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Touring Club Schweiz/Suisse/Svizzero - TCS

Jahresmedienkonferenz TCS Betzholz: Ansprache von Jean Meyer, Zentralpräsident

Betzholz (ots)

(Es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrte Damen und Herren
Dass wir Sie dieses Jahr nicht nach Zürich sondern nach Betzholz
bei Uster eingeladen haben, hat eine besondere Bewandtnis. Gleich
anschliessend an die Jahresmedienkonferenz findet der Spatenstich zum
Bau des zweiten Verkehrssicherheitszentrums des TCS statt: Eine 19, 5
Mio. Investition für die Verkehrssicherheit!!!
In diesem Zusammenhang ist es für uns unverständlich, warum in der
Debatte des Nationalrates vom 21. Juni soviel Neid und Missgunst
gegenüber unserem Engagement auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit -
ich denke an die Verkehrsinformationen und die Zweiphasenausbildung -
aufblitzte. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass von
privater Seite geleistete Anstrengungen bewusst kritisiert werden,
damit staatliche Instutionen die Früchte unserer Arbeit ernten
können. Was Staatsmonopole bewirken können, wenn sie in falsche Hände
geraten, brauche ich an dieser Stelle nicht weiter auszuführen.
Das vergangene Jahr hat von unserem Club Einiges abverlangt. Die
Entwicklung der Strategie einerseits und die damit verbundenen,
notwendigen organisatorischen Veränderungen andererseits haben für
Unruhe gesorgt. Die neuen Strukturen sind nun gefunden. Persönlich
bin ich überzeugt, dass wir mit unserem neuen Generaldirektor Josef
Andres und der neuen Geschäftsleitung die operative Führungscrew
gefunden haben, die in der Lage ist, bei den Mitarbeitern, bei
unseren Mitgliedern Vertrauen und Stabilität zu bringen.
Seit 105 Jahren erbringt der TCS Dienstleistungen für seine
Mitglieder, die unterwegs sind. Mobilität ist kein Nischenprodukt in
unserer Epoche, die durch das Reisen und den Austausch von Gütern
geprägt ist. Daran ändern selbst die neuen Möglichkeiten der
Kommunikation nichts.
So hat die Mobilität einen grösseren Stellenwert denn je. Die
grossen gesellschaftlichen Trends haben auch in der Mobilität
kraftvoll durchgeschlagen. Begriffe wie Multioptionsgesellschaft,
Individualisierung sind längst keine theoretischen Konstruktionen
mehr. Weshalb soll die Vielfalt der Möglichkeiten aus einem immer
grösseren Angebot frei zu wählen, nur im Supermarkt, in der Kultur,
in den Kleidervorschriften, ja auch im Zusammenleben von
Lebenspartnern, nicht aber in der Mobilität gelten? So ist es kein
Wunder, dass Volksinitiativen Schiffbruch erlitten haben, deren
zentrale Zielsetzung darin bestand, in die Wahlfreiheit etwa durch
die Halbierung des motorisierten Privatverkehrs einzugreifen oder
diesen mit schikanösen Tempolimiten zu drosseln.
Und es ist ebenso wenig ein Wunder, dass  Fragen der Mobilität,
wie die freie Wahl des Verkehrsmittels, die Bedürfnise der
Verkehrsteilnehmer und der  grenzüberschreitende Güterverkehr an
oberster Stelle der verkehrspolitischen Traktandenliste stehen.
Zur Zeit sorgen Themen wie Stau, Verlagerung des Güterverkehrs auf
die Schiene, zweite Gotthardstrassentunnelröhre, AVANTI-Initiative
sowie die von der Arbeitsgruppe Agglomerationsverkehr vorgebrachten
Vorschläge zum Agglomerationsverkehr für Schlagzeilen.
Für den TCS sind leistungsfähige Infrastrukturen für Strasse und
Schiene von zentraler Bedeutung. Immer mehr Kantone verlagern soviel
Verkehr wie möglich auf das Hochleistungsstrassennetz. Diese
Strategie hat grosse Vorteile: Sie entlastet erstens Städte und
Dörfer vom Verkehr und zweitens verläuft der Verkehr auf den
Hochleistungsstrassen sicherer.
