Caritas Schweiz / Caritas Suisse
Arme reiche Schweiz: 250 Fachleute aus Politik und Sozialbereich diskutieren am Caritas-Forum in Bern
Luzern (ots)
Jede zehnte Person ist von Armut betroffen. Ein grosser Teil der Betroffenen bleibt zeitlebens in der Armutsspirale gefangen - auch in der reichen Schweiz. Doch die soziale Vererbung von Armut kann man sehr wohl unterbrechen. Welche konkreten Strategien aus der Armut herausführen und wie die sozialpolitischen Weichen gestellt werden müssten, damit Armut in der Schweiz gar nicht erst entsteht, darüber diskutierten am heutigen Caritas-Forum in Bern 250 Personen aus Politik, Wirtschaft und dem Sozialbereich.
"Die günstigste Armutspolitik ist jene, welche Armut gar nicht erst entstehen lässt", konstatierte Fulvio Caccia, Präsident der Caritas Schweiz, zur Eröffnung des diesjährigen Caritas-Forum in Bern. An diese Feststellung knüpfte er denn auch die Forderung, ein nationales Rahmengesetz für die Sozialhilfe und Existenzsicherung zu schaffen. Denn die schweizerische Armutspolitik basiert immer noch auf dem Flickenteppich der föderalistisch organisierten Sozialämter und der kantonal unterschiedlichen Sozialhilfegesetze. Folgerichtig bleibt Armut in der Schweiz immer noch eine Interpretationssache. "Soll die Armut tatsächlich wirksam reduziert werden - die Caritas Schweiz fordert mit ihrer gerade lancierten Kampagne die Armut zu halbieren - muss sie aber zuerst erfasst und dokumentiert werden. Verlässliches Monitoring ist der erste Schritt, Armut wirksam zu bekämpfen."
"Armutspolitik ist Querschnittspolitik", stellte in seinem Referat Carlo Knöpfel klar, Leiter des Bereichs Inland und Netz bei Caritas Schweiz. Er wies darauf hin, dass Armutspolitik zu einem entscheidenden Teil eine Politik der Chancengerechtigkeit ist - ganz besonders in Familien- und Bildungskontext: "Wer Armut vermeiden will, muss in der frühen Phase der Kindheit Familien unterstützen und das Management der biografischen Übergänge sicherstellen."
Ludwig Gärtner, Vizedirektor des Bundesamtes für Sozialversicherungen, bekräftigte, dass Armutsbekämpfung ein zentrales Anliegen des Bundes ist. Rechtzeitig zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung der Armut und sozialer Ausgrenzung will der Bundesrat demnächst eine "Gesamtschweizerische Strategie" verabschieden. "Ziel dieser Strategie muss sein, die Gefährdung durch Armut zu reduzieren und Armutsbetroffene gesellschaftlich und wirtschaftlich so zu integrieren, dass sie ihren Lebensunterhalt selbständig bestreiten können." Spezielle Aufmerksamkeit bei der Ausgestaltung von konkreten Massnahmen gilt dabei laut Ludwig Gärtner der Wiedereingliederung der Betroffenen in den Arbeitsmarkt.
Denn die Arbeit ist nicht nur als Lebensunterhalt zentral, stellte Christoph Dunant fest, Genfer Sozialunternehmer und Dozent an der Fachhochschule HES de Génève. Gerade in der Schweiz ist sie die Grundlage für eine gelungene Integration in der Gesellschaft und damit eine wichtige Voraussetzung für die (psychische) Gesundheit und ein befriedigendes individuelles Leben. "Es gibt daher keine Möglichkeit, die Arbeit als Grundlage für die soziale Integration zu ersetzen", sagte Christoph Dunant und führte in seinem Referat aus, welchen Beitrag hierzu Sozialfirmen leisten.
Wieso Armutsbetroffene weniger gesund sind, führte Ilona Kickbusch aus, Dozentin und Beraterin von internationalen Organisationen in gesundheitspolitischen Fragen. Sie zeigte auf, wie Armutspolitik immer auch Gesundheitspolitik ist - und umgekehrt. Und sie kritisierte: "Unsere Gesellschaften gewährleisten den universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung, investieren aber nur ungenügend in jene Faktoren, die Gesundheit erst ermöglichen."
Schliesslich sprach Annemarie Sancar, Genderbeauftragte der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) über Armutspolitik als Politik der Gleichberechtigung. Dabei unterstrich sie nicht nur die Rolle der beruflichen Integration und Gleichstellung von Frauen für die Armutsbekämpfung, sie ging weiter und forderte neue Ansätze in der Politik, die weit gehend unbezahlte Care-Arbeit - die Sorge-, Betreuungs- und Pflegearbeit, die vorwiegend von Frauen geleistet wird - als wichtige Grundlage für die gesellschaftliche Entwicklung anzuerkennen.
Am anschliessenden Podium diskutierten die Referentinnen und Referenten mit der Basler Ständerätin Anita Fetz, dem Chef des Walliser Sozialamtes Simon Darioli sowie mit der Baslerin Avji Sirmoglu - die sich im Basler Projekt Planet 13 für Armutsbetroffene engagiert - über wirksame und praxisnahe Ansätze der Armutsbekämpfung.
Caritas Schweiz hat parallel zum Forum den Sozialalmanach 2010 dem Schwerpunkt "Armut verhindern" gewidmet. Der Almanach ist zu beziehen unter: www.caritas.ch
Kontakt:
Stefan Gribi
Leiter der Abteilung Information
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