Schweiz. Gesundheitsobservatorium
Frauen verursachen weniger stark Gesundheitskosten als bisher angenommen
Neuchâtel (ots)
Eine Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums und des Bundesamtes für Gesundheit belegt: Zwar beziehen Frauen im Gesundheitswesen mehr Leistungen als Männer. Doch die Differenz zu Lasten der Frauen geht zu einem grossen Teil auf ihre längere Lebenserwartung und die Kosten für Schwangerschaft und Geburt, die einseitig den Frauen angerechnet werden. Zudem tragen Frauen wesentlich mehr zur Entlastung der Kosten bei: Sie sind weitaus stärker zu Hause in der Pflege engagiert als Männer.
Im Jahr 2001 wurden den Krankenversicherern für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) insgesamt 15.4 Milliarden Franken in Rechnung gestellt. Davon gingen 9.2 Milliarden Franken oder 60% zu Lasten von Frauen. Diese Ungleichheit führte bisher zum Pauschalurteil, wonach Frauen generell mehr Leistungen im Gesundheitswesen beziehen würden als Männer. Aufgrund einer Studie, welche das Schweizerische Gesundheitsobservatorium und das Bundesamt für Gesundheit publizieren, muss dieses Urteil nun revidiert werden.
Wie die Studie "Gesundheitskosten und Geschlecht" zeigt, lässt sich über die Hälfte dieses Kostenunterschieds durch die Tatsache erklären, dass Frauen länger leben als Männer. Kosten für die Schwangerschaft oder eine Geburt werden einseitig den Frauen zugerechnet, obwohl die Fortpflanzung eine Angelegenheit beider Geschlechter ist. Ebenso werden Ausgaben in Folge von Gewalt gegen Frauen (1998: 134 Mio. Franken) einseitig als Kosten der Frauen aufgerechnet. Stellt man diese Faktoren in Rechnung, so verursachen Frauen auf ein durchschnittliches Lebensjahr bezogen nur wenig mehr Kosten als Männer. Dennoch bestehen weiterhin einige Unterschiede: So weisen Frauen das ganze Leben hindurch, aber vorwiegend im erwerbstätigen Alter, höhere ambulante Psychiatriekosten auf als Männer.
Frauen leisten mehr für das Gesundheitswesen
Die Krankenversicherungen finanzieren in der Schweiz nur einen Drittel der ausgewiesenen Gesundheitskosten. In der Studie "Gesundheitskosten und Geschlecht" werden deshalb weitere Finanzierungsträger - Staat, Privatversicherungen, übrige Sozialversicherungen und private Direktzahler - untersucht. Während die Krankenversicherer höhere Ausgaben für Frauen ausweisen, sieht es bei den übrigen Sozialversicherungen genau umgekehrt aus: Männer verursachen deutlich mehr Kosten in der Unfallversicherung, bei der Invaliden-, Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie in der Militärversicherung. Betrachtet man zudem nicht nur die Kosten, sondern auch die Leistungen, so wird deutlich, dass Frauen mehr zur Entlastung des Gesundheitswesens beitragen als Männer. Sie übernehmen einen wesentlich grösseren Teil der unbezahlten Pflegeleistung zu Hause als Männer.
Die Autorinnen der Studie kommen zum Schluss, dass die Gesundheitskosten weit weniger eindeutig auf der Seite der Frauen lasten, als gemeinhin angenommen wird. "Es ist Zeit, ein altes Urteil zu revidieren und sich damit abzufinden, dass eine einseitige Kostenbilanz wenig sinnvoll ist. Genauso wie die Kosten müssen auch die Leistungen berücksichtigt werden", sagt Claudia Meier von der Fachstelle Gender Health des Bundesamtes für Gesundheit. Bei der künftigen Planung und bei Kostenberechnungen im Gesundheitswesen sollten die unterschiedlichen Bedürfnisse und Leistungen von Frauen und Männer daher stärker als bisher berücksichtigt werden.
Paul Camenzind, Claudia Meier (Hrsg.), Gesundheitskosten und Geschlecht - Eine genderbezogene Datenanalyse für die Schweiz; Buchreihe des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums, Verlag Hans-Huber, Bern 2004, CHF ISBN 3-456-84096-9
Kontakt:
Paul Camenzind
Schweizerisches Gesundheitsobservatorium
Tel. +41/32/713'69'83
E-mail: paul.camenzind@bfs.admin.ch
Claudia Meier
Fachstelle Gender Health
Bundesamt für Gesundheit
Tel +41/31/323'87'66
E-mail. claudia.meier@bag.admin.ch