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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Erziehungsstil beeinflusst die kindliche Entwicklung massgeblich

Bern (ots)

Autoritäre Erziehung kann schulische Leistungen
beeinträchtigen
Heute gehört es zum guten Ton, den Grund für 
Schulschwierigkeiten oder aggressives Verhalten von Kindern in der 
elterlichen Nachlässigkeit zu sehen und die Rückkehr zu strengeren 
Erziehungsformen zu propagieren. Im Rahmen des Nationalen 
Forschungsprogramms «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen 
im gesellschaftlichen Wandel» (NFP 52) haben Professor Alain 
Clémence und sein Team von der Fakultät des sciences sociales et 
pédagogiques an der Universität Lausanne eine Studie durchgeführt, 
die eine andere Realität aufzeigt. Sie belegt, dass sich Autorität 
in der Familie negativ auf die schulischen Leistungen und die 
Selbstachtung der Kinder auswirken können.
«Angesichts der gegenwärtigen Diskussionen über die 
Nachlässigkeit der Eltern wollten wir wissen, was tatsächlich in 
den heutigen Familien in der Westschweiz geschieht», bemerkt Alain 
Clémence. «Wir haben zwei Ziele verfolgt: Zunächst wollten wir die 
Art der elterlichen Autoritätsausübung im Alltag in Erfahrung 
bringen, um dann in einem zweiten Schritt die Auswirkungen der 
verschiedenen Praktiken auf die Leistungen in der Schule und das 
Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen ermitteln zu können.»
Hierfür wurden 500 Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 
15 Jahren in Cossonay (VD), Bex (VD) und Delsberg (JU) befragt, 
drei Orte, die den Forschern aufgrund ihrer ausreichend 
durchmischten Bevölkerung eine Verallgemeinerung der Resultate 
erlauben. Vervollständigt wurden die schriftlichen Fragebogen 
anschliessend durch Gespräche mit 26 Lehrkräften und Eltern von 
ungefähr 100 Schülern.
Es fiel auf, dass die „autoritative“ Erziehung, bei der die 
Kinder an familiären Entscheidungen mitwirken, in den Westschweizer 
Familien weit verbreitet zu sein scheint. «Dieser erste Eindruck 
wird dadurch verstärkt, dass diese spezifische Art Autorität 
auszuüben, als einzige in fast einem Drittel der Familien 
praktiziert wird», präzisiert der Professor für Sozialpsychologie. 
Das autoritäre Erziehungsmodell, das auf einseitigem Gehorsam und 
der Unterordnung der Kinder basiert, ist hingegen weit weniger 
verbreitet. Und was die heutzutage verpönte antiautoritäre 
Erziehungsmethode betrifft, in welchem den Kindern ihre Erziehung 
gewissermassen selbst auferlegt wird, spielt gemäss den Aussagen 
der Jugendlichen eine Nebenrolle und ist den Eltern zufolge sogar 
höchst selten anzutreffen.
Grössere Selbstachtung, bessere Integration 
Nachdem die zu untersuchenden Erziehungsmodelle festgesetzt waren, 
interessierten sich die Forscher für deren Auswirkungen auf das 
Verhalten, die schulischen Leistungen und ganz allgemein auf die 
Sozialisation von Kindern und Jugendlichen. Und gerade hier 
stiessen sie auf sehr erstaunliche Resultate. Es wurde deutlich, 
dass sowohl die schulische Integration als auch die Selbstachtung 
der Kinder steigt, wenn die Eltern sie bei Entscheidungen 
miteinbeziehen - dies unabhängig vom sozioprofessionellen Niveau 
der Eltern, der Sprache oder der familiären Situation 
(traditionelle Familie, Alleinerziehende oder Patchwork-Familie). 
Umgekehrt ist die Selbstachtung geringer, wenn die elterliche 
Autorität einseitig ausgeübt wird, also wenn Eltern ihre Kinder 
wenig oder gar nicht an Entscheidungen teilhaben lassen und sie 
streng überwachen. Dieser negative Effekt zeigt sich bei den 
jüngsten Schülern am deutlichsten.
Das gleiche gilt für die Leistungen in der Schule. Für deren 
Auswertung bezogen sich die Forscher bei den 12-jährigen auf die 
Notendurchschnitte in Mathematik und Französisch und bei den 15- 
jährigen auf den allgemeinen Lernstoff. Ihre Studie zeigt auch hier 
unmissverständlich, dass die Leistungen besser sind, wenn das 
Erziehungsmodell auf aktiver Teilnahme und Mitwirkung gründet und 
nicht auf unabdingbaren Gehorsam abstellt. «Es ist bekannt, dass 
der schulische Erfolg weitgehend von der sozialen Herkunft abhängt, 
was unsere Forschung im übrigen bestätigt», stellt Alain Clémence 
fest. «Aber der Einfluss des jeweiligen Erziehungsmodells 
hinterlässt deutliche Spuren. Im Gegensatz dazu sind die 
Auswirkungen der Sprache im Elternhaus oder der familiären 
Situation auf die Schulleistungen gering.»
Wenn auch die schulischen Leistungen in jedem Fall besser 
ausfallen, wenn die Eltern ein partnerschaftliches Erziehungsmodell 
anwenden, so hebt die Studie gleichwohl die Unterschiede zwischen 
den Geschlechtern und den verschiedenen Schulstufen hervor. Der 
günstige Einfluss der auf Mitwirkung basierenden Erziehung ist 
demnach bei den Knaben sowie den 12-jährigen Schülerinnen am 
grössten, der negative Einfluss einer autoritären Erziehung ist bei 
den 15-jährigen am stärksten spürbar, und die negativen 
Auswirkungen eines «Laisser-faire»-Erziehungsstils fallen bei den 
Mädchen und grundsätzlich gegen Ende der Schulzeit am meisten ins 
Gewicht.
Keinesfalls mehr Strenge 
Die Lausanner Forscher hoffen, mit ihrer Forschung, die dem Ruf 
nach strengeren Eltern entgegensteht, einen Beitrag zur aktuellen 
Debatte über Erziehung und Autoritätsausübung zu leisten. Sie haben 
deshalb bereits eine Broschüre für Eltern veröffentlicht und 
bereiten momentan die Publikation einer zweiten für Lehrkräfte 
vor. «Wir sind keine Therapeuten, sondern Forscher. Sollten wir den 
Eltern jedoch einen Rat geben, plädieren wir dafür, die Zügel nicht 
zu sehr zu straffen», schliesst Alain Clémence. «Auch wenn das Kind 
Erwartungen enttäuscht, sich widersetzt und die Diskussion ablehnt, 
ist es wichtig, den Dialog aufrecht zu erhalten – auch wenn das 
nicht einfach ist.»
Weitere Informationen:
Professor Alain Clémence
Institut des sciences sociales et pédagogiques
Université de Lausanne
Bâtiment Anthropole 
CH-1015 Lausanne
Tel.: +41 (0)22 692 32 40
Tel.: +41 (0)21 692 32 30 (Sekretariat)
Fax: +41 (0)21 692 32 35
E-Mail:  Alain.Clemence@unil.ch
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: 
www.snf.ch/medienmitteilung

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