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Schweizerischer Nationalfonds / Fonds national suisse

SNF: Das NFP 52 legt den Bericht «Kindheit und Jugend in der Schweiz» vor

Bern (ots)

Erwachsen werden in der Schweiz
Kinder und Jugendliche wachsen in der Schweiz unter ungleichen 
Bedingungen auf. Sowohl der Erziehungsstil der Eltern als auch die 
soziale und kulturelle Herkunft prägen die schulische und berufliche 
Biographie und entscheiden massgeblich über das Gelingen eines 
Lebens. Dies weist der neueste Bericht des Nationalen 
Forschungsprogramms «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im 
gesellschaftlichen Wandel» (NFP 52) nach.
Wie leben Kinder und Jugendliche in der Schweiz? Welche Umstände 
behindern ihre Entwicklung, unter welchen Bedingungen können sie sich
entfalten? Was bis vor kurzem kaum erforscht war, lässt sich nun 
bestimmen: Das Buch «Kindheit und Jugend in der Schweiz» des 
Nationalen Forschungsprogramms «Kindheit, Jugend und 
Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel» (NFP 52) fasst 
die Ergebnisse von 29 Projekten zusammen und ergänzt sie mit 
demographischen Analysen der Volkszählung und 
Sozialberichterstattung. Der Kindheits- und Jugendbericht erfüllt die
Forderung der UNO, repräsentative Daten über die Lebensumstände von 
Heranwachsenden zu erheben. Zudem liefert er den politischen 
Entscheidungsträgerinnen und -trägern Informationen und Empfehlungen 
zur Weiterentwicklung der Schweizer Kinder- und Jugendpolitik.
Aufmerksamer und weniger aggressiv
Entscheidend für die Entwicklung des jugendlichen Verhaltens und für 
die Herausbildung der emotionalen, kognitiven und sozialen 
Kompetenzen ist in erster Linie der Erziehungsstil der Eltern. Die 
repräsentative Langzeitstudie des Schweizerischen Kinder- und 
Jugendsurveys «Competence and Context» (Cocon), der die 
Lebensverhältnisse und Lebenserfahrungen von mehr als 3000 
Heranwachsenden untersucht, weist nach, dass eine mit Bestrafungen 
und Sanktionen operierende Erziehung nicht zu dem gewünschten 
Ergebnis führt.
Eine eigenständige und gefestigte Persönlichkeit entwickeln im 
Gegenteil solche Kinder, deren Eltern einen Erziehungsstil pflegen, 
der sich durch hohe emotionale und kognitive Qualität auszeichnet, 
die Entdeckung neuer Lebenswelten unterstützt und die Kinder an 
Entscheidungen teilhaben lässt. Diese Kinder sind aufmerksamer und 
weniger aggressiv, können ihr Verhalten besser kontrollieren und 
richten es auf das Wohlergehen anderer aus. In der Schweiz wachsen 
jedoch rund 44 Prozent der Sechsjährigen und 20 Prozent der 
Fünfzehnjährigen unter grosser strenger Kontrolle auf.
Negative Auswirkungen sind bei jungen Frauen stärker
Wie das Buch nachweist, kann ein gleichgültiger oder nur fordernder, 
nicht aber fördernder Erziehungsstil bei Jugendlichen zu 
gesundheitlichen Problemen, vermehrtem Cannabis- und Tabakkonsum 
sowie der Empfindung führen, das Leben sei sinnlos, was sich in 
Suizidgedanken und -versuchen äussert. Die negativen Effekte dieses 
Erziehungsstils sind bei jungen Frauen stärker. Sie leiden häufiger 
unter körperlichen und psychischen Störungen.
Geschlechtstypische Unterschiede zeigen sich auch beim 
Freizeitverhalten und der Beschäftigung mit politischen Fragen. So 
spielen sechsjährige Mädchen lieber bei sich oder anderen Zuhause, 
während sich gleichaltrige Knaben bevorzugt auf Quartierstrassen 
aufhalten. Bei der Aneignung öffentlicher Räume sind sie den Mädchen 
einen Schritt voraus. Zwar diskutiert die Mehrheit der 15-jährigen 
Jugendlichen unabhängig vom Geschlecht mehrmals pro Monat mit ihren 
Eltern über politische und soziale Fragen. Doch bedeutend mehr 
männliche Jugendliche lesen täglich die Zeitung. Bei ihnen ist das 
Interesse an politischen Fragen stärker ausgebildet.
Erziehung im gesellschaftlichen Kontext
Elterliche Erziehungsstile sind immer in einen gesellschaftlichen 
Kontext eingebettet. Sie werden durch die Arbeitsteilung zwischen den
