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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Integration und Ausschluss - das NFP 51 steht vor dem Abschluss

Bern (ots)

Die Sozialhilfe muss gestärkt werden
Behördliche Integrationsbemühungen können schnell in Ausgrenzung 
umschlagen. Was in den Anfängen des Schweizer Sozialstaates der Fall 
war, könnte sich heute wiederholen, wenn die Sozialpolitik nicht neu 
ausgerichtet und die Sozialhilfe gestärkt wird. Erwerbslose 
Jugendliche sind besonders von sozialem Ausschluss gefährdet. Zu 
diesem Ergebnis kommt das Nationale Forschungsprogramm «Integration 
und Ausschluss» (NFP 51).
Das vor dem Abschluss stehende Nationale Forschungsprogramm 
«Integration und Ausschluss» (NFP 51) hat in den letzten fünf Jahren 
die Prozesse der Integration und des Ausschlusses in der Sozial-, 
Bildungs-, Gesundheits-, Beschäftigungs- und Migrationspolitik 
untersucht, und zwar sowohl in der Gegenwart als auch in der 
Vergangenheit. Diese Prozesse betreffen alle Mitglieder einer 
Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richteten die Forschenden des 
NFP 51 dabei auf die Sozialhilfe, ein wichtiges Instrument des 
Sozialstaats.
In Not geratene Menschen reintegrieren
Die unter kommunaler Hoheit stehende Sozialhilfe ist in der Regel das
letzte Glied in der Kette der Sozialversicherungen (Arbeitslosen-, 
Invaliden-, Alters- und Hinterlassenenversicherung). Sie hat den 
Auftrag, in Not geratene Menschen zu reintegrieren. Sie unterstützt 
diese auch ergänzend, damit sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer 
Familienangehörigen finanziell (wieder) bestreiten können. Doch wie 
die Ergebnisse des NFP 51 zeigen, kann Integration unversehens in 
Ausgrenzung umschlagen. Was in den Anfängen des Sozialstaates der 
Fall war, könnte sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts wiederholen, 
wenn die Sozialpolitik nicht neu ausgerichtet wird.
Die Geschichte der Schweiz im 19. und in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhundert zeigt, dass die staatliche Integrationspolitik 
hinsichtlich der Menschenwürde wenig sensibilisiert war. Opfer dieser
oft ausgrenzenden Integration waren etwa Fahrende, alleinerziehende 
und unverheiratete Frauen sowie kinderreiche Familien aus der 
Unterschicht. Die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, die mit
der Unterstützung der «Armen» und der Erziehung «Verwahrloster» 
beschäftigt waren, führten dazu, dass zahllose Leben zerstört wurden.
Behörden nahmen Kindswegnahmen, Sterilisationen, Verfolgungen und 
Einsperrungen vor.
Sozialämter in schwieriger Situation
Die Sozialhilfe steht gegenwärtig an einem Scheideweg. Zwar haben 
sowohl der Sozialstaat als auch die Sozialhilfe seit dem Zweiten 
Weltkrieg langwierige Lernprozesse durchgemacht; noch 1934 wurde den 
Fürsorgeabhängigen des Kantons Schwyz das Stimmrecht entzogen. Heute 
wahrt die Sozialhilfe als Teil einer menschenrechtskonformen 
staatlichen Sozialpolitik die Persönlichkeitsrechte ihrer Klientinnen
und Klienten. Doch die Herausforderungen des globalisierten 
Arbeitsmarkts und die steigende Zahl von Bedürftigen (2006 waren das 
245'000 Personen, 3,2 Prozent mehr als im Vorjahr, also 3,3 Prozent 
der Gesamtbevölkerung) bergen die Gefahr, dass die 
menschenrechtlichen Standards verloren gehen.
