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Media Service: Unrechtmässige Werkverträge bei der Neat? ATG soll Unternehmerangebote ungenügend überprüft haben

Media Service: Unrechtmässige Werkverträge bei der Neat? ATG soll Unternehmerangebote ungenügend überprüft haben
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Urn (ots)

Bei der Erstellerin der beiden Neat-Basistunnels am
Gotthard und Ceneri, der AlpTransit Gotthard AG (ATG), häufen sich 
die Probleme. Neben dem Streit um das Baulos 151 in Erstfeld steht 
eine weitere Arbeitsvergabe in der Kritik. Bei einem Arge-Partner 
der Zuschlagsempfängerin des Loses 005 über die 
Vorbereitungsarbeiten Rynächt soll der Präsident der Firma Tiefbau 
AG Flüelen seit Jahren nicht mehr operativ tätig sein.
Bei der Behandlung der dringlichen Interpellation des Glarner 
Ständerats This Jenny im Ständerat vom 5. Oktober in Flims fielen 
harte Worte an die Adresse der Neat- und ATG-Verantwortlichen. 
Einmal mehr stand das Vergabeverfahren des hart umkämpften Neat- 
Loses 151 im Mittelpunkt. Der Glarner Bauunternehmer sprach von 
flächendeckendem Vernichten von Steuergeldern, von vorsätzlicher 
Täuschung des Parlamentes und des Volkes. Unter der Leitung von 
Ständerat Hansruedi Stadler sollen die happigen Vorwürfe von This 
Jenny in einem Ausschuss untersucht werden.
Weiteres Ungemach für die ATG Auch bei einer weiteren 
Arbeitsausschreibung, dem Los 005 über die Vorbereitungsarbeiten 
Rynächt (Abschnitt Gotthard Nord), erhob ein unterlegener Bewerber 
bei der Rekurskommission gegen den Vergabeentscheid Beschwerde. Als 
Begründung gegen die Vergabe des Auftrages für knapp 10 Millionen 
Franken monierte die R. AG, dass die Zuschlagsempfängerin die 
Eignungskriterien nicht erfülle und vom Verfahren hätte 
ausgeschlossen werden müssen. In einer Zwischenverfügung vom 22. 
August verwehrte André Moser, der Präsident der Rekurskommission, 
der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Somit konnte die ATG den 
Werkvertrag mit der Arge Fedier AG / Tiefbau AG Flüelen 
ausarbeiten. 
Die Verträge sind inzwischen unterzeichnet, und der Arbeitsbeginn 
steht unmittelbar bevor. Angesichts dieser fast aussichtslosen Lage 
hat die R. AG vor wenigen Tagen ihre Beschwerde zurückgezogen. 
Zusätzlich ärgert sich deren Chef über eine ihm erst nach der 
Zwischenverfügung bekannt gewordene Information, dass es bei dieser 
Submission noch viel gröbere Mängel gebe. So soll die ATG bei der 
Überprüfung der von ihr in der öffentlichen Ausschreibung 
vorgegebenen Eignungskriterien geschlampt und die 
Unternehmernachweise nicht mit der gebührenden Sorgfalt überprüft 
haben. «Wenn es zutrifft, dass der Auftragsempfänger oder ein 
Arge-Partner die vorgegebenen Nachweise nicht erbracht oder 
vielleicht sogar unrichtige Angaben gemacht hat, ist das eine 
grosse 
Sauerei, die an Betrug grenzt», entrüstet sich der Chef der 
Beschwerdeführerin.
Baufirma ohne Aktivität Im «Schweizerischen Handelsamtsblatt» 
(Nummer 249) vom 22. Dezember 2005 wurden die Bauarbeiten zum Los 
005 öffentlich ausgeschrieben. Die Eignungskriterien für die 
Bewerber waren unter Ziffer 3.4 und die von ATG geforderten 
Nachweise unter Ziffer 3.5 aufgelistet. So mussten die Unternehmer 
unter anderem die Anzahl Mitarbeiter, gegliedert nach Sparten, 
nachweisen, weiter den jährlichen, projektrelevanten Umsatz der 
vergangenen drei Jahre beibringen und den Nachweis ihrer Bonität 
mit 
Bilanzauszügen der letzten drei Geschäftsjahre erbringen. Das 
federführende Arge-Mitglied Fedier AG, Amsteg, gehört der C. Vanoli 
Holding AG, die in Immensee bei Küssnacht domiziliert ist. Der 
andere Arge-Partner, die Tiefbau AG, Flüelen, ist wohl seit 
Jahrzehnten im Urner Handelsregister als Baufirma eingetragen, aber 
selbst bei der Urner Baudirektion fast unbekannt. Eine Anfrage beim 
Amt für Tiefbau ergibt, dass man dort in den letzten Jahren 
eigentlich keine Aktivitäten bemerkt habe und die Firma für den 
Kanton Uri «kein Thema» sei. Als Präsident der AG amtet eine 
Person, 
die anfangs der Neunzigerjahre mit einer Tiefbauunternehmung aus 
Schwyz Konkurs gegangen ist; weiteres Mitglied ist ein 
Bauunternehmer aus Goldau. Beide Firmenprotagonisten zeichnen mit 
Kollektivunterschrift zu zweien. Die hinter der Tiefbau AG Flüelen 
stehende Goldauer Firma ist im vergangenen Sommer durch einen 
illegalen und ungesetzlichen Strassenbau mit Deponie- und 
Wendeplatz 
in die Schlagzeilen geraten. Aus dem Haus des Präsidenten der 
Tiefbau AG Flüelen wurde bestätigt, dass der Präsident seit rund 
sechs bis sieben Jahren nichts mehr mit der Firma zu tun habe. Er 
wohnt im Kanton Luzern und steht längst im Pensionsalter.
