Debatte um das Einwanderungsgesetz vernachlässigt Fakten / Deutschland zweitwichtigstes Einwanderungsland der Welt
Hamburg (ots)
In der aktuellen deutschen Diskussion um ein neues Einwanderungsgesetz, zur Zeit wegen der Ereignisse in den USA unter Druck, werden wichtige Fakten ausgeblendet. Nach einer Statistik des Reportage-Magazins GEO ist das vermeintliche "Nicht-Einwanderungsland" Deutschland bereits seit Jahrzehnten das zweitwichtigste Immigrationsland der Erde nach den USA. Wie GEO in seiner Oktober-Ausgabe schreibt, sind seit dem Jahr 1954 mehr als 32 Millionen Menschen in die Bundesrepublik zugewandert und 23 Millionen Menschen aus ihr abgewandert, sind im Saldo also neun Millionen Neubürger ins Land gekommen. Rechnet man die zwölf Millionen Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg hinzu, stammt heute rund ein Drittel der deutschen Bevölkerung von Migranten ab - nur Israel hat weltweit ein höheren Anteil von zugewanderten Einwohnern.
Dies sei, schreibt GEO-Redakteur Christoph Kucklick, Beweis dafür, dass Integration nicht nur möglich, sondern längst schon in grossem Masse erfolgt sei. GEO zitiert auch Wissenschaftler, die in der gegenwärtigen Diskussion um das "volle Boot" erhebliche Fehlurteile und Wahrnehmungs-Verzerrungen beobachten:
So sei die "Festung Europa" im weltweiten Massstab nur zu einem geringen Teil von den international zur Zeit auf 150 Millionen Menschen geschätzten Migranten-Strömen betroffen; so wandern meistens nicht die Ärmsten der Armen in andere Länder aus, sondern eher Bessergestellte und Einfallsreiche; so haben Ökonomen errechnet, dass Immigranten zumeist mehr erwirtschaften als sie kosten und die Wirtschaft der Aufnahmeländer erheblich stärken. Für Deutschland kommt ein Team von Forschern der Universitäten von Darmstadt, Düsseldorf und Berlin zu dem Ergebnis, "dass entgegen weitverbreiteter Annahmen von zuwanderungsbedingter Arbeitslosigkeit nicht die Rede sein kann".
Um zu erklären, warum sich Deutschland - trotz der objektiven Befunde - so schwer tut, eine nüchterne Immigrationspolitik zu betreiben, ziehen Wissenschaftler historische und psychologische Faktoren heran. Professor Klaus Bade von der Universität Osnabrück verweist in GEO auf die tief verwurzelte ethno-nationale Rhetorik der Fremden-Abwehr in Deutschland, die zu einer seit dem Kaiserreich bis heute nahezu unveränderten Ausländerpolitik geführt habe. Der Freiburger Politikwissenschftler Dieter Oberndörfer gibt allerdings zu bedenken, dass diese traditionelle Haltung beim Wettbewerb um die weltweit besten Köpfe zu einem ernsten Wettbewerbs-Nachteil geraten könne, denn: Hoch qualifizierte Migranten werden, "wie in früheren Epochen, wieder ein kostbares und umworbenes Gut".
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