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SNF: Bild des Monats Juli 2007: Lernen aus historischen Naturkatastrophen

SNF: Bild des Monats Juli 2007: Lernen aus historischen 
Naturkatastrophen
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Bern (ots)

Bild und Text unter: http://www.presseportal.ch/de/galerie.htx?
type=obs
Erfolgreiches Katastrophenmanagement nur von unten
nach oben
Der Berner Umwelthistoriker Guido Poliwoda hat die Hochwasser der 
Elbe in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert untersucht und zeigt, 
wie die betroffenen Menschen damit umzugehen lernten. Die 
Untersuchung liegt jetzt in einem Buch vor. Im Rahmen des 
Nationalen Forschungsschwerpunktes «Klima» vergleicht er seine 
Resultate nun auch mit anderen Ländern und Zeiten und stellt fest, 
dass vor 200 Jahren Vieles von dem bekannt war, was wir heute 
wissen sollten.
Kann man aus der Geschichte lernen? «Sollte man», meint Guido 
Poliwoda:  «Dann würde bei einem Hochwasser im besten Fall niemand 
mehr ertrinken und die Schäden wären weitaus geringer.» Der Berner 
Umwelthistoriker hat die Hochwasser der Elbe in Sachsen im 18. und 
19. Jahrhundert untersucht und zeigt, wie die betroffenen Menschen 
damit umzugehen lernten. Die Untersuchung liegt jetzt in einem 
Buch* vor. Im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes «Klima» 
vergleicht er seine Resultate nun auch mit anderen Ländern und 
Zeiten und stellt fest: «Die Schweiz ist im Katastrophenfall ein 
positiver Sonderfall.»
Vom Lernschritt zur Lerngenese
Die Elb-Hochwasser häuften sich im untersuchten Zeitraum. Das 
erste, 1784, traf Sachsen allerdings gänzlich unvorbereitet. Seit 
130 Jahren hatte es nichts Vergleichbares gegeben. «Meterdicke 
Eisschollen rasten die Flüsse hinab, Trümmer zerstörten Häuser, 
losgerissene Schiffe und an den Ufern gelagerte Baumstämme 
rasierten mit der Flutwelle alles hinweg, was sich ihr in den Weg 
stellte», beschreibt Poliwoda das Ereignis. Die Flut stürzte das 
winterliche Sachsen ins Chaos. Der Monarch sandte Geld, das Militär 
begann mit Aufräumarbeiten, erste Massnahmen wurden eingeleitet, 
darunter Deichwachen, Hygienevorschriften und akustische 
Warnsysteme mit Kanonen. «Lernschritte», nennt der Autor diese 
Massnahmen, die damals fast nur der Abwehr dienten.
Es folgten weitere Hochwasser - eine Häufung, die einher ging mit 
einer Absenkung der Durchschnittstemperatur im so genannten Dalton 
Minimum, einer Kaltphase von 1780 bis 1830. Erst diese Häufung 
führte zu einem «Lernprozess» und schliesslich zu 
einer «Lerngenese». Ziel war es, Schäden zu verhindern, denn die 
Aufwendungen überstiegen die finanziellen Möglichkeiten des Staates 
bei weitem. Und auch die private Spendenbereitschaft ging rasch 
zurück.
Im politischen Sachsen entwickelte sich ein Systemumbruch. 
Lösungsvorschläge kamen aus allen Schichten der Bevölkerung, auch 
von ganz unten. Sie wurden ernst genommen und implementiert. 
Hierarchien verflachten, nicht Status war mehr bestimmend, sondern 
Funktion. So etablierte sich ein eigentliches 
Katastrophenmanagement. Mit Erfolg. Die Katastrophe 1845 überstieg 
alle bis dahin gemessenen Pegelstände, doch die Behörden reagierten 
professionell: «Überall war bei aller steigender Gefahr, Ordnung, 
Ruhe und Vertrauen auf die Einsicht der wahrhaft väterlichen 
Behörde», notierte ein Zeitzeuge.
Wettlauf gegen das Vergessen
Im Jahr 2002 war Sachsen wieder von einem Hochwasser betroffen, 
schlimmer als alles bisherige. Die Einsichten aus der Zeit des 
Dalton Minimums lagen weit zurück, dazwischen ein Jahrhundert mit 
wenigen Naturkatastrophen. Die Aufarbeitung dieser neuen 
Katastrophe ergab mangelnde Kooperation, Kommunikation und Führung 
über Institutions- und Raumgrenzen hinweg.
Braucht es, wie in historischer Zeit, mehrere Katastrophen, bis 
wieder ein effizientes Katastrophenmanagement erreicht ist? Der 
Umwelthistoriker ist überzeugt, dass es möglich wäre, aus der 
Geschichte zu lernen. Doch seine wichtigste Einsicht: «Ein 
Katastrophenmanagement wird scheitern, wenn es nicht von unten nach 
oben getragen wird.» Dass Deutschland im Jahr 2002 mit dem 
Elbhochwasser überfordert war, wundert den gebürtigen Hannoveraner 
nicht: «Deutschland ist föderal-hierarchisch und konservativ 
organisiert.» Zu hierarchisch, zu konservativ. «Der Umgang mit 
Katastrophen erfordert proaktives Lernen, ist progressiv», betont 
er.
Auch die Schweiz profitierte im letzten Jahrhundert von der so 
genannten Katastrophenlücke. Doch sie schneidet bei der Bewältigung 
der aktuellen Naturkatastrophen trotzdem nicht schlecht ab. «Die 
Schweiz ist nicht so hierarchisch, sondern föderal-solidarisch,» so 
die Erklärung. Nicht, dass man es nicht besser machen 
könnte. «Vernetzen, kommunizieren, lernen», heisst deshalb die 
Botschaft, und zwar über Länder- und Zeitgrenzen hinweg, denn 
solche Ereignisse sind jeweils nicht nur menschlich eine 
Katastrophe, sondern auch wirtschaftlich.
Und sie werden zunehmen, so die übereinstimmenden Prognosen. Ohne 
Katastrophenmanagement, ist Poliwoda überzeugt, werden die Schäden 
so gross, dass einzelne Versicherer nicht mehr bereit sein werden, 
sie zu tragen. Im letzten Jahr ist bereits die 
Elementarschadenversicherung erhöht worden. Und, wie die Geschichte 
zeigt, wird mit der Häufung auch die private Spendenbereitschaft 
abnehmen. Wohl auch in der Romandie. Denn die Romandie, das ein 
Ergebnis seiner neuesten Studie, spendete mehr und öfter als der 
Rest der Schweiz.
*Guido N. Poliwoda: Aus Katastrophen lernen – Sachsen im Kampf 
gegen die Fluten der Elbe 1784 bis 1845. Böhlau Verlag, 2007.

Kontakt:

Guido Poliwoda
Historisches Institut der Universität Bern
Abteilung für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte
Erlachstrasse 9a
CH-3012 Bern
Tel. +41 (0)31 631 52 32
E-Mail: Guido.Poliwoda@hist.unibe.ch

Text und Bild dieser Medieninformation stehen auf der Website des
Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung: http://www.snf.ch > D
> Medien > Bild des Monats

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