Technorama - Swiss Science Center
Experimentieren unter Weltraumbedingungen - im Technorama
Winterthur (ots)
Wer mit Schwerelosigkeit experimentieren will, braucht nicht in den Weltraum zu fliegen. Ein Mini-Fallturm erlaubt faszinierende Experimente unter Weltraumbedingungen auch auf der Erde. Konkret: im Jugendlabor des Winterthurer Science Center.
Beispiel Oberflächenspannung: In einem kleinen, geschlossenen Glas befindet sich etwas Wasser, darüber Luft. Im frei fallenden (sprich schwerelosen) System bildet sich eine runde Luftblase in der Flüssigkeit aus.
In einem mit Quecksilber und Luft gefüllten Glas funktioniert es umgekehrt: Unter Mikrogravitation löst sich das Quecksilber vom Glas und bildet eine frei schwebende Kugel! Und was passiert wohl mit der typischen Flammenform einer Kerze im freien Fall? Sie formt sich zu einer Kugel, in der Fachsprache: zu einer diffussionsgesteuerten kugelsymmetrischen Struktur.
Der Fallturm war ursprünglich eine Idee von drei deutschen Gymnasiasten, die mit ihrem Beitrag zum Wettbewerb "Jugend forscht 2002"in Darmstadt ausgezeichnet wurden. Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen entwickelte die Experimentiervorrichtung unter der Leitung von Dipl.-Ing. Torsten Bolik eigens zum Exponat für den Betrieb im Jugendlabor, und damit zu einer weiteren Exklusivität für das Technorama.
Damit beim Experimentieren, trotz der sehr knappen Fallzeit von unter einer Sekunde, das, was in der Fallkapsel passiert, beobachtet werden kann, werden die Phänomene über eine mit der Fallkapsel mitlaufende Minikamera erfasst und an einen Computer übertragen. Die Versuche lassen sich nicht nur beliebig in Wirklichkeit wiederholen, sondern können in aller Ruhe und genau in Zeitlupe, sozusagen Bild für Bild, verfolgt werden.
Um den Zeitraum der Vorgänge unter Schwerelosigkeit zu verlängern, ist der Fallturm mit einem Katapult - sozusagen einem Bungee-Effekt - ausgerüstet. Dabei wird die Kapsel zuerst nach oben geschleudert und fällt gleich wieder zurück: Doppelter Weg, doppelte Zeit Schwerelosigkeit.
Der Fallturm ist ganz bestimmt ein weiterer Beweggrund für Lehrkräfte, den naturwissenschaftlichen Unterricht mit einem Besuch im Technorama zu erweitern und mit Experimenten zu bereichern, wie sie sich in dieser Anschaulichkeit und Gründlichkeit im Klassenzimmer kaum bewerkstelligen lassen. Aber auch interessierte Laien und Familien mit neugierigen Kindern auf der Suche nach sinnvoller Freizeitbeschäftigung werden zweifellos ihren Spass am Experimentieren unter Weltraumbedingungen haben.
Apropos: Schwerelosigkeit und Mikrogravitation (µg)
Es geht bei diesen Versuchen am Fallturm um Gravitation, eine grundlegende Eigenschaft der Materie und eine der vier sogenannten physikalischen Wechselwirkungen (die drei übrigen sind die schwache und starke Kernkraft sowie die elektromagnetische Kraft).
Wenn also im Zusammenhang mit den Versuchen am Fallturm der sprachlichen Einfachheit halber doch von "schwerelos" die Rede ist, meint der Begriff - für die wissenschaftlichen "Erbsenzähler" - Mikrogravitation: also ein Millionstel der Fallbeschleunigung (oder Erdanziehungskraft) im Vergleich zur jener auf der Erdoberfläche. - Erdanziehungskraft = 1 g; Mikrogravitation = µg
Ein Beispiel: Wenn man von einem Dach aus 5 m Höhe springt, trifft man nach etwa einer Sekunde am Boden auf. Wäre die Anziehungskraft nur 1 %, so würde der gleiche freie Fall 10 Sekunden beanspruchen, bei einem Millionstel der Erdanziehungskraft ganze 17 Minuten! Um auf den Millionstel zu kommen, müsste man sich 6.37 Mio. km (etwa 17 mal die Distanz zum Mond) von der Erde entfernen, etwas unpraktisch!
Eine einfachere Methode, annähernd Mikrogravitations-Bedingungen zu schaffen, besteht im freien Fall.
Wieso können Astronauten in der Umlaufbahn "schwerelos" sein?
Sie sind es nicht. Die auf Gravitation beruhende Anziehung der Erde vermindert sich auch auf 400 km Höhe, in denen ein Space Shuttle seine Runden dreht, nur geringfügig. Sie erreicht niemals auch nur annähernd den Wert Null.
Dass es aussieht, als ob Astronauten schwerelos wären, liegt daran, dass ihr Gewicht von der Kraft ausgeglichen wird, die von ihrer Umlaufgeschwindigkeit herrührt: der Zentripetalkraft. Die Tendenz der Raumfähre, von der Erde wegzufliegen, wird von der Erdanziehung aufgehoben; die Astronauten bleiben sozusagen dazwischen hängen, die Schwerkraft ist nicht mehr feststellbar. Die Gravitationswirkung bleibt dennoch gegenwärtig, weshalb Weltraumwissenschaftler nie von Gravitation Null reden, sondern von Mikrogravitation, abgekürzt µg.
Sie finden reprofähige Abbildungen des Minifallturmes und Illustrationen zu einigen Versuchen unter www.technorama.ch/medien
Kontakt:
Martin Weber
Leiter Jugendlabor
Tel. +41/52/244'08'44
Fax +41/52/244'08'45
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