Sie hat aber auch Konsequenzen: So werden die Leistungsgrenzen
unserer Nationalstrassen viel rascher erreicht als geplant.
Eine entscheidende Entlastung ist nicht zu erwarten, weder von den
neuen Technologien wie der Verkehrstelematik, noch vom Ausbau und der
Modernisierung des Schienennetzes.
Agglomerationsverkehr
Der Ursprung der vom TCS mitinitiierten Arbeitsgruppe
Agglomerationsverkehr liegt in einem der grösseren
verkehrspolitischen Streitpunkte der letzten Jahre, der
Finöv-Vorlage.
Der TCS hat damals eine Gesamtfinanzierung für den öffentlichen
Verkehr unter Einbezug des Agglomerationsverkehrs verlangt. Der Bund
wollte dies partout nicht haben. Unsere Haltung wurde damals in
vielen Kreisen schlecht verstanden. Dass wir nun kurz nach dieser
Abstimmung, die Probleme des Agglomerationsverkehrs endlich ernsthaft
angehen müssen, zeigt  wie berechtigt der Einwand war.
Was wurde von der Expertengruppe konkret vorgeschlagen:
1. Der Bund soll zur Lösung der Verkehrsprobleme in den
Agglomerationen finanziell beitragen.
2. Dieser Beitrag soll für Projekte des privaten und öffentlichen
Verkehrs gehen.
3. Dazu soll eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen
werden.
4. Es braucht dazu entsprechende finanzielle Mittel. Einerseits
sollen die Mittel aus Bahn 2000 2. Etappe prioritär für
Verbesserungen in den Agglomerationen eingesetzt werden.
5. Zusätzlich wird vorgeschlagen, dass der Bund für den
Agglomerationsverkehr einen Mineralölsteuerzuschlag von 5 Rappen pro
Liter verlangt.
An diesem letzten Vorschlag hat sich eine grössere Diskussion
entzündet. Um alle Missverständnisse, die in der Öffentlichkeit
möglicherweise aufgetreten sind zu beseitigen, lege ich hier unsere
Position nochmals dar.
1. Innerhalb des TCS war man schon vor Jahrzehnten klar der
Auffassung, dass sich der Bund beim Agglomerationsverkehr engagieren
sollte.
2. Wir haben immer auch die Auffassung vertreten, dass ein
stärkeres
Engagement auf der heutigen Verfassungsgrundlage zwar möglich wäre,
aber für ein ausgedehnteres Engagement eine klare
Verfassungsgrundlage notwendig ist.
3. Ein solches Engagement muss immer den privaten und den
öffentlichen Verkehr miteinschliessen.
4. Es war ebenfalls klar, dass die im Rahmen der Finöv
vorgesehenen Mittel für Bahn 2000 2. Etappe auch im Hinblick auf den
Agglomerationsverkehr zu verwenden sind.
5. Wenn zusätzliche Mittel verlangt werden, dann muss die Frage
der Rückstellungen für das Strassenwesen des Bundes in der
Grössenordnung von bald 3,5 Milliarden gelöst werden. Der Bericht
weist auf dieses Problem hin. Der TCS hat klar gefordert, dass diese
Mittel endlich ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden. Aufgrund der
Erfahrungen der Vergangenheit wird dies ohne einen echten Fonds
analog dem Finöv-Fonds kaum machbar sein.
Die Vorschläge der Arbeitsgruppe zielen erstens auf die
Bewältigung der zukünftigen Probleme durch Effizienzverbesserung.
Zweitens zielen sie auf die Reduktion der nachteiligen Auswirkungen
des Verkehrs. Dies kann und darf Verbesserungen im Strassensystem
nicht ausschliessen. Und diese sind auch nicht zwingend nur punktuell
vorzunehmen, sondern sollten, wenn immer möglich in ein Gesamtkonzept
eingebaut sein. Die Strategie Hochleistungsstrassennetz des Kantons
Zürich zeigt dies geradezu exemplarisch auf.
