Bundespräsident Moritz Leuenberger
Radio- und Fernsehansprache des Bundespräsidenten zum 1. August
Bern (ots)
Ansprache von Bundespräsident Moritz Leuenberger zum Nationalfeiertag vor dem Kultur und Kongresszentrum in Luzern
Liebe Schweizerinnen und Schweizer im In- und Ausland, Liebe Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz
Wir feiern heute den 1. August, den Nationalfeiertag der Schweiz. Wir rufen uns mit diesem Tag unsere Heimat in Erinnerung.
Was ist Heimat?
Für die einen ist dies eine Erinnerung an die Geborgenheit der Kindheit, für andere ist es der Ort, wo sie wohnen, die Familie, der Kreis der Freunde. Heimat ist wahrscheinlich für jeden Menschen in der Schweiz etwas anderes, und selten ist sie absolut gleichbedeutend mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Das macht nichts. Wichtig ist, dass jede und jeder hier eine Heimat haben kann.
Auch solche, die Minderheiten sind.
Auch wer kritisch ist, liebt die Schweiz, auch er ist ein Patriot. Ein Anrecht, dieses Land zu lieben, hat niemand exklusiv für sich gepachtet. Nicht diejenigen, welche die Schweiz bewahren wollen, wie sie war, und nicht diejenigen, welche sie verändern und öffnen wollen.
Ich erhalte täglich Dutzende von Briefen, in denen mir Menschen ihre Wünsche zu Strassen, zu Bahnen, Luftverkehr oder Poststellen vorlegen. Sie möchten mehr Leistungen, bessere Bedienung, mehr Ruhe, andere Linienführungen etc etc. Viele dieser Wünsche kann ich gut verstehen. Aber ich finde doch: Es muss uns um mehr als einen perfekt organisierten Staat gehen:
Es geht eben auch darum, dass alle, die in diesem Land leben, sich wohl fühlen dürfen - eben eine Heimat haben können. Dazu gehört die Art, wie wir miteinander umgehen.
Damit meine ich zwei Dinge:
- Erstens die Art, wie wir politische Auseinandersetzungen führen. Es gibt zu allem mindestens zwei Meinungen. Das ist auch gut so. Aber es geht nicht an, dass politische Gegner mit Hohn und Spott übergossen werden, es geht nicht an, dass mit Verzerrungen und Unwahrheiten gekämpft wird. Eine würdige Demokratie verlangt, dass wir zur Sache streiten und bei der Wahrheit bleiben und einander nicht verunglimpfen.
- Zweitens: Wenn wir zusammen etwas erreichen wollen, braucht es alle. Das Kultur und Kongresszentrum Luzern ist ein Beispiel. Hier haben Stadt, Kanton und Private zusammen mit einem französischen Architekten Grossartiges geleistet. Das KKL steht mitten in der traditionellen Schweiz. Es ist weltberühmt geworden: die ganze Welt kommt hierher. Das KKL zeigt, dass die Schweiz auch ein Teil der Welt ist.
Wir wollen ja nicht nur, dass es uns gut geht. Eine solche Rechnung würde niemals aufgehen. Jede Auseinandersetzung irgendwo in der Welt hat auch Auswirkungen auf unser Land. Der Balkankrieg hat uns das gezeigt. Es ist unsere Aufgabe, Verantwortung für den Frieden, gegen Hunger und Elend in der ganzen Welt wahrzunehmen. In unserem eigenen Interesse - aber nicht nur. Denn es geht darum, dass alle auf der Welt eine Heimat haben können.
Bei meinen verschiedenen Auslandbesuchen konnte ich feststellen, welch grosses Ansehen unsere Demokratie, unsere humanitäre Tradition und unsere Neutralität geniessen.
Wir müssen diese Werte weiter pflegen.
Das erlaubt uns, auf unsere Heimat stolz zu sein.
Es gilt das gesprochene Wort!