Scheindomizil in Flüelen Weiteren Argwohn erweckt das Domizil. 
Im 
Telefonbuch ist die Tiefbau AG Flüelen unter Gotthardstrasse 32a 
eingetragen, im Handelsregister hingegen unter Gotthardstrasse 21a. 
Aber für beide Strassennummern gibt es kein entsprechendes Gebäude, 
wie eine Spurensuche vor Ort ergab. Die Frage, ob diese 
Briefkastenfirma (Bild) sämtliche von der ATG geforderten Nachweise 
mit den strengen Anforderungen zu erbringen imstande sei, ohne 
weiteren Beizug von Dritten, wird von Baufachleuten gestellt. 
Hinter 
der Tiefbau AG Flüelen steht heute mehrheitlich die Goldauer 
Einzelfirma Contratto & Cie., Inhaber Aldo Contratto. Immerhin hat 
dieses recht eigenartige Doppeldomizil der Tiefbau AG Flüelen, das 
eigentlich gar keines ist, offenbar bei der ATG zu keinen Bedenken 
Anlass gegeben. So schrieb ATG-Kommunikationschef Rudi Suter: «Das 
von Ihnen vermutlich angesprochene Arge-Mitglied hat sein Domizil 
an 
der Gotthardstrasse 32a in Flüelen, ist aber im HR unter 
Gotthardstrasse 21a eingetragen». Dass die ATG selbst da nicht 
stutzig wurde, mutet mehr als eigenartig an. Denn gemäss 
Schweizerischem Strafgesetzbuch macht sich strafbar, wer gegenüber 
Handelsregisterbehörden unwahre Angaben macht. Das hat die Urner 
Handelsregisterführerin, Andrea Gnos Stadler, bestätigt.
Strenge Überprüfung bei Bund und Kantonen Anfragen beim 
Bundesamt 
für Bauten und Logistik (BBL) in Bern und beim Kanton Zürich 
ergaben, dass eine so heikle Situation, wie sie nun offensichtlich 
bei ATG vorhanden ist, dort mit grösster Wahrscheinlichkeit nie 
eintreten könne. Beim Tiefbauamt der Baudirektion Kanton Zürich 
kennt man den Grossteil der Firmen, die Offerten einreichen. 
«Handelt es sich um eine nicht bekannte Firma, werden zusätzliche 
Referenzen verlangt von bereits ausgeführten Arbeiten», erklärt 
Felix Muff, Leiter des Tiefbauamtes. So oder so steht nun die ATG 
in 
der Pflicht. Vor allem, wenn sie, wie vermutet, einen rechtlich 
ungültigen und nichtigen Werkvertrag ausgefertigt haben sollte. 
Vieles weist darauf hin, dass ATG die geforderten Firmennachweise 
nicht oder bloss ungenügend kontrolliert und überprüft hat oder 
allenfalls unrichtige und falsche Unternehmerangaben kaum 
hinterfragt hat sowie Ungereimtheiten gar nicht nachgegangen ist. 
Dies ist aufgrund der schriftlichen Aussagen von Ruedi Suter 
anzunehmen. Zudem sind falsche Angaben auf unterzeichneten 
Nachweisdokumenten sogar strafbar. Mehrere Anfragen bezüglich der 
Unterschriften und der Tiefbau AG Flüelen wurden von ATG nicht 
beantwortet. Die angefragte Bestätigung der vermuteten groben 
Mängel 
und Fehler hat man nie dementiert. Der Verdacht, dass ATG recht 
unbekümmert, vielleicht gar grobfahrlässig Werkverträge mit 
Unternehmern abschliesst, die rechtlich nicht haltbar oder gar 
nichtig sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Vorwürfe von 
Ständerat This Jenny an die Adresse der ATG scheinen sich somit zu 
bestätigen. Und was meint die Rekurskommission zu einem solchen 
Fall? Ein diesbezügliches Nachfragen bei der Sachbearbeiterin für 
die Entscheide der Rekurskommission der umkämpften Neat-Lose 005 
und 
151 mündete im Telefonaufhängen von Sonja Bossart.
Text: Angelo Zoppet-Betschart
Fotolegende: (Bild unter Presseportal.ch)
Wenn man von Flüelen Richtung Altdorf fährt, dann steht ausgangs 
Dorf unmittelbar am Strassenrand ein verrosteter Baucontainer. 
Daneben ein Briefkasten mit rotgelbem Aufkleber: «tiefbau ag 
flüelen».	Foto: Harry Tresch, Urner Wochenblatt