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Forum der Caritas in Bern: Sind wir eine Gesellschaft von Einsamen?

Luzern (ots)

Immer mehr Menschen fühlen sich einsam in einer
Gesellschaft, in der es nicht an Kommunikationsmitteln fehlt.
Biografische Brüche und Veränderungen in der Arbeitswelt sind häufige
Einsamkeitsfallen. Am Forum der Caritas Schweiz vom 14. Januar
zeigten Fachleute die Zusammenhänge zwischen Einsamkeit und den
wirtschaftlichen und politischen Strukturen auf. An der Veranstaltung
in Bern nahmen 260 Personen teil.
"Der Charakter der Einsamkeit hat sich verändert," erläuterte
Elisa Streuli, Dozentin an der Hochschule für Pädagogik und Soziale
Arbeit beider Basel. "War früher das Einsamkeitsrisiko ein Ausdruck
von unabänderlichen Gegebenheiten, von Abhängigkeiten und rigiden
sozialen Kontrollen, so ist es heute ein Ausdruck der
Orientierungslosigkeit und des persönlichen Scheiterns an der so
genannten Freiheit." Die Jagd nach den vielfältigen Optionen, so
Streuli, lasse scheinbar kaum mehr Zeit für Sozialkontakte, für Musse
und Anteilnahme am Leben anderer.
Destruktiver Wettlauf
Der deutsche Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Horst-Eberhard
Richter stellte in seinen Ausführungen fest, dass die Tendenz in den
vergangenen Jahren mehr vom "Ich" zum "Wir" gehe. "Es sieht also so
aus, dass die Menschen in dem narzistischen Rückzug auf das Ich nicht
genügend Schutz gegen den Druck der ökonomischen Bedrohungen gefunden
haben. Auch die wachsende Gefährdung der Arbeitsplätze, die
notwendigen Verzichte zur Erhaltung der Betriebe, zur Sicherung der
Renten und zur Gesundheitsversorgung spielen eine entscheidende
Rolle. Er kritisierte den "destruktiven Wettlauf um die Vorherrschaft
der Wirtschaft, in der Rüstung, in der Eroberung des Weltraums, in
der Eroberung von Patenten in der Pharmakochemie und in der
Gentechnik."
Die Isolation in der Arbeitswelt war das Hauptthema des Genfer
Nationalrats und Vizepräsidenten der Grünen, Ueli Leuenberger. "Heute
haben viele Angestellte das Gefühl, nichts als eine Nummer zu sein.
Dazu gibt es verschiedene Erklärungen: die Anonymität der
Entscheidungsträger und Besitzer von Firmen, der Mangel an
gemeinsamen Projekten und die Angst vor der Zukunft."
Martin Kronauer, Professor für Gesellschaftswissenschaft an der
Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, zeigte in seinem Referat auf,
dass etwa Langzeitarbeitslose im persönlichen Umfeld häufig mit
anderen Arbeitslosen zusammenträfen, während beruflich stabil
Verankerte in erster Linie mit Menschen in ähnlich stabiler Lage zu
tun hätten. "Die problematischen Folgen dessen liegen auf der Hand.
Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Beschäftigungssystem werden
demnach durch soziale Beziehungen der Tendenz nach weniger
ausgeglichen als vielmehr reproduziert, wenn nicht gar in einer
Negativspirale verstärkt."
Auch Pierre Weiss, der Leiter des Bereichs Dokumentation und
Kommunikation beim Verband der westschweizer Unternehmen in Genf (FER
Genève) bezog sich auf die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Seiner
Meinung nach sind neue Arbeitsformen wie zum Beispiel die Telearbeit
zwar nicht ohne Risiko bezüglich Einsamkeit, sie böten aber auch neue
Chancen. Entscheidend sei, ob die Arbeitsform freiwillig gewählt oder
verordnet sei.

Kontakt:

Livia Leykauf
Leiterin Abteilung Information
Caritas Schweiz
Tel. +41/(0)79/037'02'63

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