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Eidg. Justiz und Polizei Departement (EJPD)

Hintergrundinformation Haltung BR Metzler zum Mindestzinssatz BVG

Bern (ots)

Als Aufsichtsbehörde über die Lebensversicherer, die
massgeblich im Geschäft der beruflichen Vorsorge tätig sind, hatten
wir unsererseits dem Bundesrat dieses Anliegen unterbreiten wollen.
Aufgrund des Aussprachepapiers des EDI haben wir darauf verzichtet
und bringen unsere Haltung nunmehr im Mitberichtsverfahren ein.
Eine Lagebeurteilung und Entscheide betreffend Mindestzinssatz in
der beruflichen Vorsorge hat einerseits die Realitäten auf der
Finanzierungsseite (Rendite des verwalteten Kapitalstocks) zu
berücksichtigen. Die Verschlechterung des Geschäftsumfeldes im
Nachgang zu den Ereignissen im September 2001 sowie der starke
Rückgang der Aktienbörsen seit Mitte Mai in diesem Jahr hat das
Pensionskassengeschäft unter den gegebenen gesetzlichen Parametern
auf absehbare Zeit verlustbringend werden lassen. Die Renditen der
neben den Aktien noch bedeutenderen (Bundes-) Obligationen liegen im
Wesentlichen schon seit 1997 unter dem gesetzlichen Mindestzinssatz.
Andererseits hat eine Anpassung des Mindestzinssatzes - neben
administrativen Kosten - bedeutende Konsequenzen auf der
Leistungsseite (Höhe der Altersguthaben beim Beitragsprimat, bzw. die
zu tragende Deckungslücke beim Leistungsprimat). Letztlich sollen die
für Geschäfte auf den Finanzmärkten wichtigen Ziele der Kontinuität
und Vorhersehbarkeit der Regulierung auch in der Festlegung der
Vorschriften der Vorsorgeeinrichtungen nicht aus den Augen verloren
werden.
Die unterschiedlichen Voraussetzungen zwischen Versicherern und
Vorsorgestiftungen werden oft nicht richtig wahrgenommen. Private
Lebensversicherer sind unentbehrlich für die Durchführung der
beruflichen Vorsorge. Ohne sie fände vermutlich die Mehrheit der
kleineren Unternehmungen keine Versicherungsdeckung in der zweiten
Säule. Zwischen Lebensversicherern und autonomen oder halbautonomen
Vorsorgestiftungen bestehen aber grundlegend unterschiedliche
Betriebsvoraussetzungen:
Private Versicherer stehen - im Gegensatz zu Vorsorgestiftungen -
auch bei Versicherungen der beruflichen Vorsorge in einem
Konkurrenzverhältnis zueinander. Der Wettbewerb findet teilweise über
die Überschussbeteiligung statt und entzieht dem Versicherer Mittel
für die Bildung von Reserven und zusätzlichen Rückstellungen. Weiter
besteht das Eigenkapital des Privatversicherers nicht nur aus
zurückbehaltenem Gewinn wie bei Vorsorgestiftungen, sondern muss von
Anfang an ein volleinbezahltes Aktienkapital - in der Regel
mindestens 10 Mio. Franken - aufweisen. Schliesslich unterliegen
börsenkotierte Versicherungsgruppen - im Unterschied zu
Vorsorgestiftungen - dem Urteil von Ratingagenturen. Ein
Hauptkriterium für gutes Rating ist die ausreichende
Eigenkapitalausstattung. Ein ungenügendes Rating verunmöglicht
praktisch die Aufnahme von neuem Aktienkapital oder hybridem
Eigenkapital (nachrangige Darlehen) und schreckt neue grosse
Versicherungskunden ab. Aus diesen Gründen reagieren private
Lebensversicherer schneller und empfindlicher auf einen angespannten
Kapitalmarkt.
Unsere Bemerkungen sind vor diesem Hintergrund zu verstehen:
Wir halten es für problematisch, dass der Mindestzinssatz immer
erst dann überprüft wird, nachdem eine vorgegebene Bandbreite längere
Zeit unter- oder überschritten wird. Bei der vorgeschlagenen
Bandbreite von 0.75 Prozent wäre ohne weiteres denkbar, dass die
effektive Rendite während Jahren unter beispielsweise 4 Prozent aber
immer noch innerhalb der Toleranzgrenze liegt.  Angesichts der
Milliardenbeträge, um die es geht, können sich auf diese Weise hohe
Verluste aufkumulieren. Die Beobachtungszeit muss einsetzen, sobald
der Mindestzinssatz auf dem Kapitalmarkt nicht mehr erreicht werden
kann. Handlungsbedarf ist unseres Erachtens z.B. gegeben, wenn die
effektive Rendite während 2 Jahren vorwiegend unter dem aktuellen
Mindestzinssatz bleibt.
Einleitend weisen wir auf die Entstehungsgeschichte des
Mindestzinssatzes hin. So sind im Kommentar des Sommers 1983
(Konsultationsverfahren zum Entwurf der Verordnung 2 über die
berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge) unter
anderem folgende Bemerkungen festgehalten:
  • Massgebend für die Festsetzung der Höhe sollen die Anlagemöglichkeiten, d.h. die konkreten Verhältnisse auf dem Geld- und Kapitalmarkt, sein.
  • Der Satz sollte eine gewisse Kontinuität aufweisen (Anpassung alle 2 bis 3 Jahre). Es soll aber auf abrupte Marktänderungen reagiert und damit auf einen starren Anpassungsrhythmus verzichtet werden können.
