pafl: WTO-Ministerkonferenz in Cancun/Mexiko
(ots)
Vaduz, 15. September (pafl) -
Liechtenstein war am Treffen der WTO- Mitgliedstaaten auf Ministerebene vom 10. bis 14. September 2003 im mexikanischen Cancun durch Regierungsrat Ernst Walch, Inhaber des Ressorts Äusseres, und Botschafter Norbert Frick, Ständiger Vertreter Liechtensteins bei der WTO in Genf, vertreten.
Im November 2001 wurde in Doha/Katar die Lancierung einer neuen Welthandelsrunde, d.h. eine neue multilaterale Liberalisierungsrunde, beschlossen. Die Verhandlungen sollen bis Anfang 2005 abgeschlossen sein. Der Zeitplan sah vor, dass am Ministertreffen in Cancun im September 2003 Zwischenbilanz gezogen und über die Aufnahme neuer Verhandlungsgebiete Beschluss gefasst wird.
Schwierige Ausgangslage für die Minister
Die im Frühjahr 2002 in Genf angelaufenen Verhandlungen sind in wichtigen Fragen nicht vom Fleck gekommen. Wesentlicher Stolperstein waren die Agrarverhandlungen. Während die grossen Agrarexporteure und viele Entwicklungsländer die Abschaffung der Zollschranken, internen Stützungen und Exportsubventionen verlangen, möchten die EU und viele Industriestaaten der Landwirtschaft weiterhin eine Existenzgrundlage bieten. Bei dieser Ausgangslage und angesichts der enormen wirtschaftlichen Auswirkungen jeder Entscheidung konnten im Agrarbereich in Genf keine eigentlichen Verhandlungsfortschritte erzielt werden. Als Folge davon verweigerten viele WTO-Mitglieder die anstehenden Verhandlungen in anderen Bereichen. Wesentliche politische Grundsatzbeschlüsse mussten deshalb an das Ministertreffen weiter gereicht werden. Weitgehend einig waren sich die WTO-Mitglieder nur darin, den Entwicklungsstaaten wo immer möglich entgegenzukommen um deren Integration in die Weltwirtschaft zu unterstützen.
Die liechtensteinische Position
Die liechtensteinische Verhandlungsposition und -strategie für die laufende Welthandelsrunde ist in Konsultationen mit allen betroffenen und interessierten Wirtschaftskreisen erarbeitet worden und deshalb breit abgestützt. Die liechtensteinischen Interessen, sowohl die defensiven als auch die offensiven, sind klar definiert. Am stärksten international verflochten und weltweit tätig sind die liechtensteinischen Industriebetriebe. Sie sind auf den möglichst diskriminierungsfreien Marktzugang angewiesen. Auch der Dienstleistungssektor ist in gewissen Bereichen an verbesserten Marktzutrittsmöglichkeiten und an mehr Rechtssicherheit interessiert. Im Landwirtschaftsbereich ist die Interessenslage Liechtensteins im WTO-Kontext eher defensiver Natur. Als kleines Land ist Liechtenstein aber an einem liberalen, stabilen Welthandelssystem mit verlässlichen Spielregeln und an dessen Weiterentwicklung interessiert. Liechtenstein hat deshalb die Lancierung einer neuen Welthandelsrunde begrüsst.
Liechtensteinisches Statement in der Generaldebatte
Darlegung der liechtensteinischen Position: In der einführenden Generaldebatte hat Regierungsrat Ernst Walch einer ambitiösen und umfassenden Welthandelsrunde das Wort gesprochen und in diesem Sinne auch die Aufnahme der vor allem von den Industriestaaten verlangten neuen Themen unterstützt. Auf Grund der liechtensteinischen Interessenslage hat er vor allem für einen weiteren und umfassenden Abbau der Zölle für Industriegüter und der weiteren Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen plädiert. Er hat darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Schritt in diesem traditionellen Kerngeschäft der WTO auch dem für die Entwicklungsländer wichtigen Süd-Süd-Handel wesentliche Impulse verleihen würde. Regierungsrat Ernst Walch bezeichnete die Integration der Entwicklungsländer in das Welthandelssystem und in die Weltwirtschaft im Allgemeinen als eine, wenn nicht als die wichtigste Aufgabe unserer Zeit. Er begrüsste deshalb ausdrücklich alle für die Entwicklungsländer, im Speziellen diejenigen für die am wenigsten entwickelten Länder, vorgesehenen Massnahmen und Sonderlösungen zur aktiven Unterstützung dieser Zielsetzung.
Plädoyer für unsere Landwirtschaft: Aktualitätshalber - der Handel mit Agrarprodukten ist im Laufe der Verhandlungen zum Kernproblem und zur Geissel für andere Verhandlungsbereiche geworden, und die Agrarexporteure verteidigten in Cancun ihre Extrempositionen - vertrat Regierungsrat Walch im Plenum die liechtensteinische Agrarpolitik. Der heute bereits minimale Agrarsektor müsse erhalten bleiben. Die Landwirtschaft habe in unserer Politik auch andere Aufgaben als die reine Nahrungsmittelproduktion. Der Multifunktionalität der Landwirtschaft müsse in der WTO gebührend Rechnung getragen werden, was bedeute, dass entsprechende Schutzmechanismen an der Grenze und die Abgeltung von mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit verbundenen Aufgaben und Auflagen WTO-kompatibel sein und bleiben müssen.
An der Seite des schweizerischen Bundesrates Josef Deiss, der Minister der anderen EFTA-Staaten und der Minister von Japan, Korea, Taiwan, Israel, Bulgarien und Mauritius - die sogenannte Gruppe der Zehn - vertrat Regierungsrat Walch die liechtensteinische Position an einer Pressekonferenz, die angesichts des Verhandlungsstandes auf grosses Interesse stiess. Alle diese Staaten vertreten eine mit der liechtensteinischen vergleichbare Agrarpolitik.
Gelegenheit für zahlreiche bilaterale Gespräche im Rahmen des liechtensteinischen EFTA-Vorsitzes
Liechtenstein hat im laufenenden zweiten Halbjahr 2003 den EFTA- Vorsitz inne. In seiner Funktion als EFTA-Ministerratsvorsitzender nahm Regierungsrat Walch in Begleitung des EFTA-Generalsekretärs William Rossier am Rande der WTO-Konferenz mehrere bilaterale Treffen mit Ministern jener Staaten wahr, mit denen die EFTA-Staaten in Freihandelsverhandlungen getreten sind oder in solche treten wollen. Er organisierte auch ein Treffen der vier EFTA-Minister, um die WTO-Positionen abzustimmen und aktuelle EFTA-Themen zu besprechen.
Misserfolg in Cancun
In Cancun hätten wesentliche Beschlüsse gefasst werden müssen, um den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungsrunde bis Anfang 2005 nicht zu gefährden. Zwar können Verhandlungsfortschritte verbucht werden, in den umstrittenen und schwierigen Bereichen des Handels mit Agrarprodukten und der Aufnahme von neuen Themen konnten die Positionen der 146 Mitglieder aber nicht auf einen Nenner gebracht werden. Die Konferenz endete ohne Ministererklärung. Der Konferenzvorsitzende, der mexikanische Aussenminister Luis Ernesto Derbez Bautista, gab in einer persönlichen Erklärung die Verhandlungen an den Hauptsitz der WTO in Genf zurück. Ein nächstes Ministertreffen soll für 2004 einberufen werden.
Die Auswirkungen des Scheiterns der Konferenz auf den weiteren Verhandlungsverlauf muss nun sorgfältig analysiert werden. Die Weltwirtschaft hätte ein positives Signal aus Cancun nötig gehabt.