ikr: Landesspital muss Geburtshilfe einstellen
Vaduz (ots/ikr) -
Die Regierung hat in ihrer Sitzung vom 14. Januar den Antrag des Liechtensteinischen Landespitals genehmigt, die Geburtshilfe am Landesspital ab Frühjahr 2014 nicht mehr anzubieten. Dieser Entscheid fiel nach einer intensiven Analyse verschiedener Szenarien, die Stiftungsrat und Spitalleitung aufgrund des Rückzugs der Gynäkologen am Landesspital erarbeitet und der Regierung vorgelegt haben.
An seiner Sitzung vom 9. Januar hat der Stiftungsrat den Bericht der Spitalleitung "Szenarien zur Weiterführung der Geburtshilfe am Liechtensteinischen Landesspital" abschliessend behandelt und ist einhellig zur Erkenntnis gelangt, dass die Geburtshilfe nach dem Rückzug der Belegärzte Gynäkologie und Geburtshilfe per Frühjahr 2014 am Landesspital nicht mehr angeboten werden kann. Der Stiftungsrat hat daher die Regierung ersucht, das LLS vom Versorgungsauftrag im Bereich der Geburtshilfe zu entbinden. Die Regierung hat in der Sitzung vom 14. Januar beschlossen, diesem Antrag zu folgen. Am Mittwoch, 15. Januar, orientierten Regierung und Spital nun über die Hintergründe.
"Die Regierung bedauert die Schliessung der Geburtenabteilung an unserem Spital sehr", erklärte Gesundheitsminister Mauro Pedrazzini gleich zu Beginn seiner Ausführungen. Die Analyse habe gezeigt, dass es keine Alternative zu diesem Entscheid gibt, welche die Sicherheit von Mutter und Kind gewährleistet und praktisch umsetzbar ist. Noch im Herbst 2012 hatte die Regierung die Neukonzeption des Landesspitals vorgestellt, welche auch die Geburtshilfe vorsah. Zu diesem Zeitpunkt ging man von der bestehenden Situation hinsichtlich der ärztlichen Versorgung aus. Nachdem alle Belegärzte im Bereich der Geburtshilfe ihre Verträge mit dem Landesspital gleichzeitig gekündigt hatten, habe sich aber eine neue Ausgangslage ergeben. Die Ärzte haben das Landesspital zwar frühzeitig informiert, so dass sich Stiftungsrat und Spitalleitung intensiv mit den Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung der Geburtshilfe auseinandersetzen und entsprechende Szenarien entwickeln konnten. Dennoch konnte keine zufriedenstellende Lösung für die Weiterführung der Geburtshilfe gefunden werden.
Für den Erhalt eingesetzt
Stiftungsrat und Spitalleitung standen stets hinter der Geburtshilfe und haben sich in den letzten Monaten intensiv mit möglichen Szenarien auseinandergesetzt. "Der Erhalt der Geburtshilfe war für uns wie auch für die Politik stets ein grosses Anliegen. Es ist uns bewusst, dass dies auch eine emotionale Frage für viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land ist", erklärte Stiftungsratspräsident Michael Ritter anlässlich der Medienorientierung. In der Eignerstrategie wird das LLS verpflichtet, die Qualität seiner Leistungen gemäss einer überregional anerkannten Systematik zu erbringen. Die Einhaltung dieser Qualitätskriterien wäre nur mit einem starken Ausbau der personellen Ressourcen möglich gewesen. Selbst wenn die dafür benötigten Mittel in Millionenhöhe von den politisch Verantwortlichen gesprochen würden, könnte das notwendige Personal gar nicht oder nicht innerhalb nützlicher Frist rekrutiert werden. Dabei geht es nicht nur um Fachärzte im Bereich der Geburtshilfe, sondern auch um qualifiziertes Personal in den Bereichen OP-Pflege und Anästhesie, das rund um die Uhr verfügbar sein müsste. Ritter und Pedrazzini betonten, dass die Sicherheit von Mutter und Kind an erster Stelle stünde und dass es daher nicht verantwortbar wäre, die Qualitätsvorgaben nicht zu erfüllen.
Fünf Szenarien geprüft
Spitaldirektor Daniel Derungs erläuterte gegenüber den Medien die fünf Szenarien, welche die Spitalleitung erarbeitet und intensiv geprüft hat.
Zum einen wäre dies die Beibehaltung der aktuellen Situation, die nach dem Rückzug der bisherigen Geburtshelfer nicht mehr zur Verfügung steht. Denkbar wäre der Aufbau eines Chefarztmodells, was zu einer mehrjährigen Aufbauphase mit hohen Defiziten führen würde. Ein weiteres Szenario wäre der Mix aus Spital- und Belegärzten, dies würde aber die Verfügbarkeit von Belegärzten im Bereich Geburtshilfe bedingen.