Die Ergebnisse des NFP 51 zeigen, dass die Sozialämter mit einer 
schwierigen Situation konfrontiert sind. Sie müssen die Leute 
möglichst schnell in den Arbeitsmarkt reintegrieren. Doch das ist 
nicht ihre Kernkompetenz, und die zeitintensive Aufgabe übersteigt 
ihre Kapazitäten. Oftmals werden die Klientinnen und Klienten in 
prekäre Arbeitsverhältnisse gedrängt, die mit tiefen Einkommen, 
Unterbeschäftigung, rechtlicher Unsicherheit und einem erhöhten 
Gesundheitsrisiko einhergehen.
Gefährdete Jugendliche
Wer vom Sozialamt lebt, ist stigmatisiert. Dass sich die Sozialämter 
oft zu Kontroll- und Disziplinarmassnahmen gezwungen sehen, erhöht 
die Stigmatisierung ihrer Klienten. Das hat fatale Auswirkungen: 
Sozialhilfeempfänger, die heute in der Öffentlichkeit ohnehin unter 
Missbrauchsverdacht stehen, verinnerlichen die erfahrene 
Diskriminierung, was zu psychischen Belastungen führen kann.
Eine der grössten Gruppen, die heute Sozialhilfe bezieht, sind 
Jugendliche und junge Erwachsene, die Mühe haben, eine Lehrstelle und
den erfolgreichen Einstieg in die Berufsbildung zu finden und keinen 
Berufsabschluss besitzen. Im Jahr 2006 lebten 31'558 Personen, die 
zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, von der Sozialhilfe (12,9 Prozent 
aller Bezügerinnen und Bezüger). Sie sind oft mit dem Problem 
konfrontiert, dass der Übergang in die Berufswelt zu abrupt erfolgt 
und kaum Institutionen existieren, die diesen Schritt meistern 
helfen. Wem dieser nicht gelingt, riskiert, ein Leben lang immer 
wieder bei der Sozialhilfe anklopfen zu müssen.
Empfehlungen
Das NFP 51 empfiehlt, dass die Sozialhilfe vermehrt die Bedürfnisse 
der Klientinnen und Klienten berücksichtigt. Die Problemlage vieler 
Erwerbsloser ist heute in dem Masse komplexer geworden, wie der 
Arbeitsmarkt nicht mehr das Modell des lebenslang am gleichen 
Arbeitsplatz Vollbeschäftigen favorisiert. Zudem bietet er immer 
weniger Stellen für unqualifizierte Arbeitskräfte. Die Sozialhilfe 
sollte vermehrt auf Freiwilligkeit und Partizipation setzen sowie ein
Vertrauensverhältnis mit den Erwerbslosen aufbauen. Der 
Reintegrationsprozess, der zusätzliche Qualifizierungs- und 
Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten sollte, müsste verlängert 
werden.
Zudem sollte nach Ansicht des NFP 51 die Sozialpolitik neu 
ausgerichtet werden. Insbesondere müsste man die Hilfeleistungen der 
einzelnen Sozialversicherungen aufeinander abstimmen und die 
Sozialhilfe auf allen föderalen Stufen besser koordinieren; 
einheitliche Standards und Statistiken könnten den Sozialämtern die 
Arbeit erleichtern. Die Sozialhilfe soll mehr Gewicht und eine höhere
Entscheidungskompetenz erhalten. Eine präventive und nachhaltige 
Sozialpolitik soll verhindern, dass ein wachsender Teil der 
Bevölkerung am Rande der Gesellschaft lebt.
Publikation:
Christoph Conrad, Laura von Mandach (Hg.): Auf der Kippe. Integration
und Ausschluss in Sozialhilfe und Sozialpolitik. Seismo Verlag, 
Zürich 2008.
Abschlussveranstaltung:
Im Kornhaus in Bern findet heute von 13.30 bis 17.30 Uhr die 
Abschlussveranstaltung des NFP 51 statt. Vertreter und Vertreterinnen
aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung diskutieren mögliche 
sozialpolitische Konsequenzen der wissenschaftlichen Ergebnisse.
