Alle Storys
Folgen
Keine Story von Aerztinnen und Aerzte gegen die Fristenl mehr verpassen.

Aerztinnen und Aerzte gegen die Fristenl

Mehr als 300 Schweizer Ärzte warnen vor den Folgen der Fristenlösung

Mehr als 300 Schweizer Ärzte warnen vor den Folgen der Fristenlösung
  • Bild-Infos
  • Download

Bern (ots)

Querverweis auf Bild: www.newsaktuell.ch/d/galerie.htx?type=obs
Schweizer Ärzte beziehen vier Wochen vor der
Abstimmung über die Fristenlösung Stellung: Schon die heutige
Abtreibungspraxis sei für das betroffene medizinische Personal eine
enorme Belastung. Die Fristenregelung würde die Situation weiter
verschärfen, weil durch den unklaren Begriff der «Notlage» neue
rechtliche Unsicherheiten entstünden. Die Fristenregelung delegiere
an das medizinische Personal einen gesetzlichen Tötungsauftrag, was
dem ärztlichen Eid, Leben zu schützen, widerspreche und heikle
rechtliche Probleme nach sich ziehe.
Ein Komitee von über 300 Ärztinnen und Ärzten warnt auch davor,
die Zahl von Spätabtreibungen werde markant ansteigen, wie
Vergleichswerte aus dem benachbarten Ausland belegen. Dadurch sieht
die Ärzteschaft starke Gewissenskonflikte auf sich und die
Kindseltern zukommen.
Gegen Eid und Gewissen
Die 300 Mediziner wollen auf die direkte Betroffenheit von
medizinischem Personal aufmerksam machen. Eine liberalisierte
Abtreibungspraxis erhöhe für viele von ihnen den Druck und die
Belastung. Auch medizinisches Personal, das aus Gewissensgründen
gegen Abtreibungen sei, werde durch die Abläufe in einem Spital
unweigerlich mit Schwangerschaftsabbrüchen konfrontiert, führt Dr.
med. Dorothea Hefti aus (siehe dazu auch das separate Interview).
«Für viele würde der Verstoss gegen ihr Gewissen zu einem grossen
Problem im Berufsalltag werden. Denn der gesellschaftliche Auftrag,
Tötungsmassnahmen zu ergreifen, steht klar im Widerspruch zur
ärztlichen Pflicht, Leben zu erhalten.»
Deutlich mehr Spätabtreibungen zu erwarten
Der Schwangerschaftsabbruch wäre mit der Fristenregelung bis zur
12. Woche straffrei, unter gewissen Bedingungen auch darüber hinaus.
Dadurch würde die Zahl von Spätabtreibungen markant ansteigen, ist
das Schweizer Medizinerkomitee überzeugt. «Laut Gesetzestext wären
Abtreibungen auch nach der 12. Woche straflos, wenn die Mutter eine
seelische Notlage geltend macht», erklärt die Langenthaler
Gynäkologin Dr. med. Dorothea Hefti. «Der Begriff der Notlage ist
aber nicht näher definiert. Durch diese weit dehnbare Formulierung
wäre mit der Fristenregelung keine wirkliche Grenze mehr im Gesetz
festgeschrieben und Abtreibungen wären bis zum letzten Tag vor der
Geburt legal möglich.» Zum Vergleich: In Deutschland versiebenfachte
sich nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit der Einführung der
Fristenlösung die Zahl von Abbrüchen nach der 23.
Schwangerschaftswoche (also nach dem 5. Monat) innert zweier
Jahre.(1) Der Präsident der deutschen Ärztekammer forderte deshalb
eine Präzisierung des Gesetzestexts: Darin sollten Abtreibungen ab
der 20. Schwangerschaftswoche verboten werden.(2) In der Schweizer
Fristenlösungs-Vorlage ist jedoch keinerlei Einschränkung enthalten.
Wenn das Kind seine Abtreibung überlebt
«Eine Liberalisierung der Abtreibung würde auch eine Zunahme von
schweren Konfliktsituationen mit sich bringen», ist Dr. Willfried
Gasser überzeugt.(3) Denn Fachleute schätzen, dass bei 30 Prozent der
