Was tun, wenn die grauen Zellen nachlassen? (ANHANG)
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Rotkreuz (ots)
Vergesslichkeit ist keine Frage des Alters- auch junge Menschen werden ab und zu von ihrem Gedächtnis im Stich gelassen. Die Ursachen können vielfältig sein. Uns allen sind schon einmal Namen oder Termine entfallen - dies ist völlig normal. Fakt ist: unser Hirn lässt mit dem Alter nach. Dieser schleichende Prozess beginnt ab dem Alter von etwa 50 Jahren. Besonders betroffen von kognitiven Beeinträchtigungen im jungen Erwachsenenalter sind häufig MS-Betroffene.
Energiezufuhr des Hirns lässt mit dem Alter kontinuierlich nach
Die Nervenzellen unseres Gehirns sind permanent im Einsatz. Um ständig leistungsfähig zu sein, benötigen sie eine ununterbrochene Energiezufuhr. Im Laufe des Lebens geht den Mitochondrien, den zelleigenen "Kraftwerken", jedoch langsam die Kraft aus. Die Zellen werden nicht mehr so gut mit Energie versorgt, die sie für ein einwandfreies Funktionieren benötigen. Als unmittelbare Folge verlangsamt sich die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen - Reaktions- und Merkfähigkeit lassen nach. Dies verläuft in der Regel unbemerkt. "Erst ab Mitte 50 empfinden wir es als anstrengender uns zu konzentrieren. Dies macht sich auch in der Belastbarkeit und Ausgeglichenheit unserer Psyche bemerkbar", so Neuropsychologe Prof. Dr. Pasquale Calabrese von der Abteilung für Neurowissenschaften der Universität Basel. Bereits in jungen Jahren von Gedächtnisstörungen betroffen sind MS-Betroffene.
Wenn junge Erwachsene unter kognitiven Verlusten leiden
Multiple Sklerose (MS) ist in erster Linie eine Erkrankung des Gehirns. Als solche betrifft sie neben der Steuerung der Motorik auch die kognitiven Funktionen. Unter diesem Begriff werden Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis, sowie schlussfolgerndes, Urteil bildendes und rechnerisches Denken, Planen und Problemlösen zusammengefasst. "Gedächtnisstörungen finden sich bei 50% der MS-Patienten und betreffen insbesondere die Arbeitsgedächtnisleistungen, was so viel bedeutet wie, die Fähigkeit verschiedene Informationen zum Zweck der Einspeicherung parallel zu verarbeiten. Letztendlich meint es die Verarbeitungseffizienz", so Prof. Dr. P. Calabrese. "80% aller Patienten erkranken zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Diese Lebensperiode fällt mit der psychosozialen Etablierung zusammen. Die kognitive Leistungsfähigkeit ist nicht nur für das Erwerbsleben, sondern auch für soziale Aktivitäten und damit für die Lebensqualität der Patienten von entscheidender Bedeutung", schliesst Calabrese. "Da kognitive Störungen bereits im Frühstadium einer MS auftreten können und diese Störungen einen wesentlichen Einfluss auf das Alltagsleben haben, rate ich grundsätzlich allen MS-Patienten eine neuropsychologische Untersuchung an. Die kognitiven Leistungen lassen sich mit standardisierten psychometrischen Tests recht objektiv erfassen." Obwohl sich die Forschung in den vergangen Jahren verstärkt diesem wichtigen Thema angenommen hat, werden Betroffenen oft die neuropsychologischen Angebote in Diagnostik, Therapie und Beratung, abgesehen von einigen spezialisierten Zentren, vorenthalten.
Wie wir unser Hirn tatsächlich trainieren können
Unlängst wurde wissenschaftlich bestätigt, dass wir das Hirn trainieren und somit unsere kognitiven Fähigkeiten steigern können. Dies gilt für uns alle, ob chronisch krank oder gesund, alt oder jung. Welche Kognitionsübungen sind jedoch sinnvoll? Diverse Hirnjogging-Produkte versprechen uns eine bessere Gedächtnisleistung. Prof. Dr. P. Calabrese stellt aber klar: Reines Auswendiglernen ist nicht genug. Auch viele typischerweise als Gedächtnistraining bezeichnete Aufgaben hält P. Calabrese für bedingt nützlich - beispielsweise Kreuzworträtsel. "Das Ausfüllen der Kästchen läuft automatisiert ab, Kontrollfunktionen des Hirns werden nicht genutzt." Sinnvoll seien andere einfache Übungen: "Gehen sie in Gedanken ihren Arbeitsweg rückwärts: was sehen Sie, welche Strasse folgt auf welche? Schon eine geringe Trainingsdauer von 10 Minuten täglich ist effizient".
Professor Dr. Pasquale Calabrese ist Neurosychologe und Psychotherapeut und seit 2008 als Professor für Neurowissenschaften an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel tätig.
Multiple Sklerose
Die multiple Sklerose (MS) ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS), deren Ursache trotz grosser Forschungsanstrengungen noch nicht geklärt ist. Neben Epilepsie ist sie eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen und von grosser sozialmedizinischer Bedeutung. Bei der multiplen Sklerose entstehen in der weissen Substanz von Gehirn und Rückenmark verstreut vielfache (multiple) entzündliche Entmarkungsherde, die vermutlich durch den Angriff körpereigener Abwehrzellen auf die Myelinscheiden der Nervenzellfortsätze verursacht werden. Da die Entmarkungsherde im gesamten ZNS auftreten können, kann die multiple Sklerose fast jedes neurologische Symptom verursachen. Typische Symptome einer MS im Anfangsstadium sind bei der häufigeren, schubförmigen Verlaufsform Lähmungen, Sensibilitätsstörungen sowie Sehsstörungen. Weitere häufig auftretende Symptome sind das "Fatigue-Syndrom", kognitive sowie psychiatrische Störungen. Es existiert bisher keine Heilung oder MS-Prävention, dennoch haben sich moderne Therapien und Pflegemassnahmen in den letzten Jahren stark verbessert. Dies erhöht die Chancen von Menschen mit MS, ein aktives Privat- und Berufsleben zu führen.
Kontakt:
Marina Kirschbaumer
m.kirschbaumer@gremlichfatzer.ch
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