Programm unter: www.nfp51.ch > Agenda >Veranstaltungen des NFP 51 > 
Abschlussveranstaltung NFP 51
Nationales Forschungsprogramm «Integration und Ausschluss» (NFP 
51)
Das vor dem Abschluss stehende NFP 51 hat die Prozesse der 
Integration und des Ausschlusses in der schweizerischen Sozial-, 
Bildungs-, Gesundheits-, Beschäftigungs- und Migrationspolitik in 
Gegenwart und Vergangenheit untersucht. Dabei standen das Handeln 
sowohl staatlicher Institutionen als auch betroffener Menschen im 
Zentrum. Auf der Grundlage der exemplarischen Forschungsergebnisse 
des NFP 51 können Politik und Verwaltung die in der Schweiz wirksamen
Integrations- und Ausschlussmechanismen nun besser verstehen und die 
Folgen für die betroffenen Individuen und Institutionen angemessen 
beurteilen. Das vom Bundesrat in Auftrag gegebene NFP 51 nahm seine 
Tätigkeit 2003 auf. Den 37 sozial- und geisteswissenschaftlichen 
Projekten standen insgesamt zwölf Millionen Franken zur Verfügung.
Der alle Projekte zusammenfassende Schlussbericht des NFP 51 
erscheint Ende 2008. www.nfp51.ch
Was heisst Integration und Ausschluss?
Integration und Ausschluss sind ambivalente Prozesse, von denen nicht
nur Migrantinnen und Migranten, sondern alle Mitglieder einer 
Gesellschaft betroffen sind. Integration ist nicht per se positiv. 
Erzwungene Integration kann sogar die Ausgrenzung der Betroffenen zur
Folge haben. Auch in modernen Gesellschaften ist die Partizipation 
der Individuen in den verschiedenen gesellschaftlichen Feldern oft 
nur teilweise realisiert. Wer in einer Gruppe integriert ist, kann 
von einer anderen ausgeschlossen werden.
Integrations- und Ausschlussprozesse nehmen in der Interaktion 
zwischen Personen und Organisationen Gestalt an und müssen immer 
wieder ausgehandelt werden. Dabei verfügen die beteiligten Akteure 
über unterschiedlich verteilte Definitionsmacht.
Fünf Buchpublikationen
Die Forschungsresultate des NFP 51 sind im Zürcher Seismo Verlag in 
fünf Publikationen mit den Schwerpunkten Erwerbsarbeit, Jugendliche, 
Psychiatrie und Medizin, Sozialhilfe und Soziale Arbeit sowie 
Aktenführung erschienen. Jeder Band kostet CHF 28.-
Christoph Conrad, Laura von Mandach (Hg.): Auf der Kippe. 
Integration und Ausschluss in Sozialhilfe und Sozialpolitik, Zürich 
2008.
Claudia Kaufmann, Walter Leimgruber (Hg.): Was Akten bewirken 
können. Integrations- und Ausschlussprozesse eines 
Verwaltungsvorgangs, Zürich 2008.
Hans-Ulrich Grunder, Laura von Mandach (Hg.): Auswählen und 
ausgewählt werden. Integration und Ausschluss von Jugendlichen und 
jungen Erwachsenen in Schule und Beruf, Zürich 2007.
Véronique Mottier, Laura von Mandach (Hg.): Pflege, 
Stigmatisierung und Eugenik. Integration und Ausschluss in Medizin, 
Psychiatrie und Sozialhilfe, Zürich 2007.
Andrea Baechtold, Laura von Mandach (Hg.): Arbeitswelten. 
Integrationschancen und Ausschlussrisiken, Zürich 2007.
Der Text dieser Medienmitteilung steht auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: www.snf.ch > Medien > 
Medienmitteilungen

Kontakt:

Prof. Hans-Ulrich Grunder
Präsident der Leitungsgruppe NFP 51
Fachhochschule Nordwestschweiz
Pädagogische Hochschule
Obere Sternengasse 7
CH-4502 Solothurn
Tel.: +41 31 901 29 50
Natel: 079 821 29 58
E-Mail: hansulrich.grunder@fhnw.ch

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