Mehrheit hält Politiker für korruptionsanfällig - auch Journalisten kommen schlecht weg - Deutschland gilt nicht als "Sauberland"
Berlin/Stuttgart (ots)
Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage im Auftrag von Reader's Digest Deutschland
Parteien und Politiker geniessen in Deutschland einen denkbar schlechten Ruf: Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger rücken sie in die Nähe von Korruption. Auch Journalisten müssen um ihr Ansehen bangen: 40 % der Befragten halten auch sie für mehr oder weniger korruptionsanfällig. Lehrer gelten dagegen als quasi unbestechlich. Immerhin, fast drei Viertel der Deutschen halten Korruption stets für "moralisch verwerflich". Aber 63 % stimmen der Aussage zu, dass Bestechung "in manchen Ländern einfach dazugehört".
Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die Emnid im Auftrag von Reader's Digest Deutschland im Dezember 2003 erhoben hat und die am 8. Januar in Berlin anlässlich der Verleihung des Ehrentitels "Europäer des Jahres" an Dr. Peter Eigen vorgestellt wurde. Reader's Digest hat Eigen, den Gründer und Vorsitzenden von Transparency International, für seinen unermüdlichen und weltweiten Kampf gegen Korruption ausgezeichnet.
Die wichtigsten Ergebnisse:
1. Die Wahrnehmung von Korruption in Deutschland wird dominiert von der angenommenen Bestechung bei der Parteienfinanzierung. Sie ist die Form von Korruption mit der höchsten Unterstellung: 38 % der Befragten glauben, dass sie "sehr häufig" auftritt, und weitere 40 % sagen "eher häufig". Als weitere Formen werden Bestechung bei der Vergabe von Grossaufträgen staatlicher Unternehmen (28 % "sehr häufig", 43 % "eher häufig") und bei der Vergabepraxis durch öffentliche Auftraggeber (kommunale Ebene: 20 % "sehr häufig", 39 % "eher häufig"; Landes- und Bundesebene: 23 % "sehr häufig", 41 % "eher häufig") genannt.
Die Selbsteinschätzung bzw. Wahrnehmung von Korruption im privaten Bereich tritt dahinter zurück, z.B. beim Verhalten der Bürger gegenüber Steuerbehörden oder Versicherungen ("sehr häufig": 14 %, "eher häufig": 31 %), im Gesundheitswesen ("sehr häufig": 10 %, "eher häufig": 24 %) oder in der Privatwirtschaft ("sehr häufig": 18 %, "eher häufig": 39 %).
2. Sehr unterschiedlich sind die Auffassungen über den Schwellenwert, ab der das Anbieten oder die Annahme von Geld- und Sachleistungen als Bestechung angesehen wird. Überraschend aber ist, dass 23 % der Befragten einen Betrag von bis zu 10 EUR bereits als Korruption ansehen. 11 % sehen die Schwelle erst ab einer Höhe von 10'000 EUR überschritten. Immerhin 8 % halten jedweden Austausch von Geld- und Sachleistungen für Bestechung. Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich in ihrer Bewertung dabei kaum. Wichtiger für die Beurteilung von Korruption als der reine Geldwert sind eher die Umstände und das Verhalten, das als Gegenleistung für gewährte Vorteile erwartet wird.
3. Abgeordnete von Bundestag und Landtagen sind der Personenkreis, der am häufigsten mit Korruption in Zusammenhang gebracht wird - gefolgt von den Journalisten. 23 % aller Befragten sehen bei Parlamentariern im Bund, 17 % bei Parlamentariern in den Ländern Korruption als "sehr häufig" vorkommend; "eher häufig" sagen jeweils weitere 43 %. Journalisten werden von 13 % der Befragten "sehr häufig" mit Korruption in Verbindung gebracht, "eher häufig" sagen weitere 27 %.
Gemeinderäte geniessen ein mässig besseres Image: "sehr häufig" glauben nur 8 %, "eher häufig" noch 33 %. Beamte (10 % bzw. 29 %) und Mitarbeiter in der freien Wirtschaft (8 % bzw. 35 %) erfahren eine ähnliche Einschätzung. Lehrer gelten dagegen als quasi unbestechlich: nur 2 % der Befragten halten hier Korruption für "sehr häufig", "eher häufig" meinen auch nur 6 %. Generell ist zu beobachten, dass das Bild von Korruption bei den Befragten sehr viel stärker von Vorfällen im öffentlichen Sektor bestimmt wird als von Vorfällen in der Privatwirtschaft oder durch das eigene Verhalten.
4. Das Bild des "sauberen Deutschlands" findet bei den Befragten kaum Rückhalt. Innerhalb der EU sehen 59 % der Befragten Deutschland als "durchschnittlich korrupt" an, 8 % als "überdurchschnittlich korrupt", 4 % stimmen sogar der Bewertung als "eines der korruptesten Länder" zu. Nur 8 % sehen ihr Land als "eines der am wenigsten korrupten Länder" in der EU an.
5. Auf die Frage nach Fällen von Bestechung, die besonders in Erinnerung geblieben sind, wird spontan und am häufigsten von den Befragten in diesen Zusammenhang gebracht die Spendenaffäre um Helmut Kohl (von 18 %), übrigens in Ost und West gleichermassen, gefolgt vom Kölner Müllskandal (13 %). Andere häufige Nennungen betreffen die so genannte Parteispendenaffäre (8 %) und die Leuna- Affäre (5 %). Auch die Namen Jürgen Möllemann (4 %), Jürgen Schneider sowie die Baubranche allgemein (je 3 %) werden im Zusammenhang mit Bestechung spontan genannt. Wiederum prägen Vorfälle im öffentlichen und politischen Bereich die Wahrnehmung von Korruption entscheidend. Ob Bestechung im jeweiligen genannten Fall bewiesen oder durch Gerichte verworfen ist, scheint in der Wahrnehmung freilich keine Rolle zu spielen.
6. Eine Mehrheit der Befragten - 53 % - vermutet den Wunsch, "sich geldwerte Vorteile zu verschaffen", als häufigsten Grund für Bestechung. 21 % glauben, es werde bestochen, "weil alle anderen es auch tun", 20 % sagen, "um bevorzugt behandelt zu werden". Immerhin 4 % sagen, "weil sie sonst nicht zu ihrem Recht kommen".
7. Fast drei Viertel der Deutschen halten Korruption immer für "moralisch verwerflich" - 73 %. Weitere Wertungen (Doppelnennungen möglich): "Bestechung gehört in manchen Ländern einfach dazu" - 63 %, "kleine Beträge sind eher ein Dankeschön" - 37 %, "Bestechung ist nur verwerflich, wenn andere geschädigt werden" - 16 % und "wenn es nicht anders geht, dann darf man auch bestechen" - 11 %.
8. Gefragt nach dem wirkungsvollsten Mittel zur Bekämpfung von Korruption stimmen 40 % der "Aufklärung über Ursachen und Folgen der Korruption" zu. 32 % plädieren für die "striktere Anwendung bestehender Gesetze", 23 % fordern "strengere Gesetze und Vorschriften".
Die Untersuchung:
Methode: standardisierte Telefoninterviews in Deutschland
Anlage: repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren
Stichprobe: 1'001 Interviews
Durchführung der Feldarbeit: TNS Emnid
Fragenprogramm: 8 Fragen zu Korruption und Bestechlichkeit in Deutschland
Feldzeit: Dezember 2003
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