Eltern, deren Bildungshintergrund, das Einkommen der Familie und die 
Wohnverhältnisse geprägt. Die Eltern tragen also die moralische 
Verantwortung für das Wohl des Kindes nicht allein. Politik und 
Gesellschaft sind dafür mitverantwortlich, die Reproduktion sozialer 
Ungleichheit zu durchbrechen. Denn Kinder aus armen und 
bildungsfernen Haushalten haben in der Regel schlechtere 
Zukunftschancen.
Jedes fünfte Kind in der Schweiz ist von «Armut» betroffen, also 
dem Mangel an finanziellen Mitteln, dem fehlenden Zugang zu 
öffentlichen und privaten Dienstleistungen sowie einer kulturell 
bereichernden Freizeitgestaltung. Besonders betroffen sind Kinder 
unter sechs Jahren. Die Einkommensarmut der Eltern rührt oft von 
einer prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt her, die wiederum durch
Bildungsarmut bedingt ist. Diese Gemengelage ist am häufigsten bei 
Alleinerziehenden sowie Migrantinnen und Migranten anzutreffen. Ein 
Migrationshintergrund wirkt sich daher in der Regel negativ auf die 
Aufstiegsmöglichkeiten der Kinder aus.
Das Kindeswohl politisch realisieren
Das NFP 52 empfiehlt folgende Massnahmen, um die Chancengleichheit 
unter Kindern und Jugendlichen zu realisieren:
* Senkung der Kosten für die Kinderbetreuung ökonomisch schlecht 
gestellter Eltern;
* Entschärfung der sozialen Segregation des Schulsystems, indem die 
Ausbildungswege später getrennt werden und ihre Durchlässigkeit 
erhöht wird;
* Abfederung des Übergangs von der Schule in den Beruf; so lässt sich
die Ausgrenzung und Prekarisierung der Jugendlichen eher vermeiden.
Ferner empfiehlt das NFP 52, dass in Zukunft alle fünf Jahre ein 
Kindheits- und Jugendbericht erarbeitet wird, der den politischen 
Entscheidungsträgern und -trägerinnen die notwendigen Informationen 
bereitstellt.
Publikation:
Franz Schultheis, Pasqualina Perrig-Chiello, Stephan Egger (Hg.): 
Kindheit und Jugend in der Schweiz. Ergebnisse des Nationalen 
Forschungsprogramms «Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im 
gesellschaftlichen Wandel». Beltz Verlag, Basel, Weinheim 2008.
(Französische Ausgabe erscheint Januar 2009 im Beltz-Verlag.)
Nationales Forschungsprogramm «Kindheit, Jugend und
Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen Wandel» (NFP 52)
Das NFP 52 nahm seine Arbeit im Jahr 2003 auf, um über die 
aktuellen und zukünftigen Lebensverhältnisse und Bedürfnisse von 
Kindern und Jugendlichen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Besonderes 
Augenmerk galt intergenerationellen und rechtlichen Aspekten.
Mit insgesamt 12 Millionen Franken konnten 29 Forschungsprojekte 
realisiert werden, deren Schlussberichte inzwischen vorliegen. Sie 
arbeiten die Lebensverhältnisse von Familien in der Schweiz und den 
Zusammenhang von Erziehung und psychosozialer Gesundheit auf, klären 
die Generationenfragen in der Sozial- und Migrationspolitik und 
beleuchten den Alltag in Schule und Freizeit.
Vor wenigen Tagen legte das NFP 52 den «Generationenbericht Schweiz» 
vor. 2007 erschienen die «Impulse für eine politische Agenda aus dem 
Nationalen Forschungsprogramm Kindheit, Jugend und 
Generationenbeziehungen». In dieser politischen Agenda bündelt die 
Leitungsgruppe des NFP 52 die Impulse und Vorschläge aus allen 
Projekten.
Mehr unter: www.nfp52.ch
Dieser Text sowie die anderen Unterlagen zur Medienkonferenz 
stehen ab dem 26.8.2008, 11.00 Uhr, auf der Website des 
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung:
http://www.snf.ch > D > Medien > Medienkonferenzen

Kontakt:

Prof. Franz Schultheis
Soziologisches Seminar
Universität St. Gallen
Tigerbergstrasse 2
CH-9000 St. Gallen
Tel.: +41 71 224 29 30
Tel.: +41 71 672 76 39
E-Mail: franz.schultheis@unisg.ch

Prof. Pasqualina Perrig-Chiello
Institut für Psychologie
Universität Bern
Muesmattstrasse 45
CH-3000 Bern 9
Tel.: +41 61 331 75 19
Tel.: 079 750 45 72
E-Mail: Pasqualina.perrigchiello@psy.unibe.ch

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