Human Life International (HLI) Schweiz
Bundesgericht kritisiert die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Exit ungewöhnlich scharf
Zug (ots)
Das Bundesgericht hat im Juni die Vereinbarung der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Exit bekanntlich für nichtig erklärt. Näheren Aufschluss über die Argumentation der Bundesrichter gibt nun die schriftliche Urteilsbegründung vom 23.8.2010, die von den obsiegenden Beschwerdeführern HLI-Schweiz, der Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz (VKAS) und der Schweizerischen Gesellschaft für Bioethik (SGBE) mit Spannung erwartet worden ist.
Das Bundesgericht bejahte das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses der Beschwerdeführer, obwohl es in der Vereinbarung nicht alle erforderlichen Kriterien einer Verwaltungsverordnung erkannte. Damit war eine allfällige Nichtigkeit der Vereinbarung von Amtes wegen zu prüfen. Die Vereinbarung wurde daher inhaltlich und im Hinblick auf die rechtlichen Grundlagen einer eingehenden Analyse unterzogen. Die Richter kommen in beiden Bereichen zu einer sehr negativen Beurteilung.
So wird bemängelt, dass die Vereinbarung darauf hinausläuft, die Suizidbeihilfe sogar in sehr heiklen Belangen wie psychischen Krankheiten, fortschreitender Demenz und Sonderfällen wie Doppelsuizide und suizidwilligen, jungen Personen zu rechtfertigen. Die Richter weisen ausführlich darauf hin, dass die Meinungen in der Lehre über die Urteilsfähigkeit der Betroffenen weit auseinandergehen. Sie betonen auch, dass "Erkenntnisse der Suizidforschung und die Erfahrungen von Fachpersonen zeigen, dass der Suizidwunsch regelmässig Ausdruck einer existenziellen Krisensituation ist und kaum Zeugnis eines in sich abgeklärten und gefestigten Willens." Zu Recht wird auch auf die Labilität des Todeswunsches bei Schwerkranken hingewiesen.
Die Richter legen im Weiteren dar, dass die umstrittene Vereinbarung gegen das Betäubungsmittelrecht, das Strafrecht sowie die Eidgenössische Strafprozessordnung verstosse. Bei ausserordentlichen Todesfällen, wozu auch assistierte Suizide zählen, werde von vorneherein ein Untersuchungsverfahren ausgeschlossen. Zudem weicht die Vereinbarung sogar von der sonst gültigen Weisung der Oberstaatsanwaltschaft über Abklärungen bei ausserordentlichen Todesfällen ab. Es wird auch festgestellt, dass für vertragliche Vereinbarungen von Strafverfolgungsbehörden mit Privaten schlicht jegliche gesetzliche Grundlage fehle.
Zusammenfassend kommt das Bundesgericht zu folgendem Schluss: "Der Mangel, mit dem die Vereinbarung ... behaftet ist, ist nicht nur offensichtlich, sondern auch gravierend. Dabei fällt ins Gewicht, dass sowohl das Recht auf Leben wie auch die persönliche Freiheit in einem zentralen Bereich betroffen sind." Das Gericht hält zudem fest, dass das Recht auf Leben als fundamentales Grundrecht Ausgangspunkt und Voraussetzung für alle andern Grundrechte bilde.
Das vorliegende Urteil stellt somit eine vernichtende höchstrichterliche Kritik an der umstrittenen Vereinbarung und somit an der Oberstaatsanwaltschaft Zürichs dar. Mit Genugtuung kann festgestellt werden, dass viele Argumente unserer Beschwerde vom Bundesgericht akzeptiert und einige Bedenken gegen die assistierte Suizidhilfe formuliert werden, wie sie ähnlich auch von HLI-Schweiz und der VKAS in ihren Stellungnahmen zur Vernehmlassung des Bundesrates über die organisierte Suizidhilfe vorgebracht worden sind.
Quellen/Links:
Volltext des schriftlichen Bundesgerichtsurteils (veröffentlicht am 23.8.2010: http://www.presseportal.ch/go2/Urteil-Bundesgericht-16.06.10
Vereinbarung der Oberstaatsanwaltschaft Zürichs vertreten durch den Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. iur. Andreas Brunner und Exit Deutsche Schweiz im Wortlaut: http://www.presseportal.ch/go2/staatsanwaltschaften/Vereinbarung20EXIT
(Da die Vereinbarung nichtig ist, müsste dieser Link gelegentlich von der Webseite der Staatsanwaltschaft verschwinden.)
Reaktionen zur öffentlichen Verhandlung des Bundesgerichts vom 16. Juni 2010
Statements zum Bundesgerichtsentscheid über die Vereinbarung zwischen der Oberstaatsanwaltschaft Zürichs und Exit (16.6.2010): http://www.human-life.ch/newsdetails.php?recordID=98
Vereinbarung der Oberstaatsanwaltschaft Zürich mit Exit: Vom Bundesgericht als nichtig erklärt! (16.6.2010): http://www.human-life.ch/newsdetails.php?recordID=97
Frühere Medienmitteilungen über die Vereinbarung zwischen Exit und der Oberstaatsanwaltschaft Zürichs
Vereinbarung der Oberstaatsanwaltschaft Zürich mit Exit: Ärzte- und Lebensschutzorganisationen begehen Rechtsweg (11.9.2009): http://www.human-life.ch/newsdetails.php?recordID=88
Bedenkliche Vereinbarung zur organisierten Suizidhilfe zwischen Oberstaatsanwaltschaft Zürich und Exit (11.7.2009): http://www.human-life.ch/newsdetails.php?recordID=85
Kontakt:
HLI-Schweiz
Postfach 1307
6301 Zug
Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz
Schweizerische Gesellschaft für Bioethik
Ch. Keel
Tel.: +41/41/710'28'48
E-Mail: keel@human-life.ch