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Bunte Republik Deutschland
Leitartikel von Hajo Schumacher

Berlin (ots)

Eine der ewigen Weisheiten dieser Republik lautet: Frisches kommt aus den Ländern, erfolgreiche Kanzler meistens auch. Dass weder die Kanzlerin noch ihr erster Vize je ein Bundesland regiert haben, mag die Berliner Knirsch-Koalition mit erklären. Das Fohlen Rösler immerhin hat im Talentschuppen Hannover geübt. Den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein an diesem und in NRW am nächsten Sonntag kommt Signalfunktion für die Bundestagswahl zu, die ja nach einem Jahr Dauerwahlkampf auch schon ansteht. Werden in Kiel oder Düsseldorf neue Stars geboren? Eher geht die Kramp-Karrenbauerisierung weiter. Ob Steinbrück-Schüler Albig oder der Cord-Konservative de Jager, die Riege unspektakulärer Landesfürsten wird wachsen, kaum hat man sich an Kraft, Sellering und Kretschmann gewöhnt. Spannend wird es trotzdem: sechs Parteien im Angebot, knappe Mehrheiten - das motiviert den zur Trägheit neigenden Kunden hoffentlich mal wieder. Noch vor einem Jahr, als Fukushima war, schienen die Verhältnisse von sonnenblumenklarer Langeweile. Mit den Grünen als dritter Volkspartei bei gleichzeitiger Schwindsucht von Linken und Liberalen schien das gute alte Drei-Parteien-System wiederhergestellt: rot-grün, schwarz-rot oder gar schwarz-grün, das waren die Optionen. Doch die Piraten zerstörten die Übersichtlichkeit. Mit dem Aufkommen der digitalen Zotteligkeit erholte sich auf wundersame Weise die FDP, gerade so, als ob die Westerwelle-Enttäuschten den Schmollwinkel verlassen, weil sie endlich wieder ein Feindbild haben. Zugleich zerstörten die Piraten die für den Bund 2013 fast sicher geglaubte rot-grüne Koalition. Mit den jungen Unangepassten plündert sich eine vierte quasisozialdemokratische Partei durch die Wählerschaft. Koalitionskünstler Wowereit umschmeichelt die Neuen schon mal; den Dreibund Rot-Grün-Totenkopf sollte man nirgendwo ausschließen. In Nordrhein-Westfalen liegt die Ampel wohl näher. Denn in Düsseldorf steht jetzt schon fest: Die CDU wird derbe verlieren. Es bleibt ein ewiges Geheimnis, wie der politische Reisefön Norbert Röttgen jemals Attribute wie "smart", "klug" oder "kanzlerabel" auf sich vereinen konnte. Mit seiner durchsichtigen Kuschelpolitik kommt er am Original Kraft nicht vorbei, seine grüne Lyrik glaubt ihm keiner, die wirtschaftspolitisch interessierten Wähler im Kraftkern der Republik treibt er stracks zu FDP-Lindner, der die fünf Prozent eben deswegen wohl schaffen wird. Bundesumweltminister Norbert Röttgen - in der eigenen Partei höchst unbeliebt, weil egoman - repräsentiert Macht-Marketing mit Opportunitätshaube, was derzeit überhaupt nicht gefragt ist. Ob in Staatskanzlei, Ministerium oder Präsidialamt, allenthalben verlieren die Diven. Nun dominiert das Modell Olaf Scholz, quälend formalistische Fleißpolitiker, deren Interviews für alle Beteiligten Höchststrafe bedeuten. Langeweile muss beim Regieren jedoch nichts Schlimmes sein, wie auch die Franzosen offenbar gelernt haben. Lieber ein solider Haushalt als eine mittelmäßige Show.

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