  • Der Mindestzinssatz soll ausserdem den sich entgegenwirkenden Aspekten Rechnung tragen: Sicherheitsüberlegung (Rahmen: Anlagevorschriften) und Renditeüberlegung.
  • Der Rendite kommt nicht zuletzt für die Substanzerhaltung der geäufneten Mittel im Ausgleich zur Inflation eine zentrale Bedeutung zu.
Wie oben dargestellt, sehen die Rahmenbedingungen heute, im Jahre
2002, 17 Jahre nach Inkrafttreten der 4%-Regelung, tatsächlich
erheblich anders aus. Der Bundesrat hat bisher darauf verzichtet -
trotz zum Teil erheblichen Schwankungen nach oben und nach unten -
den Mindestzinssatz anzupassen, wie dies das Gesetz eigentlich
vorsieht bzw. wie die gesetzliche Regelung an sich ursprünglich
gedacht war.
Der IWF hat im Rahmen des FSAP (Financial Sector Assessment
Program), welches die Schweiz kürzlich durchlaufen hat, empfohlen,
den Mindestzinssatz zu reduzieren und eine Flexibilisierung
anzustreben.
Sofern eine Senkung der vorgegebenen BVG-Leistungen oder eine
Prämienanpassung an die neuen Verhältnisse nicht möglich sind,
verbleibt den Lebensversicherern mit akuten Problemen im Bereich der
obligatorischen beruflichen Vorsorge keine andere Möglichkeit, als
auf Neuabschlüsse zu verzichten oder sehr selektiv neue Verträge
abzuschliessen und  bestehende Kollektiv- bzw. Anschlussverträge an
Sammelstiftungen allenfalls auf den nächst möglichen
Kündigungszeitpunkt aufzulösen. Vorsorgewerke mit gekündigten
Verträgen haben heute kaum eine Chance, sich bei anderen Versicherern
oder Vorsorgeeinrichtungen anzuschliessen, geschweige selbst eine
Vorsorgeeinrichtung aufzuziehen. Als einzige Möglichkeit bliebe noch
der Anschluss an die Auffangeinrichtung BVG (Art. 60 ff BVG). Sollte
die Zahl der Gesuchsteller dort stark anwachsen, wird die
Auffangeinrichtung selbst Probleme bekommen: Die Auffangeinrichtung
deckt sämtliche Risiken (auch Kapitalanlagerisiken) bei einem
Versicherungspool ab, der durch die Lebensversicherer getragen wird.
Falls sich die Risikobelastung zur Auffangeinrichtung hin verschiebt,
werden die Lebensversicherer ihre Beteiligung am Pool auf den
nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen.
Ein solches Vorgehen würde den Ruf der schweizerischen
Versicherungswirtschaft national und international schwer
beeinträchtigen und die Institution der zweiten Säule in den
Grundfesten erschüttern (mehr als die Hälfte der BVG-Versicherten ist
bei Sammelstiftungen der Lebensversicherer angeschlossen).
Vor diesem Hintergrund ist über das weitere Vorgehen zu beraten.
Unseres Erachtens ist eine Senkung des Mindestzinssatzes auf 3
Prozent ab 1.9.2002 notwendig, damit wirklich eine Entlastung
eintritt.
In der Europäischen Union wird der technische Zinsfuss der
Lebensversicherungen aufgrund der langfristigen durchschnittlichen
Rendite von Staatsanleihen ermittelt. Von dieser Rendite werden 60%
veranschlagt. Wird für die Schweiz von der Bundesobligation
ausgegangen, deren durchschnittliche langfristige Rendite bei rund
3,5% liegt (sie liegt zur Zeit bei 3,47 %). Gemäss Usanz der EU käme
man somit auf einen technischen Zinssatz weit unter 3%.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass falls in Zukunft etwas
flexibler als bisher auf Änderungen der Kapitalmarktverhältnisse
reagiert wird (Anpassungen auch nach oben), eine vorübergehende
Absenkung des Mindestzinses im Verhältnis zur ganzen Dauer des
Sparprozesses real und unter Berücksichtigung der langfristigen
Inflations-entwicklung zu keiner Beeinträchtigung des Sparzieles zu
führen braucht. Dagegen würde aber generell die finanzielle
Stabilität der Vorsorgeträger erhöht. Es ist finanziell gut
gestellten Vorsorgeeinrichtungen und Lebensversicherungen überdies
auch nicht untersagt, Altersguthaben weiterhin zu 4 Prozent oder mehr
zu verzinsen.
Wir möchten abschliessend auf den Punkt der Kommunikation
hinweisen:
Der Bereich der beruflichen Vorsorge basiert auf dem Vertrauen und
Glauben aller Beteiligten in dieses System. In Anbetracht des hohen
Stellenwerts der beruflichen Vorsorge für die Schweiz erscheint eine
proaktive transparente Kommunikation unabdingbar. Eine
Mindestzinssatzsenkung ist politisch brisant. Eine unter den
betroffenen Departementen (EDI und EJPD) abgesprochene Kommunikation
hat zum Ziel, Unsicherheiten in diesem politisch heiklen Bereich
abzubauen. Die Kommunikationsstrategie soll die Anliegen des
Bundesrates, nämlich die Erhaltung der Kaufkraft der Vorsorgegelder
sowie die Systemsicherung in den Vordergrund stellen.

Kontakt:

Infodienst EJPD
Tel. +41/31/322'18'18

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