Urteil im Fall Zyperns gegen die Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
Vaduz (ots)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg fällte am Donnerstag, 10. Mai, ein Urteil in einer Beschwerde Zyperns gegen die Türkei, in dem es um die Problematik des von der Türkei besetzten Nordens der Insel geht.
Dieses Urteil ist schon allein deshalb allgemein bedeutend, da dies der erste Fall seit Anfang der Siebziger Jahre ist, in dem ein Mitgliedsstaat einen anderen vor dem Gerichtshof verklagt hat. Für Liechtenstein ist das Urteil wichtig, da dieses Urteil einen Tag vor Beginn des sechs Monate dauernden Vorsitzes des Ministerkomitees erging. Das Komitee, das für die Umsetzung der Urteile verantwortlich ist, wird während des liechtensteinischen Vorsitzes darum bemüht sein, die Zypernfrage im Sinne des Urteiles einer Lösung beizuführen. Dies allerdings dürfte angesichts der schwierigen Problematik lange Zeit in Anspruch nehmen. Während des liechtensteinischen Vorsitzes sollten zumindest die ersten Schritte für eine Lösung unternommen werden.
Im Urteil wurde die Türkei wegen mehreren Menschenrechtsverstössen im von der Türkei besetzten Nordzypern verurteilt. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. Bezüglich der zahlreichen Zyprioten griechischer Volkszugehörigkeit, die seit den Ereignissen vom Sommer 1974 spurlos verschwunden sind, befand der Gerichtshof unter anderem, deren Recht auf Leben sei verletzt worden, da die Türkei keine genügenden Untersuchungen über deren Schicksal unternommen habe. Eine Verletzung des Verbots der unmenschlichen Behandlung wurde darin gesehen, dass die Verwandten der Verschwundenen seit dem Verschwinden dieser Personen unter psychischem Stress stehen, da sie bis heute nicht wissen, was mit den Verschwundenen geschehen ist bzw. ob sie überhaupt noch leben.
2. Bezüglich der 1974 aus dem türkisch besetzten Nordzypern geflohenen oder vertriebenen griechischen Zyprioten wurde unter anderem eine Verletzung des Rechts auf Eigentum festgestellt, da sie seither keinen Zugang zu ihrem Eigentum mehr haben und es auch nicht mehr gebrauchen können. Ihr Eigentum wurde ausserdem entschädigungslos enteignet. Eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben sah der Gerichtshof im Umstand, dass die Betroffenen nicht in den Norden der Insel heimkehren können.
3. Bezüglich der wenigen im türkisch besetzten Nordzypern verbliebenen griechischen Zyprioten in der Karpasregion stellte der Gerichtshof unter anderem eine Verletzung des Verbots der erniedrigenden Behandlung und des Rechts auf Privat- und Familienleben fest, da diese wenigen Personen in ihrem Alltagsleben diskriminiert und drangsaliert werden und in ständiger Unsicherheit leben. Ausserdem ist deren Religions- und Meinungsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkt.
4. Bezüglich der türkischstämmigen Zyprioten, die im Nordteil leben, stellte der Gerichtshof eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren fest, da in Norzypern Militärgerichte über Zivilpersonen richten.
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