Für diese drei Szenarien gilt, dass gemäss den erwähnten Qualitätsstandards die Verfügbarkeit von Fachärzten rund um die Uhr gewährleistet sein muss. Zudem muss für Notfälle, beispielsweise einen unvorhergesehenen Kaiserschnitt, auch weiteres Personal für die Anästhesie und die Arbeiten im Operationssaal Tag und Nacht zur Verfügung stehen und innerhalb weniger Minuten einsatzbereit sein. Es sind pro Jahr nur wenige Notfälle in diesem Bereich zu erwarten. "Das ist nicht nur kaum finanzierbar, sondern auch aufgrund der personellen Situation nicht machbar", erklärte Daniel Derungs anlässlich der Medienorientierung. Der Markt für das benötigte Fachpersonal ist im gesamten deutschsprachigen Raum ausgetrocknet. Die relativ geringen Fallzahlen und das beschränkte Ausbaupotential am LLS fallen dabei erschwerend ins Gewicht, weil sie sich negativ auf die Attraktivität der angebotenen Stellen auswirken. Bei rund 200 Geburten jährlich würden die Ärzte und das weitere Fachpersonal bei Weitem nicht ausgelastet. Zudem müsste bei diesem Szenario in zusätzliche Infrastruktur investiert werden.
Als weiteres Szenario wurde geprüft, inwieweit andere Spitäler als Kooperationspartner die Geburtshilfe am Landesspital personell unterstützen könnten. Dies konnte von keiner Seite zugesichert werden, da auch dort die personellen Ressourcen sehr knapp sind. So bleibt als fünftes Szenario die Aufgabe der Geburtshilfe am Landesspital.
Hohes Defizit
Das Szenario mit festangestellten Ärzten sowie wie jenes mit dem Beizug von Belegärzten bedingen den Ausbau der Infrastruktur am Landesspital und würden in der Geburtshilfe ein jährliches Defizit von 1 - 3 Millionen mit sich bringen. "Auch wenn wir bereit wären, dieses Defizit trotz angespannter Haushaltslage über Jahre hinaus zu finanzieren, würden die anderen Faktoren, insbesondere die Situation am Arbeitsmarkt, nichts an diesem Entscheid ändern", erklärte Gesundheitsminister Pedrazzini. "Leider müssen wir auch unbequeme Entscheide treffen, wenn sie sich als einzig gangbare Lösung erweisen." Zur finanziellen Frage ergänzte Stiftungsratspräsident Ritter: "Es wäre ungewiss, in welchem Ausmass und in welchem Zeitraum diese Defizite durch einen möglichen Ausbau der Chirurgie kompensiert werden könnten. Dieser würde entsprechende Synergien schaffen" Und sagte weiter: "Sofern ein entsprechender Ausbau der Chirurgie erfolgt, kann die Option Geburtshilfe erneut geprüft werden. Dies ist mit Blick auf die aufwendige Aufbauarbeit frühestens in 5 Jahren möglich, wobei sich dann auch Fragen der räumlichen Kapazität stellen."
Auswirkungen für das Personal
Spitaldirektor Derungs sprach den Mitarbeitenden der Station, welche sich sehr stark für das Landespital eingesetzt haben und wesentlich zum guten Ruf der Geburtenabteilung beigetragen haben, seinen besonderen Dank aus. Er bedauerte umso mehr, dass der Entscheid, die Geburtenabteilung einzustellen personelle Konsequenzen am Landesspital haben wird. Der Stiftungsrat habe den Mitarbeitenden im Bereich der Geburtshilfe bereits im vergangenen Jahr noch unabhängig von einem allfälligen Entscheid zugesichert, die Löhne bis zum Sommer 2014 zu gewährleisten.
Gemäss Derungs handle es sich um sechs Hebammen, die direkt betroffen sind, ein weiterer Teil hat bereits selbst gekündigt oder nimmt eine Frühpensionierungslösung in Anspruch. Für die verbleibenden Hebammen ist es in Anbetracht der hohen Nachfrage am Arbeitsmarkt hoffentlich möglich, rasch wieder eine Stelle zu finden. Das Landesspital wird in jedem Fall für individuelle Lösungen Hand bieten.
Wie weiter für Mutter und Kind?
Für die liechtensteinischen Patientinnen ist eine Geburtshilfe nach anerkannten Qualitätskriterien auch in den umliegenden Spitälern wie Chur, Grabs oder Feldkirch möglich. Erste Abklärungen seitens der Spitalleitung haben gezeigt, dass die Ressourcen vorhanden sind, um auch liechtensteinischen werdenden Müttern Sicherheit und Qualität in Sachen Geburtshilfe zu bieten. Zudem gelte nach wie vor das Prinzip der freien Spitalwahl. Die Regierung hat mit verschiedenen Vertragsspitälern Vereinbarungen hinsichtlich der Grundversorgung für die liechtensteinische Bevölkerung getroffen, welche die Geburtshilfe einschliessen. Seitens des Landesspitals wird geprüft, wieweit ein Bedarf besteht, bestimmte Dienstleistungen wie etwa Geburtsvorbereitung oder Stillberatung weiterhin anzubieten.
Kontakt:
Ministerium für Gesellschaft
Sandro D'Elia, Generalsekretär
T +423 236 60 10
Liechtensteinisches Landesspital
Michael Ritter, Stiftungsratspräsident
T +423 239 73 73