Wirte schulen statt Löhne senken - Jährlich mehr Gastrobetriebe ...
Luzern (ots)
Die Zahl der Gastrobetriebe in der Schweiz steigt seit Mitte der Neunzigerjahre rasant an:(1995: 26'980; 2001: 30'200)(1). Branchenkenner gehen mittlerweile von massiven Überkapazitäten aus. Der Konkurrenzkampf ist entsprechend hart: Allein im Jahr 2002 wurden 1'851 Gastrounternehmen aus dem Handelsregister gelöscht (2) und in jedem vierten Betrieb wechselte die Führung (3). Das zeugt von den strukturellen Problemen der Branche.
1. Branchenspiegel Gastrosuisse 2001 + 2002. 2. Schweizerischer Verband Creditreform, www.creditreform.ch 3. Branchenspiegel Gastrosuisse 2001 + 2002 und Klaus Künzli, Präsident Gastrosuisse, Handelszeitung, 20.12.02
... und jährlich mehr schlecht qualifizierte Wirte
Während die Zahl der Gastrobetriebe steigt, sinkt die Qualifikation der Wirte. Liberalisierte Gastgewerbegesetze senken die Eintrittsschwelle und bescheren der Branche zunehmend Wirte, die ohne genügende Kenntnisse Betriebe führen. In vielen Betrieben lassen sich Wissenslücken bei den Betriebsleitern ausmachen, welche zu Fehlentscheiden führen, "die dann dem Gesamtbetrieb schaden (4)". Diese Entwicklung ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass namhafte Interessenvertreter der Wirte die Wiedereinführung eines Fähigkeitszeugnisses fordern, weil "heute zu viele Restaurateure zu wenig vom Geschäft verstehen (5)".
4 Dr. R. Aeppli, Volkswirtschaftliche Analyse der Probleme des Arbeitsmarktes im schweizerischen Gastgewerbe, S. 14 f, seco, Standortförderung Publikation No. 4 (7/01)
5 Ernst Bachmann, Präsident GastroZürich, GastroJournal, 05.02.03, Qualifizierte Arbeitskräfte verlassen die Branche
Fehlende betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Führungsdefizite fördern die Abwanderung qualifizierter Berufsleute und Kader aus der Branche.
- "Ein Drittel des Nachwuchses für Küche und Service steigt bereits während der Lehre oder kurz danach aus dem Beruf aus (6)".
- Vier Jahre nach Lehrende hat jeder zweite Koch das Gastgewerbe bereits wieder verlassen (7).
- Insgesamt verlassen heute mehr qualifizierte Berufsleute und Kader die Branche, als die Branche rekrutiert und ausbildet. Ein chronischer Mangel an Fachkräften (8) und eine sinkende Produktivität sind Folgen dieser Entwicklung.
6. hotel-und tourismus-revue, 13.03.03
7. Mitgliederstatistik der Hotel & Gastro Union
8. "Un souci majeur, surtout l'été (Journal des cafetiers, August 2002; "Es fehlen Mitarbeiter an allen Ecken und Enden" GastroJournal vom 05.04.01 "Kader-Exodus", H&G, 05/2001;
Tiefe Produktivität
Die Produktivität (Wertschöpfung pro Mitarbeiter) im Schweizer Gastgewerbe ist tief. Sie liegt "weit unter dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt (9)" in der Schweiz und erreicht nur die Hälfte des Wertes des Gastgewerbes in Norditalien bzw. einen Drittel des Wertes des Gastgewerbes in Österreich (10). Die vom seco bei der Konjunkturforschungsanstalt der ETHZ in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass sich "nur durch den Beizug besser qualifizierter (einheimischer) Arbeitskräfte ein stärkerer Zuwachs der Arbeitsproduktivität ergibt (11)".
9. siehe Aeppli-Studie, S. 85
10. "Relativ tiefe Produktivität", T. Kübler, BAK Konjunkturforschung Basel AG, hotel-und tourismus-revue, 8.02.02
11. siehe Aeppli-Studie, S. 15
Lösungsansatz der Arbeitgeber: Löhne senken!
Das Konzept, mit dem die Arbeitgeberorganisationen Gastrosuisse, hotelleriesuisse und AGAB die Gastrobranche in die Zukunft führen wollen, heisst: Lohnkürzungen für Berufsleute und Kader! Auf den 1. Januar 2004 wollen sie die Löhne dieser Mitarbeiter im Landes-Gesamtarbeitsvertrag zwischen 120 und 190 Franken pro Monat kürzen. Berufsleute mit mehrjähriger Berufspraxis beispielsweise sollen nur noch einen garantierten Bruttolohn von 4090 statt wie bisher von 4'210 Franken pro Monat erhalten (12). 12. Forderungseingabe der Arbeitgeberverbände Gastrosuisse,hotelleriesuisse und AGAB für die GAV-Verhandlungen 2003 vom 18.03.2003
Lösungsansatz der Hotel & Gastro Union: Arbeitgeber besser qualifizieren
Doch mit tieferen Löhnen dreht man weiter an der Abwärtsspirale. Noch mehr qualifizierte Mitarbeiter werden die Branche verlassen und die Produktivität wird weiter sinken. Ausserdem lassen sich mit Lohnkürzungen die Bildungsdefizite der Wirte nicht beheben. Die Hotel & Gastro Union fordert deshalb eine gross angelegte Aus- und Weiterbildungsoffensive für schlecht qualifizierte Wirte an Stelle von Lohnkürzungen für die Mitarbeiter. Denn so lange zu viele Wirte zu wenig ausgebildet sind, werden auch aus diesem Grund die qualifiziertesten Berufsleute und Kader in andere Branchen abwandern. Gastrosuisse verfügt über ein qualitativ hochstehendes Aus- und Weiterbildungsangebot für Wirte. Gastrosuisse muss dafür sorgen, dass die Wirte es auch tatsächlich nutzen. Das ist sinnvoller als Lohnkürzungen zu propagieren, die der Branche schaden.
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