Renward Cysats Convivii Process von 1593
Luzern (ots)
Wiederentdeckung und Erstedition des bedeutendsten Luzerner Fastnachtsspiels
Zu den weniger bekannten Schätzen der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern zählen viele wertvolle Handschriften, Bilderchroniken und Frühdrucke. So auch das Fasnachtsspiel Convivii Process, eine lange verloren geglaubte Theaterhandschrift des 1614 verstorbenen Stadtschreibers Renward Cysat, die von der Luzerner Literaturwissenschaftlerin Dr. Heidy Greco-Kaufmann wiederentdeckt und nun als kommentierte Erstedition vorgelegt wird.
Die Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern lädt Sie deshalb freundlich ein, an Buchvernissage, Szenischer Lesung und Ausstellung teilzunehmen am
Donnerstag, 10. Mai 2001, 19 Uhr in den Räumen der ZHB:
Spiegel des Missbruchs und weltlicher Fröwden.
Renward Cysats "Convivii Process" von 1593.
Anlässlich der Buchvernissage präsentiert Heidy Greco-Kaufmann das Ergebnis ihrer Forschung der Öffentlichkeit. Die Besonderheit des vorgestellten Werks reflektieren kurze Referate des Theaterwissenschaftlers Prof. Andreas Kotte und der Sprachwissenschaftlerin Judith Gut. Einen lebhaften, sinnlichen Eindruck des Convivii Process und eine Idee des damaligen Theaterschaffens vermittelt die circa einstündige szenische Lesung in Originalsprache, die von musikalischen Zwischenspielen auf alten Instrumenten begleitet wird. Lust und Laster und den literarischen Kampf ums Seelenheil thematisiert auch die im Katalogsaal der ZHB installierte Begleitausstellung. Gezeigt werden illustrierte Textstellen und spezielle Objekte zu inhaltlichen Schwerpunkten des Convivii Process.
Konzept/Leitung der Szenischen Lesung: Heidy Greco-Kaufmann, Alvaro Schoeck.
Es lesen die Schauspieler: Sigi Arnold, Marisa Waldburger, Christof Wolfsiberg.
Musikalisches Zwischenspiel auf historischen Instrumenten: Siegfried und Katharina Jud.
Ort: Zentral- und Hochschulbibliothek, Sempacherstrasse 10, 6002 Luzern.
Zeit: 19 Uhr. Eintritt frei
Dauer der Ausstellung: 10. Mai bis 10. Juni 2001. Die Ausstellung ist während der üblichen Öffnungszeiten der ZHB zugänglich.
Das Buch erscheint im Mai 2001 im Chronos Verlag unter folgendem Titel: Renward Cysat: Spiegel des Vberflusses Vnd Missbruchs.
Kommentierte Erstausgabe der Tragicocomedi von 1593. Herausgegeben von Heidy Greco-Kaufmann. Ca. 400 S., 20 Abb., CHF 68
Die Arbeit an der Erstausgabe des Convivii Process wurde durch ein Forschungsstipendium des Schweizerischen Nationalfonds ermöglicht, die Druckkosten wurden von der Albert Koechlin Stiftung übernommen. Die Vernissage mit Begleitprogramm steht im Rahmen des schweizerischen Festival Science et Cité.
Weitere Informationen zu Renward Cysat und seiner Theaterhandschrift Convivii Process entnehmen Sie bitte dem folgenden Text oder der entsprechenden Rubrik auf www.zhbluzern.ch.
Renward Cysat: geboren 1545 in Luzern, gestorben ebd. 1614. Luzerner Stadtschreiber, Grossrat, Apotheker und Dichter, geprägt vom Humanismus und von der kath. Reformbewegung; versuchte, Luzern zu einem politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum zu machen.
Zum Convivii Process
1919 konnte der Kanton Luzern das Archiv der Familie Amrhyn und damit die vollständige Handschrift von Renward Cysats komplexer Tragikokomödie Convivii Process erwerben. Bei der Inventarisierung wurde aber der Wert dieses Manuskripts nicht erkannt, da es mit einer Abschrift der französischen Vorlage, La Condamnation de bancquet et correction de souper von Nicolas de la Chesnaye, in einer Handschrift zusammengebunden war und deshalb lediglich für eine Übersetzung des französischen Textes gehalten wurde. Der mittlerweile von der Forschung als wichtigstes Luzerner Fastnachtspiel gewertete Convivii Process des berühmten Stadtschreibers, Apothekers und Literaten galt also als verschollen, publiziert war lediglich eine Zusammenfassung von Cysats Hand. Die überraschende Entdeckung des verloren geglaubten Stückes im Jahre 1996 verdankt sich dem Forschungsinteresse der Luzerner Literaturwissenschaftlerin Heidy Greco-Kaufmann, die bereits in ihrer Dissertation Vor rechten lütten ist guot schimpfen wichtige Ergebnisse zum Schweizer Fastnachtsspiel publizierte. Mit der von ihr erarbeiteten Edition, die Anfangs Mai 2001 im Chronos Verlag erscheint, liegt nun erstmals eine vollständige, kommentierte Ausgabe der wiederentdeckten Handschrift vor.
Das 1593 an der Herrenfastnacht in Luzern aufgeführte Spiel ist in theater- aber auch lokalhistorischer Hinsicht ausserordentlich interessant, denn es vereinigt alle bis dato in Luzern gepflegten Traditionen des Fastnachts-, Oster- und Weltgerichtsspiel zu einer barocken Grossform, die Sitten und Gebräuche der damaligen Zeit dokumentiert und Einblick in das gesellschaftliche und politisch-religiöse Leben vermittelt. In dem 21 Akte, 110 Rollen und über 9500 Verse umfassenden Spiel wird fastnächtliche Sinneslust mit der Bedrohung durch Tod und Teufel unmissverständlich und drastisch kontrastiert. Das von der weltlichen und geistlichen Obrigkeit in Szene gesetzte Massenspektakel stand ganz im Zeichen der Gegenreformation, die fastnächtliches Treiben und ausgelassene Vergnügen abschaffen und die Menschen zu einem sittlichen und frommen Lebenswandel anleiten wollte.
Über einen Bericht anlässlich der Erstedition würden sich die Herausgeberin, Heidy-Greco-Kaufmann und die ZHB sehr freuen. Gerne stehe ich Ihnen für weitere Auskünfte zur Verfügung.
Mit bestem Dank für die Zusammenarbeit und freundlichen Grüssen
Kontakt:
Dr. Ina Brueckel, Öffentlichkeitsbeauftragte der ZHB,
Tel. +41 41 228 53 16, E-Mail: brueckel@zhbluzern.ch