Akademien der Wissenschaften Schweiz
Eidg. Abstimmung - Risiko- und Folgenforschung muss intensiviert werden
Bern (ots)
Die Akademien der Wissenschaften Schweiz nehmen zur Gentechfrei-Initiative Stellung
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die kommerzielle Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sind in der Schweiz sehr streng. Ein Sicherheitsgewinn ist durch ein Moratorium nicht zu erwarten.
Die vier Akademien anerkennen aber, dass eine längerfristige Gefährdung von Umweltgütern vermieden werden soll (Vorsorgeprinzip). Die Nachhaltigkeit des Einsatzes von GVO muss aufgezeigt werden. Dafür braucht es eine verstärkte experimentelle Forschung und eine wissenschaftliche Abschätzung der sozio-ökonomischen Auswirkungen. Von einigen Forschungsbereichen werden negative Auswirkungen durch die Initiative befürchtet.
Die Akademien beurteilen das Moratorium für die landwirtschaftliche Nutzung von GVO. Sie berücksichtigen dabei politische und wissenschaftliche Argumente. Folgende Erwägungen sind zentral:
- Keine verbesserte Biosicherheit
Das Gentechnikgesetz existiert seit 2004. Zusammen mit der Freisetzungsverordnung verfügt die Schweiz damit über gesetzliche Grundlagen, die bei konsequenter Anwendung dem Vorsorgeprinzip ausreichende Bedeutung verschaffen. Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen ist streng geregelt. Nicht erlaubt ist eine Nutzung von GVO, die Gefahrenpotentiale bergen könnte. Das Moratorium betrifft die nächsten fünf Jahre. In dieser Zeit dürften aufgrund der strengen gesetzlichen Bestimmungen keine kommerziellen Freisetzungen stattfinden. Die Akademien erwarten deshalb von einem Moratorium keinen unmittelbaren Gewinn an Sicherheit.
- Vorsorgeprinzip ernst nehmen
Die Initiative betont die Notwendigkeit der kleinen Schritte und stärkt damit das Vorsorgeprinzip. Dies ist ein wichtiger Faktor bei der Nutzen-Risiko Beurteilung jeder Technologie, also auch bei der Gentechnik.
- Biotechnologische Forschung will konkurrenzfähig bleiben
In einigen Wissenschaftsbereichen besteht die Sorge eines Imageverlusts der Erforschung der GVO durch das Moratorium. Dies obwohl die Forschung nicht direkt betroffen ist. Damit könnte die Schweiz Gefahr laufen, wichtige Fachkompetenzen zu verlieren. Für eine Spitzenforschung wäre unser Land weniger attraktiv. Zudem dürfte die geschmälerte Aussicht auf eine Umsetzung von Forschungsresultaten die finanzielle Förderung der involvierten Forschung reduzieren. Das würde die Konkurrenzfähigkeit der betroffenen schweizerischen Institute massgeblich beschneiden.
- Risiko- und Folgenforschung intensivieren
Die Risiko-Abschätzung von GVO stützt sich stark auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Im Fokus sind beispielsweise Abschätzungen der Auswirkungen auf die Biodiversität, oder das Nebeneinander von landwirtschaftlichen Anbausystemen mit und ohne Gentechnik. Die Kenntnisse über längerfristige Folgen des Einsatzes von GVO auf komplexe natürliche oder landwirtschaftliche Systeme müssen unbedingt verbessert werden. Auch müssen die sozio-ökonomischen Auswirkungen besser bekannt sein. In der Schweiz muss die Risiko- und Folgenforschung deshalb deutlich intensiviert werden. Dies ist ein dringendes, wissenschaftlich begründetes Anliegen der Akademien, unabhängig vom Ausgang der Abstimmung. Denn: Das Übertragen von Resultaten aus anderen Ländern ist aufgrund unterschiedlicher Standortfaktoren nur zum Teil möglich. Eine unabhängige experimentelle Forschung muss Folgewirkungen des Einsatzes von GVO auf die Biodiversität abschätzen. Dazu sind auch Freisetzungsversuche nötig. Sozio-ökonomische Auswirkungen, beispielsweise auf die Landwirtschaft, müssen die spezifisch schweizerischen Gegebenheiten berücksichtigen. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz fordern alle an einer sachlichen Diskussion über die Anwendung der Gentechnik interessierten Kreise dazu auf, dieses Anliegen aktiv zu unterstützen.
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Baccini
Präsident der
Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT)
Schwarztorstrasse 9
3007 Bern
Tel. +41/(0)31/310'40'39