FAW: FAW: Grossvaters unrentable Obstbäume Schatztruhe für die Zukunft
Obstsorten wie der Hagenwylerapfel, die Buhreuter Mostbirne oder die Wahrenberger Kirsche gelten als verschollen. Viele weitere alte Obstsorten drohen heute auszusterben, weil sie auf dem zunehmend globalisierten Markt keine Rendite mehr bringen. FRUCTUS, die Vereinigung zur Förderung alter Obstsorten, will von dem wertvollen Kapital retten, was noch zu retten ist. In neu gepflanzten Obstgärten des Vereins Obstsortensammlung Roggwil/TG wächst das wertvolle Erbgut für künftige Generationen heran.
(ots)Schön sind sie, die blühenden Hochstammbäume im Frühling, und ein Paradies für Vögel und Insekten. Was auf den ersten Blick idyllisch anmutet, fällt vielen Landwirten nur noch zur Last. Mit der Öffnung der Märkte ist der Brennkirschenpreis durch billige Importe unter Druck geraten und auch für das süsseste Mostobst erntet der Bauer heute nur noch sauren Lohn. Oft lassen sich mit dem Erlös nicht einmal mehr die Erntekosten decken. Kein Wunder, dass viele zur Motorsäge greifen. Weitere Bäume fallen der Kernobstkrankheit Feuerbrand und der ungebremsten Bautätigkeit zum Opfer. Mit dem Verschwinden der imposanten Baumriesen gehen viele alte Obstsorten für immer verloren.
Rettungsaktion läuft im 2003 in der Ostschweiz
Seit der Uno-Umweltkonferenz in Rio 1992 wird weltweit versucht, das Schwinden der biologischen Vielfalt aufzuhalten. So zum Beispiel in der Schweiz mit einem nationalen Projekt zur Inventarisierung alter Obst- und Beerensorten, welches die Eidg. Forschungsanstalt für Obst- , Wein- und Gartenbau in Wädenswil im Auftrag der privaten Vereinigung FRUCTUS durchführt. Dieses Jahr sind die Kantone St. Gallen, Thurgau und die beiden Appenzell an der Reihe. Gegen 11'000 Landwirte erhielten letzten Dezember die Umfrage-Unterlagen, und eine Flut von Sortenmeldungen ist inzwischen bei den Projektverantwortlichen eingegangen. Vom kommenden Juni bis Ende Oktober werden Obstfachleute des Projekts in den Ostschweizer Kantonen ausschwärmen, um Meldungen seltener Obstsorten nachzugehen. Die Experten tragen während der Reifezeit der Früchte wertvolle Informationen über Herkunft, Eigenschaften und Verwendung der alten Sorten zusammen.
Vielfalt als Versicherung
Warum aber sollen Sorten erhalten werden, die nicht fit sind für den Markt? «Eigenschaften von alten, in Vergessenheit geratenen Sorten können unversehens neue Bedeutung bekommen, denn die Anforderungen an unsere Kulturpflanzen ändern sich stetig», erklärt Simon Egger, Projektleiter an der Forschungsanstalt Wädenswil. «Sei es wegen dem Klimawandel, wegen neuen Krankheiten und Schädlingen oder weil rationellere Produktionsformen gefragt sind. Und auch die Wünsche der Konsumenten ändern sich.» Egger vergleicht die Erhaltung der biologischen Vielfalt mit dem Abschluss einer Versicherung: «Wenn es uns gelingt, die Sortenvielfalt für unsere Kinder zu bewahren, werden auch nachfolgende Generationen ihre Kulturpflanzen durch Züchtung an veränderte Bedingungen anpassen können.»
Mekka der Sortenvielfalt im Thurgau
Private Organisationen in der ganzen Schweiz sorgen dafür, dass die laufende Inventarisierung der Obstsorten nicht in Aktenschränken liegenbleibt. So zum Beispiel der Verein Obstsortensammlung Roggwil/TG.
Ausgehend vom Inventar pflanzt der Verein gefährdete Sorten in eigens dafür geschaffenen Baumgärten an, um die Sortenvielfalt für die Zukunft zu erhalten. Obstfreunde haben hier Gelegenheit, am verloren geglaubten Paradies traditioneller Obstgärten teilzuhaben. Sei es bei einem Besuch in der Sammlung im Weiler Hofen, oder indem sie selbst als Vereinsmitglieder Hand anlegen. Auf einer neuen Parzelle im Weiler Riederen wird die bestehende Obstsortensammlung Hofen erweitert. Der Startschuss fiel mit einer ersten Pflanzung im April 2003: Für mehrere hundert gefährdete Sorten aus der nationalen Inventarisierung blüht hier eine bessere Zukunft. So sollen auch gefährdete Obstsorten aus der jetzt angelaufenen Inventarisierungsetappe 2003 in Roggwil eine neue Heimat finden.
Das Inventarisierungsteam freut sich über Hinweise aus der Bevölkerung. Wenn Sie selbst alte Bäume oder Informationen zu alten Sorten haben, melden Sie sich bei Simon Egger, Eidg. Forschungsanstalt Wädenswil, Tel. 01 783 64 29 oder simon.egger@faw.admin.ch.