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Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD)

EVD: Zurück zum Wachstumpfad Ansprache von Herrn Bundesrat Joseph Deiss, Vorsteher des EVD, anlässlich der Delegiertenversammlung der CVP Schweiz Regensdorf, den 11. Januar 2003

(ots)

Sperrfrist 11.01.2003/13:30

Es gilt das gesprochene Wort !
Herr Präsident, 
Sehr geehrte Frau Bundesrätin, 
Liebe CVP-Freunde,
CVP und Wirtschaftspolitik
Es ist Zeit, die Schweiz auf den Wachstumspfad zurückzuführen. Das 
ist für mich und für die CVP die wirtschaftspolitische Priorität.
Dazu braucht unsere Wirtschaft vor allem bessere Rahmenbedingungen, 
die Wiederherstellung des Vertrauens und den Erhalt der 
internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Schaffung von 
Wertschöpfung sichert und kreiert Arbeitsplätze. Dies sind die 
dringendsten Aufgaben der Wirtschaftspolitik. Und ganz besonders 
wichtig ist mir, dass wir eine Wirtschaftspolitik betreiben, die 
allen Bewohnern unseres Landes zu Gute kommt und die langfristig 
ausgerichtet ist.
Heute tagen wir im Kanton Zürich, der Finanzmetropole der Schweiz, 
um ein Wirtschaftspapier zu verabschieden. Dass wir uns hier 
versammeln ist deshalb kein Zufall.
Sowenig Zufall ist es, dass ein Vertreter unserer Partei nach 20 
Jahren das Volkswirtschaftsdepartement von einem FDP-Bundesrat 
übernimmt. Das bedeutet konkret mehr Einfluss, aber auch mehr 
Verantwortung.
Damit meine ich, dass die CVP zur Wirtschaftspolitik etwas zu sagen 
hat, und dass sie sich Gehör verschaffen will. Das freut mich. Damit 
meine ich aber auch, dass ich in meiner neuen Aufgabe ganz besonders 
auf die Unterstützung meiner Partei zähle.
1.	Zurück zum Wachstumspfad
Unser Wohlstandsniveau gehört weltweit immer noch zu den höchsten. 
Im Vergleich zu den allermeisten Ländern geht es uns sehr gut.
Im vergangenen Jahrzehnt haben wir aber das Wachstum verschlafen. Im 
OECD-Vergleich belegen wir diesbezüglich den Schlussrang. « Qui 
n’avance pas recule », heisst es so schön. In der Tat : Das 
Pro-Kopf-Einkommen stagniert, die Produktivität macht kaum 
Fortschritte und das alles bei einem extrem hohen Preisniveau.
Es geht mir nicht um Statistik und Klassierung. Was die Leute wollen 
sind Arbeitsplätze, mit einem Einkommen, für das man etwas erhält. 
Was die Leute beschäftigt ist Sicherheit in der Zukunft, damit die 
soziale, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährt ist.
Was die Leute brauchen, sind gesunde Betriebe. Betriebe, welche die 
Innovation vorantreiben, Wohlstand generieren, ihre soziale 
Verantwortung wahrnehmen und hochwertige Arbeitsplätze schaffen. Da 
ist das Bekenntnis der CVP zu einem griffigen wirtschaftspolitischen 
Programm willkommen.
Gefragt ist eine langfristig wirksame Strukturpolitik, nicht 
kurzfristiger konjunktureller Aktivismus. Gefragt ist auch mehr 
Wettbewerb, finanzpolitische Disziplin, ein starkes Engagement in 
der Bildung und Forschung und die Förderung der Innovationsfähigkeit 
unserer Wirtschaft.
Natürlich sagen das auch die anderen. Trotzdem sind unsere 
Vorschläge keine Plattitüden, wie böse Zungen das behaupten. Denn, 
davon bin ich überzeugt, wir werden es nicht nur sagen, wir werden 
es auch tun.
In der Politik wirtschaftliche Kompetenz zu beweisen heisst nicht, 
sich als Interessenvertreter durch Protektionismus und Abschottung 
profitable Marktanteile zu sichern. Wirtschaftliche Kohärenz 
erreicht man auch nicht, indem man allen ein bisschen gibt. 
Politische Macht darf nicht dazu missbraucht werden, um 
wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, genauso wenig wie 
wirtschaftliche Macht nicht dazu missbraucht werden soll, um 
politische Vorteile zu sichern.
Noch weniger bedeutet wirtschaftspolitische Kompetenz das Verteilen 
von Millionen von Pamphleten an alle Haushalte.
Die seltsame Broschüre, die Herr Blocher jüngst in Millionen 
Exemplaren für viel Geld verteilte, enthält so viele Fehler und 
Verzerrungen, dass ich mich frage, ob sie wirklich von einem 
Unternehmer und nicht eher von einem Medizinhistoriker geschrieben 
wurde.