Die politisch brisante Frage der Finanzierung des
Agglomerationsverkehrs werden wir  definitiv erst beantworten können,
wenn das ganze Paket auf dem Tisch liegt. Unsere Unterstützung werden
und können wir nicht zu jedem Preis abgeben.
Staus auf der Transitstrecke
Die aktuelle Entwicklung des Gütertransitverkehrs entspricht den
seit langem bekannten Prognosen. Dass aber die notwendigen Massnahmen
nicht ebenfalls von langer Hand geplant wurden, ist für uns
unverständlich. Unsere Nationalstrassen als Lastwagenparkplatz eine
Horrorvision, die in den letzten Monaten immer öfter zur Realität
wurde.
Kurzfristig wirksame Massnahmen gibt es nicht viele. Aber gar
nichts tun und auf die Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf
die Schiene hoffen, wie dies von einigen Vertretern des Bundes auch
schon öffentlich verkündet wurde, ist auch keine Lösung. Zusammen mit
anderen Vertretern der Wirtschaft und des Transportgewerbes haben wir
beim Verkehrsminister interveniert, denn die Staus auf der A2 sind
nicht nur ein Problem des Schwerverkehrs. Wegen der Verzögerungen in
der Auslieferung der Güter und in der Versorgung unseres Landes
verursachen sie der Wirtschaft Schäden. Der Ferienreiseverkehr wird
zum Stocken gebracht, und mit parkierten Lastwagen auf der Autobahn
wird die Gefahr von schweren Unfällen in Kauf genommen.
Der TCS hat sich vehement gegen eine Verkehrspolitik
ausgesprochen, die Lastwagen als Mahnmal benutzen will, und die in
Anlehnung an die marxistische Verelendungstheorie mit einer
Verkehrspolitik der Verelendung liebäugelt.
Wir haben nicht nur protestiert. Wir haben auch Lösungen
vorgeschlagen und dazu vier Forderungen deponiert:
1. Oertlich auf die A2 und zeitlich bis zur Bereitstellung von
Vorsortierräumen begrenzte Lockerung des Nachtfahrverbots zur
Behebung von Krisensituationen, im Hinblick auf den
Ferienreiseverkehr;
2. Unbürokratische Schaffung von Triageräumen (Trennung von
zollfreiem und zu verzollendem Transitverkehr und Verkehr zur
Versorgung der Bevölkerung unseres Landes) im Tessin und im Raum
Basel;
3. Internationale Absprachen zur Erleichterung der Zollabfertigung
mit Deutschland und Italien;
4. Verbesserung im Bahnangebots (attraktives Preisangebot und
verbesserte Berücksichtung der Bedürfnisse des Güterverkehrs) und
eine rasche Lösung der Linienführung im Kanton Uri.
In der mittleren und längeren Frist, werden aber Anpassungen an
der Strasseninfrastruktur im Tessin und am Gotthard unumgänglich
sein. An dieser Tatsache ändert auch die NEAT nichts.
Avanti-Initiative
Immer stärker setzt sich in breiten Kreisen der Bevölkerung die
Erkenntnis durch, dass sich das unvollendete und an zentralen
Stellen überlastete Nationalstrassennetz zur Achillesferse der
schweizerischen Verkehrsinfrastruktur entwickelt. Dieser Entwicklung
will der TCS zusammen mit den anderen Strassenverkehrsorganisationen
und dem Schweizerischen Gewerbeverband mit der im vergangenen
November gemeinsam eingereichten Avanti-Initiative entgegentreten.
Unser Hauptanliegen besteht in der Verbesserung  der
Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastrukturen von Strasse und
Schiene. Im Zusammenhang mit unserer Avanti-Initiative wurde seitens
des Bundes der Öffentlichkeit sugeriert, die wahren Probleme liegen
in den Agglomerationen und die Avanti-Initiative hätte dies verkannt
und  würde unter anderem  mit der Forderung nach einer weiteren
Strassentunnelröhre am Gotthard völlig falsche Prioritäten setzen.
Nun, wir haben bereits bei der Diskussion der
Schienengrossprojekte immer wieder darauf hingewiesen, dass der
Transitverkehr ein wichtiges und zu lösendes Problem ist. Aber bei
weitem natürlich nicht das Einzige. Man hat uns damals ausgelacht und
gar als Lügner hingestellt. Die heutige Entwicklung entspricht aber
voll und ganz unseren damaligen Prognosen.
