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SFA - Vergessene Kinder alkoholkranker Eltern
Lausanne (ots)
Ungefähr 100'000 Kinder wachsen in der Schweiz mit einem alkoholabhängigen Elternteil auf. Mit ihren Sorgen stehen sie oft alleine da. Für sie gibt es nur wenige Hilfsangebote vor Ort. Die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) weitet ihr langjähriges Engagement aus und unterstützt die Kantone, innovative Angebote für betroffene Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Mit einer Aktion am Postschalter spricht die SFA neu auch die breite Öffentlichkeit an und sensibilisiert für ein Thema, das bis heute tabuisiert wird.
In der Schweiz leben etwa 100'000 Kinder und Jugendliche mit einem alkoholabhängigen Elternteil. So die konservative Schätzung der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA). Kinder aus alkoholbelasteten Familien tragen ein sechsfach höheres Risiko, selbst eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln. "Sie sind somit die grösste Risikogruppe", erklärt Michel Graf, Direktor der SFA. Ihre Situation wird aber kaum wahrgenommen. Das Trinken des alkoholabhängigen Elternteils bestimmt den Alltag, die elterliche Fürsorge ist unberechenbar, viele Kinder schämen sich und fühlen sich schuldig. Spannungen und Instabilität prägen die familiäre Atmosphäre.
Alkoholprobleme in der Familie - keine Privatsache Alkoholprobleme in der Familie sind ein Tabu. Um insbesondere auf die schwierige Lage der Kinder aufmerksam zu machen, startet die SFA eine Informationsoffensive. "Wir wollen das Schweigen brechen", sagt der SFA-Direktor. Eine neue Aktion setzt am Postschalter an. So wird der Kundschaft in mittelgrossen Postzentren ab Mitte November ein Schlüsselanhänger in Form eines Plüschhundes angeboten. Das Plüschtier Boby ist dem Bilderbuch der SFA entnommen, das von einem Hund erzählt, dessen Herrchen ein Alkoholproblem hat. Die Geschichte lehrt Kinder, dass Hilfe möglich ist. Auch Boby als Schlüsselanhänger informiert mit einem Flyer über das Leben mit einer alkoholabhängigen Person und schildert die Situation betroffener Kinder.
Angebote schaffen, die genutzt werden "Wir setzen uns seit Langem für Kinder mit einem alkoholabhängigen Elternteil ein, indem wir betroffenen Familien helfen und Nahestehende sowie Fachpersonen beraten. Neu wollen wir breitere Bevölkerungskreise ansprechen", ergänzt Michel Graf. Die SFA will so zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen, in dem es alkoholkranken Eltern besser gelingt, Scham und Schuld zu überwinden und für sich sowie ihre Kinder Hilfe zu holen. Mit den Spendengeldern aus der Aktion "Boby" mit der Post soll die Unterstützung für Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien, darunter Gesprächsgruppen für Kinder, ausgebaut werden. Die SFA hat eine Bestandesaufnahme der Hilfsangebote in den Kantonen vorgenommen. Fazit: In der Schweiz gibt es erst wenige spezifische Angebote, welche betroffene Kinder und deren Eltern gleichermassen unterstützen. Selbst wenn alkoholabhängige Eltern in Behandlung sind, fragt oft niemand nach den Kindern.
Pilotprojekt im Kanton Aargau Seit einigen Jahren unterstützt die SFA kantonale Angebote. Aktuell hat sie mit der Aargauischen Stiftung für Suchthilfe (ags) ein Pilotprojekt entwickelt, das sowohl betreute Kindergruppen als auch Elternkurse vorsieht. In der von der SFA durchgeführten Elternbefragung stiessen diese beiden Angebote auf sehr grosses Interesse. "Um Kinder aus alkoholbelasteten Familien zu erreichen, braucht es zudem die Kooperation mit Fachpersonen aus dem schulischen, medizinischen und therapeutischen Umfeld", erklärt Irene Abderhalden, Leiterin Prävention der SFA. Deshalb richtet sich das aargauische Pilotprojekt auch an Fachleute im Kanton. Wichtiges Ziel ist, die Angebote bekannt zu machen.
Prävention setzt auf Schutzfaktoren Betroffene Kinder und Jugendliche brauchen die Unterstützung von Vertrauenspersonen und manchmal von Fachleuten, denn Belastungen und Verletzungen verschwinden nicht mit dem Erwachsenwerden. "Für diese Kinder ist es wichtig, eine emotional stabile Beziehung zu einem Menschen ausserhalb der Familie aufzubauen", erklärt Irene Abderhalden. Die SFA rät, mit den Kindern in einfachen Worten über die Suchterkrankung des Vaters oder der Mutter zu sprechen. Denn selbst kleine Kinder nehmen Spannungen wahr und leiden darunter. Nebst einem Familienalltag mit regelmässigen Schlafens- und Essenszeiten sollten Kinder und Jugendliche in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden. Wer in einer alkoholbelasteten Familie aufwächst, entwickelt nicht automatisch Störungen oder Krankheiten; bei etwa einem Drittel der Kinder ist dies jedoch der Fall. "Nicht alle Kinder sind behandlungsbedürftig. Die grosse Herausforderung besteht aber darin, die richtigen Angebote für jene Kinder zu entwickeln, die professionelle Unterstützung brauchen", präzisiert Irene Abderhalden. So können beispielsweise Kindergruppen dazu dienen, untereinander und mit einer Fachperson über Sorgen zu sprechen, Schuldgefühle und soziale Isolation zu überwinden. Auch bestehende Ressourcen werden gestärkt, so die Fähigkeit, Konflikte und Probleme zu bewältigen.
Ein Porträt eines Mannes, der in einer alkoholbelasteten Familie aufwuchs, sowie weitere Hintergrundinformationen zum Thema sind in der neusten Ausgabe der SFA-Zeitschrift "Standpunkte online" nachzulesen (www.sfa-ispa.ch).
Die SFA in Kürze Für die Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) steht der Schutz der Gesundheit im Zentrum. Die SFA will Probleme verhüten oder vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen hervorgehen. Die SFA konzipiert und realisiert Präventionsprojekte, engagiert sich in der Gesundheitspolitik und der psychosozialen Forschung. Die SFA ist eine private, parteipolitisch unabhängige Organisation mit gemeinnützigem Zweck.
Diese Medienmitteilung finden Sie auch auf der Internetseite der SFA: http://www.sfa-ispa.ch/index.php?IDtheme=64&IDcat24visible=1&langue=D
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