Abtreibungen nach der 20. Schwangerschaftswoche das Kind lebend zur
Welt kommt.(4) Dadurch geraten Ärzte in eine unberechenbare
juristische und ethische Grauzone. Ein sprechendes Beispiel ist das
sogenannte Oldenburger Baby. Dabei überlebte ein kleiner Junge seine
eigene Abtreibung in der 25. Schwangerschaftswoche. Nach der
künstlich eingeleiteten Geburt liess ihn das Pflegepersonal zum
Sterben liegen, wie das bei dieser Methode üblich ist. Erst als er
nach zehn Stunden immer noch lebte, begann man ihn zu behandeln.(5)
Dies trug dem Arzt eine Klage ein, fahrlässig und kriminell gehandelt
zu haben.
Der qualvolle Überlebenskampf des Kleinkindes - ob er nun Stunden
oder Minuten dauert - bringt Eltern, Mediziner und Hebammen in
grausame Konfliktsituationen. Selbst wenn solche Fälle im Vergleich
zu den jährlich 12'000 Abtreibungen nicht die Regel sind, würden sie
mit der nun zur Abstimmung vorgelegten Fristenregelung rechtlich in
Zukunft auch in der Schweiz möglich, warnt das Ärzte-Komitee.
Für Veränderungen, aber gegen Fristenlösung
Klar ist für die Ärzte aber auch, dass die heutige Praxis und
Rechtslage deutlicher Verbesserungen bedarf. So setzen sich die
Schweizer Mediziner für einen Ausbau der Hilfe für Mütter in Not ein,
damit sich niemand wegen mangelnder finanzieller oder personeller
Unterstützung zu einer Abtreibung gezwungen fühlen müsse. Konkret
fordert die Ärzteschaft ein besseres Beratungsangebot, welches einer
Frau in Not die Alternativen zu einer Abtreibung aufzeigt. Hier
müsste zum Beispiel auch Adoption als Möglichkeit deutlich gemacht
werden. Es brauche aber auch mehr Krippenplätze und einen Ausbau der
präventiven Massnahmen, da 50 Prozent aller Abtreibungen nach
fehlender oder mangelhafter Empfängnisverhütung durchgeführt würden.
Die Schweiz brauche weniger eine Anpassung der Rechtslage an die
unbefriedigende Praxis, die Frauen oft in ihrer Notlage und
Entscheidung allein lasse. Die 320 Mediziner plädieren vielmehr
dafür, am 2. Juni mit einem klaren Nein zur Fristenregelungsvorlage
diese dem Gesetzgeber zurückzugeben mit dem Auftrag, flankierende und
unterstützende Massnahmen für Frauen in Not gesetzlich zu verankern.
Quellen:
1 Statistisches Bundesamt, Berlin. (Der Anstieg von 730 Prozent
     allein in den ersten zwei Jahren ist allerdings insofern zu
     relativieren, als vorher praktisch keine Spätabbrüche  
     durchgeführt wurden.)
   2 Deutsches Ärzteblatt, 16.1.1998, Heft 3, Seite A-57
   3 Studie «Hebammen bei Spätabbrüchen», Zwischen beruflicher
     Pflicht und ethischer Desorientierung». Schweizer Hebamme 
     Nr. 4/2002
   4 Stuttgarter Zeitung, 7.1.1998
   5 Nachrichtenmagazin Focus, 21.2.1998
     (Zahlen und Artikel im vollen Wortlaut unter www.tim-lebt.de)
Das Ärztekomitee hat einen Schweizer Berufsjournalisten
beauftragt, ein Interview mit einer betroffenen Ärztin, der
Gynäkologin Dr. med. Dorothea Hefti aus Langenthal, durchzuführen.
Das Interview finden Sie hier:
http://www.newsaktuell.ch/d/story.htx?nr=100016884

Kontakt:

Kontakt zu Frau Dr. Hefti sowie weiteren Ärztinnen und Ärzten für
Interviews und Statements gegen die Fristenlösung über den Leiter des
Komitees, Dr. med. Wilf Gasser, Bern, Telefon +41/79/645'29'44,
E-Mail wi.gasser@bluewin.ch
[ 005 ]

Weitere Storys: Aerztinnen und Aerzte gegen die Fristenl
Weitere Storys: Aerztinnen und Aerzte gegen die Fristenl