Bundesamt für Sozialversicherung (BSV)
IV: Trotz abnehmender Neurenten grosser Reformbedarf
Bern (ots)
Bundesamt für Sozialversicherung
Medienmitteilung
Bern, 1. September 2005
IV: Trotz abnehmender Neurenten grosser Reformbedarf
Die Daten aus dem Monitoring der Invalidenversicherung für das erste Semester 2005 ergeben, dass im Vergleich zum ersten Semester 2004 weniger neue Renten zugesprochen worden sind: minus 7%. Nachdem für das Jahr 2004 bereits eine Abnahme der Neurenten festgestellt wurde, kann nun rückblickend davon ausgegangen werden, dass 2004 bei den Neurenten eine Trendwende stattgefunden hat. Da nach wie vor mehr Neurenten zugesprochen werden, als Rentenbezüger/innen aus der IV ausscheiden, ist das Total der laufenden Renten weiter angestiegen. In der Folge hat die IV im ersten Semester '05 ein Rekorddefizit von 1.2 Milliarden Franken verzeichnet.
Gemäss den Daten aus dem IV-Monitoring haben die IV-Stellen im ersten Semester 2005 11'900 gewichtete Renten zugesprochen gegenüber 12'800 im 1. Semester 2004 (minus 7%; 2004 total 25'700 gewichtete Neurenten). Im Februar war bereits ein Rückgang der Neurenten von 2003 auf 2004 festgestellt worden. Nachdem die Zahlen für das erste Semester '05 vorliegen, kann bei den Neurenten nun mit einiger Sicherheit von einer Trendwende im Jahr 2004 ausgegangen werden. Diese Interpretation wird mit dem Vorbehalt vorgenommen, dass die Zahl der juristischen Verfahren gegen ablehnende IV-Entscheide stark zugenommen hat. Rund 90% der Leistungsablehnungen werden angefochten. Somit ist eine grössere Anzahl abschliessender Rentenentscheide noch ausstehend.
Die Abnahme der Neurenten ergibt sich zum einen aus einem weiteren Rückgang der erstmaligen Anmeldungen für IV-Leistungen. Diese haben von 42'000 im ersten Semester 2004 auf 39'000 im ersten Semester 2005 abgenommen (Anmeldungen 2004 total: 82'000). Dies dürfte eine Auswirkung der allgemeinen Sensibilisierung aller Akteure für das Thema der steigenden IV-Ausgaben sein (Versicherte, Ärztinnen und Ärzte, Arbeitgebende, Sozialbehörden). Zum andern ist die Quote der Ablehnungen durch die IV-Stellen weiter angestiegen. Die Ablehnungsquote der erstmaligen Berentungen erhöhte sich von 36.6% im ersten Semester 2004 auf 41.1% im ersten Semester 2005 (2004 Total 37.9%). Die IV-Stellen können sich im Übrigen künftig auch auf die Arbeit der neuen regionalen ärztlichen Dienste (RAD) abstützen, die seit dem 1.1.05 operationell sind. Ein weiterer Faktor, der zum Sinken der Zahl der gewichteten Neurenten beigetragen hat, ist die Abnahme des durchschnittlichen IV-Grades.
Rekorddefizit der IV im ersten Halbjahr 2005 zeigt dringenden Reformbedarf auf
Der Rentenbestand der IV (Total der laufenden Renten) steigt trotz abnehmender Neurenten weiter an, wenn auch abflachend. Grund für die Zunahme ist, dass nach wie vor mehr Neurenten zugesprochen werden, als Rentenbezüger/innen aus der IV ausscheiden (was insbesondere beim Übergang ins AHV-Rentenalter geschieht). Der Effekt der sinkenden Neurentenzahl auf die IV-Finanzen ist in den ersten Jahren beschränkt und wird sich erst längerfristig voll auswirken. Denn der Anteil der neu zugesprochenen Renten macht nur rund 10% des Totals der laufenden Renten aus. In Folge des nach wie vor steigenden Totals an laufenden Renten nimmt das Defizit der IV weiter zu. Im ersten Semester 2005 betrugen die Ausgaben der IV 6.3 Mia. Franken, die Einnahmen 5.1 Mia. Das Betriebsergebnis erreichte im ersten Halbjahr '05 mit minus 1.2 Mia. Franken (1. Semester 2004 1.0 Mia. Franken) einen Rekordtiefstand.
