Christine Richter über den Bundesinnenminister und seine Personalentscheidungen
Berlin (ots)
Der Bundesinnenminister hat entschieden: Am Montag entließ Hans-Peter Friedrich (CSU) den Chef der Bundespolizei und dessen zwei Stellvertreter. Schon die dritte überaus wichtige Personalentscheidung von Friedrich, nachdem zuvor der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz - nicht ganz freiwillig - zurückgetreten war und der Präsident des Bundeskriminalamts - der gerne länger geblieben wäre - nur noch bis zum Jahresende weitermachen darf. Doch was für Friedrich und seine Getreuen aussehen mag wie ein energisches Durchgreifen, geht zulasten der Sicherheit in Deutschland. So stehen alle wichtigen Sicherheitsbehörden innerhalb von wenigen Wochen ohne Chefs da, bei der Bundespolizei wird sogar die ganze Spitze an einem Tag abgelöst. Und dies in einer Zeit, in der das Vertrauen in die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz sowieso erschüttert ist. Bei der Aufklärung der Taten des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds haben ja nicht nur die Verfassungsschützer Fehler gemacht, sondern auch die Ermittlungsbehörden wie die Landespolizeien und das BKA. Immer wieder hat Friedrich, angesprochen auf die jetzt notwendigen Reformschritte beim Verfassungsschutz, erklärt, er wolle die Ergebnisse einer von ihm eingesetzten Kommmission und die der Untersuchungsausschüsse abwarten. Warum jetzt dennoch schon die Köpfe rollen, das bleibt sein Geheimnis. Friedrich, der das Amt des Bundesinnenministers im März 2011 nur ungern übernahm, hat inhaltlich seitdem noch keine Zeichen gesetzt. Die Vorschläge für eine neue Sicherheitsarchitektur in Deutschland - mit beispielsweise einer Zusammenführung von BKA und Bundespolizei - lehnte der CSU-Mann sofort ab, ohne eigene Ideen vorzulegen. Mit der Entlassung des gesamten Spitzenpersonals mag er zwar nun ihm vertraute Beamte installieren, die inhaltliche Arbeit ersetzt das jedoch nicht. Schlimmer noch: Die würdelose Entlassung von Seeger und seinen Stellvertretern, die am Wochenende aus den Medien davon erfahren mussten, verstärkt die Vertrauenskrise in der Bundespolizei mit ihren rund 40.000 Beschäftigten noch. So geht ein Dienstherr nicht mit seinen Beamten um. Und wie wenig souverän ist es, den Chef der Bundespolizei ohne Angaben von Gründen in den Ruhestand zu versetzen. Sicherlich kann man über Seeger geteilter Meinung sein. Auch er hatte sich vehement gegen eine Fusion von BKA und Bundespolizei gewehrt. Aber er hat ein Recht darauf zu erfahren, warum er gehen musste. So viel Mumm hätte Friedrich besitzen müssen. Der Verdacht, dass der Innenminister all die Spitzenbeamten entlässt, um von möglichen Fehlern des Bundesinnenministeriums, das ja für die obersten deutschen Sicherheitsbehörden zuständig ist, abzulenken, bleibt bestehen. Und es reicht nicht aus, Personal auszutauschen. Bundespolizei, BKA und Verfassungsschutz müssen inhaltlich neu aufgestellt, die Zusammenarbeit und Ausbildung verbessert werden. Dazu sollte Friedrich schnell etwas einfallen.
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