Hinter den Felsen von Dover, Kommentar zur EU-Verdrossenheit der Briten von Andreas Hippin
Frankfurt (ots)
Angst vor der unkontrollierten Zuwanderung der verarmten Massen Südosteuropas, vorzeitige Haftentlassung sadistischer Kindermörder auf Geheiß Straßburgs - es sind keine schönen Themen, die hinter den Felsen von Dover den Europawahlkampf prägen. Kein Wunder: Die populistische UK Independence Party hat gute Chancen, im Mai als stärkste Partei aus der Wahl hervorzugehen, und die britischen Konservativen versuchen angestrengt, ihr mit antieuropäischer Rhetorik Wähler abspenstig zu machen.
Premierminister David Cameron trommelt kräftig gegen Brüssel - am liebsten, wenn es um Nebenschauplätze geht. Das versprochene Konzept, wie das Verhältnis Großbritanniens zu Europa neu gestaltet werden soll, ist er bislang schuldig geblieben. Cameron liefert lieber schrille Töne. Ein Beispiel dafür ist die Kampagne gegen bulgarische und rumänische Arbeitssuchende, denen unterstellt wird, einfach nur in das Sozialsystem einwandern zu wollen. Angst vor Fremden zu mobilisieren kostet nichts und funktioniert immer. Selbst Chuka Umunna von der Labour Party, der Vince Cable gerne als Wirtschaftsminister ablösen würde, sprach sich für eine Einschränkung der Freizügigkeit in Europa aus.
Auch die Angst davor, Opfer eines Verbrechens zu werden, lässt sich mit wenig Aufwand für den Wahlkampf nutzen. "Einsperren und den Schlüssel wegwerfen" gilt auf der Insel immer noch als Patentrezept für den Umgang mit Schwerkriminellen. Lebenslänglich bedeute das ganze Leben lang, betont Cameron. Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte sieht das anders. Cameron bringt dagegen 100-jährige Gefängnisstrafen ins Spiel, um die Vorgaben aus Straßburg zu umgehen. Dabei geht es um gerade einmal 52 Fälle. Egal, der Premier erscheint als Lichtgestalt.
Wer Europa als Schutzmacht der Sozialschmarotzer und Triebtäter erscheinen lässt, muss sich nicht wundern, wenn er den so wachgerufenen Geist nach der Wahl nicht wieder zurück in die Flasche bekommt. Cameron sollte der Brief zu denken geben, in dem ihn 95 konservative Abgeordnete dazu auffordern, sich für ein Vetorecht des Parlaments gegen EU-Recht starkzumachen. Das ursprünglich nur ganz vage für 2017 in Aussicht gestellte Referendum über die EU-Mitgliedschaft wird sich nicht mehr umgehen lassen. Vielleicht muss es vorgezogen werden. Durchaus möglich, dass sich eine Mehrheit gegen Brüssel findet. Das dürfte manchem in der City schlaflose Nächte bereiten, denn der Finanzplatz London ist auf Europa angewiesen.
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