Nein, Parteien und Politiker sind dann glaubwürdig, kohärent und 
kompetent, wenn sie konstruktive Lösungen vorschlagen und diese dann 
auch umsetzen können.
In der Wirtschaftspolitk bedeutet dies letztlich, Lösungen 
vorzuschlagen, die primär darauf abzielen, den Wohlstand der 
Bewohner unseres Landes zu vergrössern. Punkt Schluss.
Ich werde in den kommenden Monaten die Grundlagen für diese 
Wachstums- und Strukturpolitik in einem Bericht verfeinern. Denn es 
ist nicht heute, nach elf Tagen im neuen Amt, dass ich mit fix 
fertigen Konzepten aufwarten werde. Das wäre kaum glaubwürdig. Was 
eine langfristig ausgerichtete Wirtschaftspolitik braucht, ist 
Kontinuität und Berechenbarkeit.
2.	Ethik und soziale Marktwirtschaft sind heute nötig
Als zweites gilt es, das Vertrauen in die Wirtschaft wieder 
herzustellen. Es geht dabei nicht nur um die Zuversicht, mit der die 
Zukunft angegangen wird. Es geht auch um das Vertrauen in unsere 
Betriebe und Unternehmen.
Angesichts der Übertreibungen, der mangelnden Fairness und 
Gerechtigkeit von einzelnen Managern hat auch der „Produktionsfaktor 
Ethik“ wieder an Bedeutung gewonnen. Die Bedeutung dieses Faktors 
wird in Zukunft noch zunehmen. Vertrauen ist das eigentliche 
Schmiermittel moderner und komplexer Wirtschaften.
Das opportunistische Verhalten in den Chefetagen schadet nicht nur 
den Unternehmen selbst, sondern auch dem Wirtschaftsstandort Schweiz 
ganz allgemein. Wer einen attraktiven Standort erhalten will, muss 
auch immer das ihm entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigen.
Wir haben in der jüngsten Vergangenheit gesehen, dass unsere 
Wirtschaft gegen unethisches Verhalten nicht immun ist. Dort wo 
moralische Grundsätze wiederholt und systematisch zum Schaden 
Dritter verletzt werden, ist die Politik aufgerufen, zu 
intervenieren.
Wenn gerade in der jetzigen schwierigen Phase zahlreiche Manager die 
elementarsten ethischen Grundsätze vernachlässigen, wird jede 
Bürgerin und jeder Bürger hellhörig. Dies umso mehr als gleichzeitig 
viele Bewohner unseres Landes um ihren Arbeitsplatz bangen müssen.
Für ein langfristiges Wirtschaftswachstum braucht es deshalb auch 
eine soziale und gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen. Es 
ist somit erfreulich, wenn man im Gegensatz zu früheren Zeiten von 
einigen Wirtschaftsführern hört, dass die Wirtschaft mit der Politik 
(wieder) reden will. Dieses Vertrauen kann nur gewonnen werden, 
dieser Dialog kann nur auf einem ethischen Fundament basieren.
Als Wirtschaftsminister werde ich nicht mit meiner Überzeugung 
zurückhalten, dass Ethik und soziale Verantwortung die 
Vertrauenswürdigkeit der Unternehmen nach innen und nach aussen 
bedingen. Und dass dieses Vertrauen im Zuge der internationalen 
Verflechtung und des Rationalisierungsdrucks ins Wanken geratene 
Fundament wieder hergestellt und gestärkt werden muss.
Hier ist mir namentlich auch die sozialpartnerschaftliche 
Zusammenarbeit sehr wichtig. Seit je her beruht diese Partnerschaft 
zuallererst auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dies ist eine 
zentrale Voraussetzung für unseren wirtschaftlichen Erfolg.
3.	Notwendige Konkurrenzfähigkeit
Wichtig ist auch, dass sich die Schweiz ihrer internationalen 
Abhängigkeit stärker bewusst wird. Nicht umsonst spricht das CVP- 
Papier auch die Exportchancen an.
International ist die Schweiz eine bedeutende Industrienation. Wir 
sind - wirtschaftlich gesehen - eine kleine Weltmacht. Wir 
erarbeiten weltweit eines der höchsten pro Kopf Einkommen und unsere 
Direktinvestitionen zählen zu den höchsten aller OECD-Länder. Die 
Kleinheit unseres Landes hat seit jeher zu einer hohen 
volkswirtschaftlichen Bedeutung der Aussenwirtschaft geführt.
Die Schweiz kann als Land ohne Rohstoffe im weltweiten Wettbewerb 
nur bestehen, wenn sie ihre wichtigsten Ressourcen - das Wissen, die 
unternehmerische Initiative und die Gestaltungskraft - zur 
Entfaltung bringen kann.
Entgegen den Träumen gewisser Kreise leben wir nicht (mehr) in einem 
Umfeld, wo man sich im Erfolg der Vergangenheit sonnen kann.
Die strukturellen Reformen, die Anfangs der 90er Jahre eingeleitet 