Diese Situation zeigt, dass die Zahl der Neurenten zwar eingedämmt werden kann. Die heute möglichen Massnahmen haben aber ein beschränktes Wirkungspotenzial und müssen mit der 5. IV-Revision gezielt ausgebaut werden. Das stark wachsende Defizit der IV wird deren Milliardenschulden wie auch die Schuldzinsen massiv weiter ansteigen lassen, was die Dringlichkeit der vorgesehenen Zusatzfinanzierung verdeutlicht.
Bundesamt für Sozialversicherung Informationsdienst
Auskunft: 031 322 91 32 / Alard du Bois-Reymond, Vizedirektor Chef Geschäftsfeld Invalidenversicherung
Beilagen: - Grafik Neurenten (gewichtet) 2002 - Juni 2005 - Grafik Anzahl Renten (gewichtet) 2002 - Juni 2005 - Kasten "Stichworte"
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Stichworte: Monitoring / gewichtete Rente / IV-Statistik
Aus den Monitoring-Daten können im Quartalsrhythmus aktuelle Angaben zur Entwicklung der Neurentenzahlen gewonnen werden. Das Monitoring ist ein seit 2003 laufendes Instrument des BSV zur Messung der Arbeit der kantonalen IV-Stellen im Bereich der Neurenten. Es wurde nicht als statistisches Instrument geschaffen, liefert aber zusätzlich interessante Trends.
Die gewichtete Rente sagt für die die Entwicklung der Rentenausgaben mehr aus, als die ungewichtete Rente. Bei der Gewichtung wird eine ganze IV-Rente ein Mal gezählt, eine Viertelsrente 0,25 Mal, entsprechend für die halben und Dreiviertelsrenten. Die aus der Sicht der IV-Finanzierung relevanten Rentenrevisionen werden im Monitoring ebenfalls mit erfasst. Wird eine Rente auf Grund einer Revision erhöht oder gesenkt, so wird der aufgestockte oder wegfallende Rententeil wie eine neu zugesprochene oder wegfallende Rente behandelt.
Die seit den 80er-Jahren publizierte IV-Statistik liefert umfangreiche und nach zahlreichen Blickpunkten aufgeschlüsselte, insbesondere aus der Optik des Versicherungsgeschäfts interessante Daten. Neben den Renten werden auch die übrigen Leistungen der Versicherung (Eingliederungsmassnahmen, Taggelder und Hilflosenentschädigungen) dargestellt. Die Angaben zu den Renten in der IV-Statistik sind nicht gewichtet, sondern geben die Anzahl Personen wieder, die eine IV-Rente erhalten. Zudem wird methodisch ein Teil der rückwirkend zugesprochenen Renten einbezogen. Die finanzielle Seite wird durch die Analyse der Kosten abgedeckt. Die IV-Statistik 2005 (Zeitraum Januar 2004 bis Januar 2005) ist soeben im Internet veröffentlicht worden. Die Entwicklung der Renten auf der Basis der IV-Statistik bewegt sich parallel zu jener auf der Basis der Monitoring-Daten. Dies stützt die Interpretation, dass die Abnahme der Neurenten einen seit 2004 anhaltenden Trend darstellt.
Die IV-Statistik 2005 ist auf der Homepage des BSV abrufbar: www.bsv.admin.ch/statistik/details/d/index.htm
Die gedruckte Statistik ist in ungefähr drei Wochen verfügbar.