2. Etappe Pflegeinitiative: Keine zentralistischen Vorgaben ohne klare Finanzierung
Bern (ots)
H+ Die Spitäler der Schweiz lehnt den vom Bundesrat vorgeschlagenen Entwurf zur Umsetzung der 2. Etappe der Pflegeinitiative in seiner jetzigen Form entschieden ab. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind unausgereift und systemfremd. Sie schwächen die bewährte Sozialpartnerschaft und führen zu erheblichen Mehrkosten, ohne dass die Finanzierung geklärt ist. Statt neuen zentralistischen Vorgaben brauchen die Spitäler eine Stärkung der unternehmerischen Freiheit durch kostendeckende Tarife. Dann können die Spitäler und Kliniken in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern dem Fachpersonal attraktive Arbeitsbedingungen bieten und die Versorgungsqualität sichern.
H+ anerkennt den Zweck der bundesrätlichen Vorlage, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und die Verweildauer im Pflegeberuf zu erhöhen. Allerdings greift der Entwurf zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Pflegebereich (BGAP) in vielerlei Hinsicht in die Grundrechte sowie auch in die Grundlagen bereits bestehender gesetzlicher Regelungen (Arbeitsgesetz) ein. Neue Bestimmungen zu Höchst- und Normalarbeitszeiten, sowie dem Ausgleich von Überstunden und kurzfristigen, ungeplanten Einsätzen stellen nicht verhältnismässige Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Spitäler dar, welche die bisher gut funktionierende Sozialpartnerschaft untergraben. Diese Vorgaben führen zudem zu massiven Mehrkosten, ohne dass die Finanzierung auch nur ansatzweise geregelt wird. "Wir fordern den Bundesrat deshalb auf, die Vorlage grundlegend zu überarbeiten", so H+ Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer. "Dabei muss er die bewährte Sozialpartnerschaft sowie die finanzielle Tragbarkeit für die Spitäler und Kliniken viel stärker berücksichtigen."
Sozialpartnerschaft auf Augenhöhe statt zentralistischer Vorgaben
H+ erinnert daran, dass die Grundlage des liberalen Schweizer Arbeitsmarktes die Sozialpartnerschaft ist, die sich als jahrzehntelange Erfolgsgeschichte bewährt hat. Die Spitäler und Kliniken haben als Arbeitgeber selbst ein grosses Interesse daran, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, und setzen dies individuell und an die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst um. Einheitliche Vorgaben auf Bundesebene sind systemfremd, nicht zielführend und zu starr. Die Einführung von Regelungen für eine spezifische Berufsgruppe, die über das bestehende Arbeitsgesetz hinausgehen, führt zudem zu einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Mitarbeitenden in den Institutionen, etwa Physiotherapeutinnen und -therapeuten oder medizinisch-technischem Fachpersonal. Die vorgesehene Reduktion der Normal- und Höchstarbeitszeiten bei gleichbleibendem Arbeitsaufwand führt auch nicht zur gewünschten Entlastung des Pflegepersonals. Im Gegenteil: Der Druck auf die Pflegenden steigt, da die gleiche Arbeit in weniger Zeit erledigt werden muss. "Statt solchen zentralistischen und bürokratischen Vorgaben muss der unternehmerische Spielraum der Spitäler und Kliniken gestärkt werden", machte Anne-Geneviève Bütikofer klar.
Mehrkosten in Milliardenhöhe drohen
Der vorliegende Entwurf des BGAP wird für die Leistungserbringer Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr allein für die Kompensation kurzfristiger, ungeplanter Einsätze des Pflegepersonals generieren. Hinzu kämen Mehrkosten von bis zu 1,4 Milliarden Franken pro Jahr, falls der Bundesrat die Wochenarbeitszeit für Pflegepersonen auf bis zu 38 Stunden verkürzt. Die Erwartung des Bundesrates, dass die Leistungserbringer ihre finanziellen Ressourcen umverteilen, um diese Mehrkosten selbst zu decken, ist schlichtweg illusorisch. Bereits heute können die allermeisten Spitäler und Kliniken keine schwarzen Zahlen schreiben, da die bestehenden Tarife die realen Kosten nicht decken: Im ambulanten Bereich beträgt die Unterfinanzierung rund 30 Prozent, im stationären Bereich rund 10 Prozent. Zahlreichen Spitälern drohen rote Zahlen oder laufend neue Rettungsaktionen durch die Kantone. Eine zusätzliche Belastung wäre für viele Spitäler kaum tragbar und würde den Druck auf das Personal weiter erhöhen. Damit würde die Gesundheitsversorgung ernsthaft gefährdet.
Finanzierung muss geklärt sein
Für die Spitäler und Kliniken ist klar: Der Bundesrat muss die Finanzierung dieser Mehrkosten klären. Konkret müssen Bund und Kantone ein Finanzierungsmodell erarbeiten, das garantiert, dass die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ohne Mehrbelastung für die Leistungserbringer umgesetzt werden können. Die durch das neue Gesetz entstehenden Mehrkosten müssen in allen betroffenen Versorgungsbereichen durch eine entsprechende Erhöhung der geltenden Tarife und Beiträge gedeckt werden. "Damit ein Leistungs- und Qualitätsabbau verhindert werden kann, müssen Politik und Krankenversicherer den Spitälern und Kliniken sachgerechte Tarife bieten", betont Anne-Geneviève Bütikofer. "Statt neuer, nicht finanzierter Aufgaben und administrativer Vorgaben benötigen die Spitäler eine gesicherte finanzielle Perspektive, um ausreichend Fachpersonal auszubilden und diesem attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten."
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