wurden, haben sich aus den verschiedensten Gründen verzögert. Diese 
Reformen - ich denke vor allem an eine greifende Bekämpfung von 
Kartellen und an einen funktionierenden Binnenmarkt - sind umso 
nötiger, als alle unsere Konkurrenten diese Prozesse schon hinter 
sich haben oder weit energischer angepackt haben als wir.
Die Schweiz kann international nur bestehen, wenn sie die 
Beziehungen zu ihren Partnern pflegt und ausbaut. Zu diesen 
Rahmenbedingungen gehören das Vertragswerk mit der EU als 
wichtigstem Partner, aber auch die zahlreichen Verhandlungen, die 
gegenwärtig mit Partnern aus der ganzen Welt geführt werden. So 
wünsche ich mir von der Wirtschaft und der Politik eine dezidiertere 
Unterstützung der bilateralen Verhandlungen, welche der Bundesrat 
gegenwärtig führt.
4.	Zum Wirtschaftspapier der CVP
Die Ansätze der CVP zur administrativen Entlastung der KMUs und zur 
besseren Berücksichtigung von ethischen Prinzipien sind wichtig.
Ich habe es bereits am Tage der Departementsverteilung gesagt: für 
mich ist die Förderung der KMUs ein wesentlicher Bestandteil der 
Wirtschaftspolitik. Noch vor den Sommerferien werde ich im Bereich 
der KMU-Politik meine Vorstellungen präsentieren.
Für mich bedeutet das aber nicht, dass wir die KMUs gegen andere 
Unternehmen fördern werden. Ich habe es eingangs gesagt: Als 
Volkswirtschaftsminister werde ich eine Wirtschaftspolitik 
betreiben, die allen zu Gute kommt.
Grundsätzlich sei hier aber festgehalten, dass die CVP durch ihre 
Treue zur sozialen Marktwirtschaft zu jener Wirtschaftsordnung 
steht, welche nicht nur zu unserem gelebten Alltag gehört, sondern 
die für unseren Wohlstand in der zweiten Hälfte des letzten 
Jahrhunderts verantwortlich ist und die unserem Sinn für ethische 
Grundwerte entspricht.
Ja, wir stehen ein für den Markt, für freies Unternehmertum, für das 
Privateigentum. Das sind die Fundamente des Fortschritts und des 
Wohlstands.
Aber wir wissen ebenso gut, dass der Markt nicht alles kann – denken 
Sie an die Kollektivgüter – und dass der Einzelne den Unwägbarkeiten 
des Lebens nicht immer gewachsen ist. Hier liegt der Sinn der 
Sozialpolitik oder der Regionalpolitik.
Die Kombination dieser beiden Dimensionen des Marktes und der 
sozialen Verantwortung machen unser System gleichzeitig effizient 
und menschlich. Das soll auch in Zukunft das Rezept unseres Erfolges 
sein.
5.	Politische Rahmenbedingungen
Die Vorschläge, die heute diskutiert werden, werden wir nur dann 
durchsetzen können, wenn wir drei Grundsätze anwenden:
Erstens, wenn wir eine Gesetzesinflation verhindern. Unsere 
Vorstösse dürfen nicht dazu führen, dass Kantone, Gemeinden und 
Unternehmen durch ganze Bibliotheken von Gesetzen und Vorschriften 
eingedeckt werden. Das unternehmerische Handeln darf nicht durch 
eine Regulierungswut erstickt werden.
Zweitens darf die Optimierung unserer Rahmenbedingungen nicht dazu 
führen, dass unsere Randregionen zu Indianerreservaten verkommen. 
Die ländlichen Gegenden unseres Landes dürfen nicht zu reinen 
Erholungsräumen für gestresste Stadtbewohner werden. Hier 
Stadtkultur- dort Nationalpark: das geht so nicht. Unsere 
Regionalpolitik muss so überdacht werden, dass Wertschöpfung und 
Innovationsfähigkeit auch in den peripheren Gebieten gefördert 
werden. Auch hier sind Arbeiten im Gang.
Drittens, und das ist ein rein politischer Grundsatz: wir müssen 
konsequent und überall das vertreten, was wir hier heute 
entscheiden. Wir wollen eine CVP-Wirtschaftspolitik, das bedingt 
eine Verantwortung auf allen Stufen: Kompetenz, Kohärenz, 
Konsequenz.
Schluss
Meine Damen und Herren,
Die CVP hat in der heutigen Konstellation die Chance, nicht nur 
Powerpoint-Konzepte an Versammlungen zu projizieren, sondern auch 
handfeste Rezepte anzuwenden.
Von uns behaupten wir nicht, wir seien DIE Wirtschaftspartei. Aber 
wir werden im Parlament taugliche Massnahmen einbringen. Und wir 
werden auf dem Feld handfeste Lösungen vorschlagen.
Sie können auf mich zählen. Und ich werde auf Sie zählen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

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