Angesichts der zunehmenden Staus auf dem Nationalstrassennetz 
gelangt  die Avanti-Initiative immer öfters in die Schlagzeilen. Man
kann es kleinreden wie man will, die Stauentwicklung auf unserem
Nationalstrassennetz folgt den vom Bundesamt für Strassen bereits vor
zwei Jahren gemachten Prognosen. Die Staus wegen Verkehrsüberlastung
haben im vergangenen Jahr um 26% zugenommen.
Weil unser Verkehrsminister am Gotthard partout keine zweite
Tunnelröhre will, wird dieses Problem verniedlicht. Man spricht von
„nur" 750 Staustunden wegen Verkehrsüberlastung. 750 Staustunden
meine Damen und Herren sind insgesamt 30 Tage lang während 24 Stunden
Staus. Die Konfliktanalyse zum Gotthardstrassentunnel der ETH Zürich
rechnet in den kommenden Jahren gar mit bis zu 3000 Stausstunden pro
Jahr am Gotthard. Das heisst konkret, dass am Gotthard während vier
Monaten pro Jahr Stau herrscht. Wenn das kein Problem mehr sein soll?
Wir lassen aber die Avanti-Initiative auch nicht einfach auf die
Übergangsbestimmungen reduzieren.
Kernpunkt der Volksinitiatitve „Avanti - für sichere und
leistungsfähige Autobahnen"  ist der Hauptartikel. Dieser erteilt dem
Bundesrat den Auftrag, mit Blick auf ein funktionstüchtiges
Gesamtsystem vorausschauend und verantwortungsbewusst zu handeln.
Gerne rufe ich die zentrale neue Verfassungsbestimmung von
„Avanti" dem Bund nochmals in Erinnerung: „Er (der Bund) setzt sich
für die angemessene Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastrukturen
ein. Er fördert im Rahmen seiner Zuständigkeiten den Ausbau und den
baulichen Unterhalt der Infrastrukturen für den Strassen- und
Eisenbahnverkehr und trägt zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe
bei."
Leider behaupten verschiedenste Kreise, dass durch die
Avanti-Initiative andere Engpässe, als die in den
Übergangsbestimmungen erwähnten, nicht abgedeckt seien. Solche
Schutzbehauptungen sind weder ehrlich noch weiterführend. Sie
generieren höchstens Abwehrreflexe der angeblich nicht bedachten
Regionen. Die allgemeine Formulierung der Avanti-Initiative gibt dem
Bund den klaren Auftrag zur Beseitigung der Kapazitätsengpässe auf
dem gesamten Netz beizutragen, sei dies nun am Gubrist, um
Winterthur, Basel, Luzern oder Lugano. Selbstverständlich ist die
Avanti-Initiative kein verkehrspolitisches Allheilmittel. Sie will
ganz einfach die heutige verkehrspolitische Haltung der
Bundesbehörden verändern, die sich vehement gegen jede
Kapazitätsanpassung im Nationalstrassennetz stemmen.
Schluss
Ein Ende der Entwicklung der Mobilität von Gütern und Personen ist
nicht in Sicht. Allein der Prozess der europäischen Integration, der
zunehmend auch die osteuropäischen Staaten erfasst oder der 
wachsende Wohlstand und die Freizeitmöglichkeiten bringen neue
Verkehrsströme bei den Gütern und mehr Freizeitmobilität bei den
Personen.
Angesichts dieser Entwicklung sind leistungsfähige Verkehrswege
von zentraler volkswirtschaftlicher und damit auch politischer
Bedeutung. Dies gilt auch für die Schweiz, deren Volkswirtschaft auf
eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur angewiesen ist.
Dauerstaus sind weder ökologisch, noch wirtschaftlich geschweige
denn sozial nachhaltig. Deshalb kann an Staus niemand ernsthaft ein
Interesse haben.

Kontakt:

Stephan Müller, Mediensprecher TCS, Tel. +41 79 302 16 36.
[ 017 ]

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