Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse
SNF: Gründe für das Engagement in der SVP
Bern (ots)
Kein einheitliches Profil
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) ist nicht so homogen, wie oft angenommen wird. Zentrale Themen ihrer Anhänger sind zwar das Misstrauen gegenüber den Fremden und das ausgeprägte nationale Zugehörigkeitsgefühl, aber die Beweggründe für ihr Engagement sind vielfältig und nicht mit dem offiziellen Parteikurs zu verwechseln. Dies sind die Ergebnisse einer im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Rechtsextremismus Ursachen und Gegenmassnahmen» (NFP 40+) erstellten Studie.
Die internationale Forschung untersucht das Phänomen Rechtsextremismus immer auch im Zusammenhang mit Rechtspopulismus. Entsprechend wurde im Nationalen Forschungsprogramm «Rechtsextremismus Ursachen und Gegenmassnahmen» (NFP 40+) eine Studie zu jener Partei erstellt, die von den grossen nationalen Parteien am weitesten rechts steht und rechtspopulistisch politisiert. Philippe Gottraux, Cécile Péchu und Oscar Mazzoleni vom Institut d'études politiques et internationales (IEPI) der Universität Lausanne haben sich in ihrer Untersuchung «Rapports aux valeurs et engagements populistes de droite en Suisse» unter anderem mit dem ideologischen Hintergrund von Menschen befasst, die sich in der Schweizerischen Volkspartei (SVP) engagieren.
Die quantitative Auswertung der Selects-Wahlstudien 1999 und 2003 zeigte, dass der grösste Anteil von Wählern mit einer «rechtskonservativen» und «Anti-Establishment»-Einstellung bei der SVP zu finden ist. Die Auswertung brachte auch ans Licht, dass die Wähler dieser Partei eine geteilte Meinung zum Wirtschaftsliberalismus haben. Ausgehend von dieser Analyse haben die Forscher Parteianhänger in den Kantonen Zürich und Genf eingehend befragt und ergänzende Beobachtungen bei Treffen, öffentlichen Versammlungen und an Informationsständen der Partei gemacht.
Verdachtslogik Die qualitative NFP-Studie von Gottraux, Péchu und Mazzoleni zeigt, dass sich die SVP-Anhänger mit zwei Hauptthemen befassen. Erstens mit der Einwanderungs-, Asyl- und Ausländerthematik, die ihren Diskurs systematisch prägen. Die Fremden stehen grundsätzlich unter Verdacht und werden als Problem betrachtet. Deshalb müssen sie nachweisen, dass sie keinen «Missbrauch» betreiben, ihre echte Integration beweisen, mit ihrer Arbeit belegen, dass sie ihren Aufenthalt verdienen, und derSchweiz ihre Dankbarkeit bezeugen; sie dürfen das in sie gesetzte Vertrauen auf keinen Fall missbrauchen. Nach Ansicht der Forscher verstärkt diese Argumentation die Ausgrenzung der Fremden, aber auch anderer Randgruppen wie etwa der Arbeitslosen oder der IV-Rentner. Die Verfasser der Studie empfehlen daher den politischen Behörden, der öffentlichen Verwaltung und den Medien eine zurückhaltende Benutzung des Begriff «Missbrauch», vor allem hinsichtlich marginalisierter Leute.
Die SVP-Anhänger bringen zweitens ein starkes Gefühl nationaler Zugehörigkeit zum Ausdruck, das auf einem ausgeprägten Nationalstolz beruht. Dabei wird immer wieder auf den «Sonderfall» Schweiz in all seinen Dimensionen verwiesen, mit seinen kulturellen (Werte und Bräuche), politischen (direkte Demokratie, Idealisierung der Rolle des «Volkes» im politischen Entscheidungsprozess, Neutralität, Föderalismus), religiösen (christliche Zivilisation) und wirtschaftlichen (ökonomischer Erfolg) Elementen. Aus dieser Haltung heraus erwächst schnell ein Gefühl des Unverständnisses, ja sogar der Wut gegenüber Kritik aus dem Inland und speziell dem Ausland.
Diese zwei Themen werden allerdings je nach Umfeld und sozialem Hintergrund der befragten Personen unterschiedlich gewichtet. In Zürich beispielsweise, wo die Feindseligkeiten gegenüber Immigranten deutlicher zutage treten, zeigten sich die SVP-Anhänger durch die empfundene Bedrohung des Islam beunruhigter als in Genf. Auch das Thema der Verteidigung der schweizerischen Identität wurde unterschiedlich artikuliert. Gewisse SVP-Mitglieder gaben es gar als Grund für ihre Parteizugehörigkeit an, während einige wenige eingebürgerte Mitglieder mit eher atypischem Werdegang diese Thematik als zweitrangig erachteten.
Unterschiedliche Werte Nicht alle SVP-Anhänger vertreten die neoliberale Ideologie der Partei. Auch die Kritik am politischen System, den Politikern und den Eliten wird nicht systematisch geübt. Die SVP-Anhänger bringen oft ihre Enttäuschung über das politische System der Schweiz zum Ausdruck. Sie zweifeln an dessen Effektivität, denn sie haben den Eindruck, dass der Volkswille nicht respektiert wird. Eine Minderheit der befragten Parteianhänger schliesslich hat sich einem «kulturellen Liberalismus» ein Stück weit geöffnet (unter anderem Gleichberechtigung von Mann und Frau, Rechte sexueller Minderheiten, Straffreiheit für Cannabiskonsum).
Diese unterschiedlichen Werte zeigen, dass die Beweggründe für das Engagement nicht mit der offiziellen Ausrichtung der SVP verwechselt werden dürfen. Entgegen dem Klischee des xenophoben Neinsagers, das der Partei anhaftet, besitzen ihre aus allen Gesellschaftsschichten stammenden Anhänger kein einheitliches Profil, sondern eine Vielzahl von Profilen, die vom gesellschaftlichen Hintergrund und der Vergangenheit der Einzelnen abhängen.
Kontakt:
Dr. Philippe Gottraux
Institut détudes politiques et internationales (IEPI)
Université de Lausanne
Bâtiment Anthropole
CH-1015 Lausanne
Tel.: +41 (0)21 692 31 33
E-Mail: Philippe.Gottraux@unil.ch
Nationales Forschungsprogramm «Rechtsextremismus Ursachen und
Gegenmassnahmen» (NFP 40+)
Das vom Bundesrat im Jahr 2003 in Auftrag gegebene NFP 40+ gewinnt
neue Einsichten über Entstehungsbedingungen, Erscheinungsformen,
Verbreitung und Konsequenzen von rechtsextremen Aktivitäten und
Einstellungen in der Schweiz und erforscht das gesellschaftliche
Umfeld von Rechtsextremismus. Die Forschungsergebnisse schaffen die
Grundlagen für zukunftsorientierte Strategien im Umgang mit
Rechtsextremismus auf kommunaler, kantonaler sowie auf Bundesebene.
Ausserdem gewährleistet das Programm den Anschluss der
Rechtsextremismusforschung in der Schweiz an entsprechende
Forschungsanstrengungen in anderen Ländern.
www.nfp40plus.ch
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des
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