Fachorganisationen fordern drogenpolitische Weichenstellung im Nationalrat
Bern (ots)
An einer Medienorientierung hat die NAS (Nationale Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik) die vorberatende Kommission des Nationalrates dazu aufgefordert, die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die erfolgreichen Erfahrungen der letzten Jahre in den bevorstehenden Debatten zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes konsequent zu berücksichtigen. Zur NAS gehört ein breiter Kreis nationaler Fach-Organisationen (pro juventute, Ärztevereinigung FMH, Verband Sucht- und Drogenfachleute Deutschschweiz VSD, Groupement Romand d'études sur l'alcoolisme et les toxicomanie GREAT, Aids-Hilfe Schweiz, Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen ARUD und weitere).
"Trotz einer mehr als 10-jährigen Debatte und mehreren Volksabstimmungen stehen zentrale Inhalte des neuen Betäubungsmittelgesetzes noch nicht fest", so Athos Staub, Mitglied des NAS-Ausschusses und Präsident der ARUD. Während das "Vier-Säulen-Modell" der Drogenpolitik (Prävention, Therapie, Überlebenshilfe und Repression) unbestritten sein sollte, wird die nationalrätliche Kommission in den Bereichen Cannabis, Finanzierung, Stärkung des Jugendschutzes und strafrechtlicher Verfolgung der Abhängigen noch wesentliche Weichenstellungen vornehmen. Es gilt, angesichts der hohen Anzahl Konsumierender und des geringen Suchtpotentials eine möglichst einfache und pragmatische Regelung des Anbaus, des Handels und des Konsums von Cannabis sicherzustellen, welche die heutige Illegalität überwindet. Der Cannabiskonsum soll jedoch nicht bagatellisiert werden, so dass im neuen Gesetz griffige Massnahmen zum Jugendschutz zu verankern sind. Die Rollen von Bund, Kantonen und Sozialwerken in der Finanzierung der vier Säulen sollen ebenfalls klar festgelegt werden, unter Anderem durch die Zweckbindung der beschlagnahmten Drogengelder. Die bewährten heroingestützten Behandlungen, die heute auf einem dringlichen Bundesbeschluss basieren, sollen im neuen Gesetz langfristig verankert werden.
Grosse Meinungsunterschiede bestehen hinsichtlich der strafrechtlichen Verfolgung der Abhängigen ausserhalb des Bereichs Cannabis. Während der Bundesrat gerne die Kompetenz erhalten möchte, die bedingte Strafbefreiung von Konsum und Vorbereitungshandlungen per Verordnung zu erlassen, hat der Ständerat im letzten Dezember entschieden, an der bisherigen Regelung festzuhalten und somit jeglichen Konsum weiterhin zu verfolgen. Diese Lösung widerspricht der Praxis in den urbanen Zentren und dürfte die heute vorhandenen Unterschiede in den einzelnen Kantonen zementieren. Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre und fundierter fachlicher Kenntnisse fordert die NAS eine Lösung gemäss dem Vorschlag der "Subkommission Drogen" der Eidgenössischen Betäubungsmittelkommission. Auch in der Medizin besteht ein Konsens darüber, dass Sucht eine Krankheit ist, die durch Konsumzwang gekennzeichnet ist. Verbote und polizeiliche Verfolgung sind vor diesem Hintergrund nutzlos, ja wegen der Zusatzbelastung und der ausgelösten sozialen Desintegration therapeutisch kontraproduktiv, so René Akeret vom Verband der Sucht- und Drogenfachleute. Für die NAS stellt sich die Frage nach dem Sinn eines Gesetzes, das mangels polizeilichen Ressourcen nicht konsequent umgesetzt werden kann. Es gilt, die polizeiliche Arbeit auf die Verfolgung der organisierten Kriminalität und der Szenenbildung zu konzentrieren - hier hat die Allgemeinheit Interessen, die es konsequent zu schützen gilt. Der Konsum soll also straffrei sein, sofern er Dritte nicht gefährdet.
Ebenso fordert die NAS, den "Kleinhandel" zur Finanzierung der eigenen Sucht als Beitrag zur Vermeidung der Beschaffungskriminalität nicht zu verfolgen. "Süchtige sind keine Bürger zweiter Klasse", hiess es an der Medienorientierung. Darum soll ihre Verfolgung verhältnismässig sein und erst dann ansetzen, wenn öffentliche Güter gefährdet sind. Eine pragmatische Position, die auch volkswirtschaftlich begründet ist: Willy Oggier schätzt die Ersparnisse durch den Verzicht auf die Verfolgung des Konsums auf ca. 30 Mio. Franken pro Jahr.
Kontakt:
Athos M. Staub
Präsident ARUD Zürich
Tel. +41/79/451'71'74
Daniela Dombrowski
Koordinatorin NAS
Pro Juventute
Zürich
Tel. +41/1/256'77'67
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