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Gefühlte Gerechtigkeit, Kommentar zur Erbschaftssteuer von Stephan Lorz

Frankfurt (ots)

Steuergerechtigkeit ist zwar ein erstrebenswertes Ziel. Das wird angesichts der Komplexität unserer Gesellschaft aber wohl nie erreicht. Für die Politik kommt es in der Steuerpolitik - neben praktischen Erwägungen - daher immer auch auf die "gefühlte Gerechtigkeit" an. Letztlich müssen die Bürger unterschiedliche Steuerbelastungen hinnehmen. Wie schon in früheren Fällen hat das Bundesverfassungsgericht bei seinem jüngsten Urteil zur Erbschaftsteuer hier wieder einmal für die notwendige argumentative Klarheit gesorgt und zugleich ethische Kategorien für die Steuerpolitik formuliert, die in ihrer Eingängigkeit auch eine breitere Öffentlichkeit überzeugen können.

Zuallererst - und das sollten die immer noch jammernden, das Ende des Mittelstands an die Wand malenden Unternehmenslobbyisten einmal zur Kenntnis nehmen - haben die Richter die notwendige Privilegierung von Unternehmen bei der Erbschaftsbesteuerung unter Hinweis auf die Sicherung der Arbeitsplätze explizit anerkannt und dem Gesetzgeber dabei einen großen Entscheidungsspielraum gelassen. Zugleich werden für die Sonderstellung der Unternehmenserben aber höhere Anforderungen als bisher gestellt. Das soll etwa dafür sorgen, dass der steuerliche Missbrauch gestoppt wird, durch den auch hohe Privatvermögen in den Genuss der Privilegierung gekommen sind, was in der Öffentlichkeit vielfach für Missmut gesorgt hat.

Es war den Bürgern zudem nicht mehr vermittelbar, dass für Unternehmen unter 20 Arbeitsplätzen nicht die gleichen Anforderungen (Arbeitsplatz- und Lohnsummenerhalt) für die Steuerfreiheit gelten wie für Betriebe mit mehr Jobs. Und warum die Hochfinanz sich auch vor dem Fiskus drücken konnte, obwohl sie bei einer Besteuerung weder in Existenz- noch Liquiditätsnöte geraten würde, erschloss sich ebenfalls nicht. Die nun geforderte Bedürfnisprüfung ist daher überfällig.

In einem Sondervotum weisen zwei Verfassungsrichter zudem richtigerweise darauf hin, dass im Urteil grundsätzliche Erwägungen mitschwingen: Die Erbschaftsteuer muss auch verhindern, dass Reichtum durch die Generationenfolge in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund der Herkunft unverhältnismäßig anwächst. Wie jüngste Studien internationaler Organisationen und von Ratingagenturen zeigen, ist dieses Anliegen ökonomisch durchaus gut zu begründen: Denn wächst die Ungleichheit über ein bestimmtes Maß, schwinden der Zusammenhalt einer Gesellschaft und das Wirtschaftswachstum.

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