Eidg. Finanz Departement (EFD)
EFD: Neuregelung der Akteneinsicht betreffend Südafrika zur Apartheid-Zeit
Bern (ots)
17. Apr 2003 (EFD) Der Zugang zu Südafrika-Akten im Bundesarchiv, welche die Apartheid-Zeit betreffen und Namen von Unternehmen enthalten, wird vorübergehend unterbunden. Zu diesem Schritt sah sich der Bundesrat an seiner gestrigen Sitzung gezwungen: Angesichts der in den USA eingereichten Sammelklagen gegen in- und ausländische Firmen, welche während der Apartheid-Zeit geschäftliche Beziehungen zu Südafrika unterhielten, würde nämlich die bisher praktizierte freie Akteneinsicht die Gefahr bergen, die Stellung der eingeklagten Schweizer Firmen gegenüber mitbetroffenen ausländischen Firmen im Rahmen der Sammelklagen zu verschlechtern. Gleichzeitig hat der Bundesrat das EDA beauftragt, die Akteneinsichtspraxis im Ausland genauer abzuklären. Zudem werden Möglichkeiten geprüft, wie auf der Basis dieses Entscheids das laufende Nationale Forschungsprogramm zu den Beziehungen Schweiz - Südafrika möglichst ungehindert abgeschlossen werden kann. Im Lichte dieser Abklärungen wird der Bundesrat überprüfen, ob eine Rückkehr zu einer liberaleren Einsichtspraxis möglich ist.
Im Mai 2000 hat der Bundesrat den Nationalfonds beauftragt, die Beziehungen Schweiz - Südafrika zu untersuchen (NFP 42+, siehe Kasten) und gleichzeitig die aktenabliefernden Stellen der Bundesverwaltung aufgefordert, einen liberalen Zugang zu Akten im Bundesarchiv zu gewährleisten. In der Folge wurde verschiedenen NFP- Forschern wie auch vereinzelten anderen Gesuchstellern (Studenten, Journalisten) Einsicht in die Aktenbestände gewährt.
In der Zwischenzeit sind in den USA Sammelklagen nach US-Recht gegen verschiedene Firmen mit Geschäftsbeziehungen zu Südafrika eingereicht worden. Betroffen sind auch Schweizer Firmen. Damit haben sich die Rahmenbedingungen für einen möglichst liberalen Zugang zu den Südafrika-Akten geändert. Obwohl der Bundesrat nach wie vor eine liberale Einsichtspraxis unterstützt, lässt er nun den Zugang zu den Akten für Forscher und andere Interessierte vorübergehend nicht mehr zu.
Kein Land ausser der Schweiz leistet eine dem NFP42+ vergleichbare historische Aufarbeitung. Der dazu erforderliche freie Zugang zu den Akten würde nun aber die Parteistellung der eingeklagten Schweizer Unternehmen gegenüber anderen Beklagten einseitig verschlechtern. Insbesondere bestünde das Risiko, dass Schweizer Unternehmen (wegen dem in der Schweiz viel leichteren Zugang zu Datenmaterial) aus dem Kontext isoliert und in verzerrtem Ausmass belastet würden. In der Güterabwägung zwischen der möglichst breiten Abstützung von Forschungsergebnissen einerseits und gleich langen Spiessen in internationalen Rechtsverfahren anderseits hat sich der Bundesrat für den Schutz der Rechtsgleichheit von schweizerischen und ausländischen Verfahrensparteien entschieden.
NFP 42+: Beziehungen Schweiz - Südafrika
Der Bundesrat hat am 3. Mai 2000 beschlossen, das NFP 42 "Grundlagen und Möglichkeiten der schweizerischen Aussenpolitik" mit einem zusätzlichen Modul "Beziehungen: Schweiz-Südafrika" (NFP 42+) zu ergänzen. Das Ziel des Programms besteht darin, mit einer kleinen Anzahl eng koordinierter Forschungsprojekte wissenschaftliche Grundlagen für eine Beurteilung der schweizerischen Südafrikapolitik zu erarbeiten, wobei wirtschaftliche, rechtliche, politologische und historische Fragestellungen berücksichtigt werden. Die Forschungsarbeiten zum NFP 42+ haben im Herbst 2001 begonnen und werden gestaffelt bis spätestens Dezember 2003 abgeschlossen.
Rechtlich besteht kein Anspruch auf freien Zugang zu den Akten im Bundesarchiv: Vielmehr sieht das Archivierungsgesetz ausdrücklich eine Schutzfrist für Akten vor, die jünger als 30 Jahre sind. Der Zugang zu solchen Akten innerhalb der Schutzfrist ist nur möglich, wenn die aktenabliefernde Stelle dies ausdrücklich bewilligt. Weitere rechtliche Schranken sind das Amts- und Bankgeheimnis. Auch der Entwurf zum Öffentlichkeitsgesetz sieht vor, dass kein Zugang zu amtlichen Dokumenten besteht, die als Geschäftsgeheimnisse zu betrachten sind. Der Zugang zu Dokumenten, die laufende Verfahren betreffen, kann im Übrigen unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschoben oder verweigert werden. Der Bundesrat will den Zugang ausdrücklich nur befristet einschränken und periodisch überprüfen, ob die Rahmenbedingungen wieder eine breitere Öffnung der Archive ermöglichen.
Die getroffene Lösung schafft sofort klare Rahmenbedingungen, trägt der Besonderheit eines komplexen internationalen Rechtsverfahrens Rechnung und kann gelockert werden, sobald die Umstände es erlauben. Zudem werden Optionen geprüft, wie das laufende NFP 42+ möglichst ungehindert abgeschlossen werden kann.
Auskunft: Marianne Widmer, Eidg. Finanzverwaltung, Tel.: 031 322 54 31
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