Liberalisierung des Service public: ja - aber nur wenn sie mehr Wahlfreiheit bei sicherer Versorgung bringt!
Zürich (ots)
Das Konsumentenforum kf führte am 21.03.2002 in Bern ein Gesprächsforum zum Thema Service public - Motor oder Rotor?" durch. Prominente Vertreter der Bundesratsparteien, economie suisse, BFE und der Stromindustrie diskutierten miteinander über das Wie und das Wieviel der Liberalisierung im Service public.
Dr. Rudolf Ramsauer, Vorsitzender der Geschäftsleitung von economie suisse, führte in seinem Referat aus, dass für die Schweizer Wirtschaft gut funktionierende Infra-Strukturen zu einem möglichst kostengünstigen Preisen im europäischen Wettbewerb überlebenswichtig seien. Die grösste Gefahr sieht er für die Schweiz im Moment darin, dass technologische Neuerungen verschlafen werden. Aus Sicht von economie suisse müssen die Dienstleistungen des Service public vom besten Leistungserbringer am effizientesten erbracht werden. In Bezug auf die Liberalisierung des Strommarkts haben aus Sicht von Ramsauer die Bürgerinnen und Bürger die Wahl, ob die Liberalisierung geordnet oder wild vor sich gehen soll und nicht, ob überhaupt liberalisiert wird oder nicht.
Martin Renggli vom Bundesamt für Energie stellte in seinem Vortrag fest, dass es bei der Liberalisierung des Strommarktes in erster Linie darum gehe, dass nicht nur die Grosskunden von der zum Teil schon vorhandenen Liberalisierung profitieren, sondern auch die KonsumentInnen. Auch werde die grössere Transparenz zu einer Angleichung der heute in der Schweiz sehr unterschiedlichen Strompreisen führen. Aus seiner Sicht ermöglicht das neue Elektrizitäts-marktgesetz eine geordnete Liberalisierung mit einer Produktivitätssteigerung und mit Effizienzgewinn und eine Unterstützung der wiedererneuerbaren Energie in der Schweiz.
In einer aktuelle Umfrage des Konsumenteforums kf bei Kantonspolitikern in 4 Kantonen wurde als grösste Chancen der Liberalisieurng des Service public die Wahlfreiheit, gefolgt von Preissenkungen genannt. Die grössten Gefahren sahen die KantonspolitikerInnen darin, dass die technische Infrastruktur nicht mehr optimal gewartet werden könnte. Eine besonders skeptische Haltung zeigten sie gegenüber der Liberalisierung des Bildungswesens. Insbesondere die Volksschule muss aus ihrer Sicht weiterhin vom Staat betrieben werden.
Urs Hoffmann, Präsident der Arbeitsgruppe Service public der SP Schweiz, betonte in der nachfolgenden Diskussion dass es für die SP zentral sei, dass alle Angebote der Grundversorgung flächendeckend angeboten würden. Die SP stehe einer Liberalisierung in gewissen Gebieten positiv gegenüber, allerdings wolle sie die Frage, ob in einem Bereich des Service public eine Liberalisierung zu unterstützen sei oder ob der Staat die Leistung besser selbst erbringe, in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen. In der Frage der Strommarktliberalisierung sei die SP nicht einheitlicher Meinung und werde dazu intern in Diskussionen ihre Position noch festlegen.
Für Philipp Stähelin, Präsident CVP Schweiz, ist ein gut funktionierender Service public ein wichtiger Bestandteil, um den Zusammenhalt der verschiedenen Regionen der Schweiz zu garantieren. Aus seiner Sicht sind bei Liberalisierungsschritten staatliche Regelungen für die Versorgungssicherheit und das flächendeckende Angebot der Dienstleistungen notwendig. Dass aber der Staat die Leistung selber erbringt, ist aus seiner Sicht nicht notwendig.
Für Ueli Maurer, Präsident SVP Schweiz, ist es klar, dass für den Stimmbürger die Liberalisierung nur gut ist, wenn sie ihm etwas bringt. Dabei sei es für die KonsumentInnen nicht wichtig, wer die Leistungen erbringe, sondern nur, dass sie erbracht werden. Aus Sicht der SVP ist der Wettbewerb grundsätzlich etwas Positives, im Bereich des Service public ist deshalb überall dort Wettbewerb zu fördern, wo er möglich ist. Der Staat muss dabei eine gewisse Kontrolle erhalten, um bei Fehlentwicklungen oder neuen Monopolbildungen eingreifen zu können.
Für Gerold Bührer, Präsident FDP Schweiz, geht es bei der Liberalisierung im Service pubic um eine Marktöffnung, bei der mehrere Anbieter nebeneinander Leistungen anbieten und so durch den bestehenden Wettbewerb die Qualität und das Verhältnis Qualität - Preis optimiert werden. Allerdings ist aus seiner Sicht ganz klar, dass auch in einem liberalisierten Markt in den Bereichen des Service public die Politiker die Spielregeln bestimmen und die Verantwortung für Lösungen übernehmen müssen, die für alle einen gut funktionierenden Service public zu vernünftigen Preisen garantieren.
Dr. Martin Pfisterer, Geschäftsleitung BKW AG, betont, dass die Liberalisierung des Strommarktes einen geordneten Wettbewerb der Branche ermöglicht, der allen Beteiligten dient. Das neue Gesetz und die Verordnung ermöglichen aus seiner Sicht Preissenkungen, neue Angebote durch den Wettbewerb, und auch die Qualität der Stromversorgung kann erhalten bleiben. Durch die Bestimmungen für die Investitionen in die Netze könnte so auch eine Situation vermieden werden, in der in einzelne kleinere Netze nicht mehr genügend investiert wird und dann - wie im Gebiet der ehemaligen DDR - auf einmal neu aufgebaut werden muss.
Für die KonsumentInnen bringe die Liberalisierung der Märkte die Wahlfreiheit, erläuterte Katharina Hasler, Präsidentin des Konsumentenforums kf, und im Beispiel der Telekommunikation auch eindeutig tiefere Preise. Dass dabei die Angebote des Service public für alle zugänglich sein müssten, sei eine klare Forderung des Konsumentenforums kf. Die Situation im Bereich der Telekommunikation zeige aber auch, dass die Liberalisierung an die KonsumentInnen immer grössere Ansprüche stelle und die Rolle der Konsumentenorganisationen als Vermittlerinnen von Informationen, Tipps und Anleitungen durch die vielfältigen Angebote des liberalisierten Marktes immer wichtiger werde. Nicht zuletzt sei es auch wichtig, den Leuten Wissen über den vernünftigen Umgang mit all unseren Ressourcen zu vermitteln, denn nicht gebrauchte Energie sei immer noch die billigste Energie und belaste die Umwelt am wenigsten.
Das Konsumentenforum kf wird in der Diskussion über die Strommarktliberalisierung die KonsumentInnen auch weiterhin fundiert informieren. Aus seiner Sicht bringt die neue Wahlfreiheit und die Transparenz, die das neue EMG mit sich bringt, für die KonsumentInnen klar Vorteile.
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