt, Qualitätssteigerung und Nachfrage bestimmt werden. Dennoch wird der demografische Wandel das Gesundheitswesen in Zukunft stark prägen und es gilt, entsprechende Anpassungen im medizinischen und pflegerischen Bereich vorzunehmen. So muss beispielsweise der Bedarf an medizinischen Fachkräften und Pflegepersonal sichergestellt und die Erhaltung der guten Gesundheit durch einen verstärkten Fokus auf die Gesundheitsförderung und Prävention begünstigt werden.
Gesellschaftliches Engagement
Durch die Veränderung der Bevölkerungs- und Altersstruktur ergibt sich neues Potenzial für gesellschaftliches Engagement, welches den Herausforderungen (Integrationsbedürfnisse, Fachkräftemangel, usw.) entgegenwirken kann. Es gilt, diese Ressourcen für die Gesellschaft und die Wirtschaft nutzbar zu machen, beispielsweise durch die Förderung der Freiwilligenarbeit und der Vereinstätigkeit oder durch die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung auf allen Altersstufen.
Raumordnung
In der Raumordnung wird die grösste Herausforderung darin liegen, die wachsende Nachfrage nach Wohnraum nachhaltig und regional koordiniert bereitzustellen. Durch den demografischen Wandel verstärkt sich die Nachfrage nach altersgerechten Angeboten in einer attraktiven Nahumgebung und ergänzt mit wohnbegleitenden Dienstleistungen. Die Erstellung des zusätzlichen Wohnraums muss den Prinzipien der inneren Verdichtung genügen, da sonst negative Folgen auf den Flächenverbrauch, die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems und letztlich auf die Standortattraktivität zu erwarten wären.
Verkehr
Mit der Zunahme der Bevölkerungszahl und der Anzahl älterer Menschen steht das Liechtensteiner Verkehrssystem vor grossen Herausforderungen. Bereits heute sind die Kapazitätsgrenzen der Strassen vielerorts während den Tagesspitzen erreicht. Nur durch eine klare Fokussierung auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie des Langsamverkehrs wird es gelingen, den Transportbedürfnissen der Zukunft effizient und nachhaltig nachzukommen. Dabei gilt es, die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen zu berücksichtigen. Das heutige innerörtliche Langsamverkehrsnetz muss zusammen mit dem ÖV-Angebot altersgerecht weiterentwickelt und qualitativ verbessert werden. Das Kernelement im künftigen ÖV-Angebot stellt dabei das S-Bahn-Projekt FL.A.CH dar.
Periodische Aktualisierung demografischer Prognosen
Mit dem Monitoring der Agenda 2020 verdeutlicht Liechtenstein seinen Willen, die Prosperität des Landes auch langfristig zu sichern. Die demografische Entwicklung beeinflusst dabei in den nächsten Jahrzehnten sowohl die Zahl wie auch die Struktur der Bevölkerung massgeblich. Dadurch wird es notwendig sein, die demografischen Prognosen periodisch zu aktualisieren und zu schärfen. Neben der Bevölkerungszahl müssen die Szenarien die Alters- und Bevölkerungsstruktur (sozio-demografische und -ökonomische Merkmale) im Fokus haben.
Regionale Kooperationen
Die Bedeutung regionaler Kooperationen in verschiedenen Sektoralpolitiken wird durch den demografischen Wandel verstärkt. Dies, weil sowohl die Ursachen des demografischen Wandels (etwa Bevölkerungswachstum, Migration, Alterung) als auch dessen Auswirkungen im Verbund mit den Nachbarregionen oder -ländern besser zu lösen sind als im Alleingang. Es empfiehlt sich, insbesondere in den Bereichen Pflege, Bildung, Kultur, Raumordnung und Verkehr die Aktivitäten und Massnahmen zur regionalen Kooperation zu stärken beziehungsweise weiter zu verfolgen.
Demografischer Wandel mit Risiken und Chancen
Insgesamt zeigt sich, dass der demografische Wandel in den verschiedenen analysierten Politikbereichen nicht nur mit Risiken verbunden ist. Es bieten sich auch zahlreiche Chancen, die es zu nutzen gilt. Dies bedingt jedoch eine ausgewogene Politik, welche zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Sicherung, ausgeglichenen Staatsfinanzen, dem Migrationsdruck sowie den Herausforderungen des Verkehrs und der Raumplanung abwägt.
Kontakt:
Ressort Soziales
Gerlinde Gassner
T +423 236 64 47