Media Service: Heute in der Handelszeitung vom Mittwoch, 26. August 2009
Zürich (ots)
Bundesrätin Doris Leuthard: "Wir müssen die Krise überbrücken"
"Viele Firmen werden aufgrund der schlechten Arbeitslage wohl noch fast ein Jahr in einer schwierigen Situation stecken", sagt Bundesrätin Doris Leuthard im Interview mit der "Handelszeitung". Es mache daher Sinn, diese Zeit mit Kurzarbeit zu überbrücken. Persönlich hofft die Vorsteherin des Volkswirtschaftsdepartements, die Bezugsdauer nicht noch einmal erhöhen zu müssen. Erst im Frühling ist die Frist für den Bezug von Kurzarbeit von 12 auf 18 Monate angehoben worden. Obwohl die Arbeitgeberseite sehr skeptisch ist in Bezug auf eine Erhöhung der Dauer für Kurzarbeit auf 24 Monate, schliesst Leuthard eine solche erneute Verlängerung nicht aus. "Denkbar ist, dass wir zuerst einmal die gesetzliche Grundlage schaffen, denn diese besteht noch nicht." Danach könne dann der Bundesrat je nach Entwicklung der Lage die Dauer erhöhen. Laut Leuthard hat die Kurzarbeit den Vorteil, dass die Firmen das Know-how im Betrieb behalten können und so gerüstet sind, sobald es wieder aufwärtsgeht. "Das System der Kurzarbeit wurde nach den in der Krise der 90er-Jahre gemachten Erfahrungen wesentlich verbessert. Deshalb bin ich überzeugt, dass es nicht viele Missbrauchsfälle gibt", sagt Leuthard. Die Bundesrätin spricht sich weiter deutlich dagegen aus, die Zahl der Taggelder in der Arbeitslosenversicherung generell - und nicht nur in Einzelgebieten - auf 520 Tage auszudehnen. Leuthard: "Dazu sage ich klar nein."
OC Oerlikon: Ab jetzt steht alles zum Verkauf
Ab jetzt gibt es auf OC Oerlikons Devestitionsliste keine Tabus mehr: Der frisch gekürte Chef des maroden Technologiekonzerns, Hans Ziegler, will keinen Unternehmensbereich mehr unantastbar lassen. "Bezüglich möglicher Unternehmensverkäufe haben wir die bisherige Einteilung von Kerngeschäft und Nichtkerngeschäft fallen gelassen", bestätigt Ziegler im Interview mit der "Handelszeitung". Dies bedeutet, dass ab sofort sämtliche Optionen, auch für die wichtigen Oerlikon-Töchter wie das Beschichtungs- und das Solargeschäft, offen stehen. Vor einem solchen Schritt ist der bisherige Oerlikon-Konzernchef Uwe Krüger - unterstützt von Grossaktionär Renova - noch zurückgeschreckt. Neben dem Verkauf von Unternehmensteilen fasst Ziegler auch "kapitalstärkende Massnahmen" ins Auge. Renova, die mit Vladimir Kuznetsov den Oerlikon-Verwaltungsratspräsidenten stellt, ist bereit, bei der Rekapitalisierung des Konzerns zu helfen. Zögerlicher gibt sich der zweitgrösste Aktionär, die österreichische Beteiligungsfirma Victory. Victory habe die bekannt gewordenen Veränderungen bei Oerlikon zur Kenntnis genommen, sagt Victory-Chef Ronny Pecik. Ob er an einer Kapitalerhöhung teilnehme, dazu schweigt Pecik. Eine Entscheidung werde zum gegebenen Zeitpunkt gefällt.
Implenia: Grossinvestor Laxey ist gegen einen Kauf von Karl Steiner
Roger Bühler, Investmentdirektor des Hedge-Fonds und Implenia-Grossinvestors Laxey, würde einen Kauf von Karl Steiner durch Implenia gar nicht goutieren: "Der Kauf wäre fahrlässig und wertzerstörend für Implenia", sagt Bühler im Gespräch mit der "Handelszeitung". Bekannt ist, dass Peter Steiner, Alleininhaber der Karl Steiner AG in Zürich, seit einiger Zeit versucht, sein Nachfolgeproblem zu lösen. Den geplanten Börsengang sagte er Ende 2007 wegen wenig Aussicht auf Erfolg ab und ein Verkauf an Swiss Prime Site platzte. Aus Insiderkreisen heisst es jetzt, dass die Kanzlei Bär & Karrer eine vertiefte Buchprüfung durchgeführt hat. Sowohl Implenia als auch Karl Steiner wollen dazu keine Stellung nehmen. In jüngster Zeit häuften sich die Abgänge auf der obersten Führungsebene des Baukonzerns. Bühler kritisiert, dass der Verwaltungsrat dem einfach nur zuschaue, ohne zu handeln, und greift Implenia-Chef Anton Affentranger frontal an: "Uns gehört das Unternehmen und er zerstört es." Auf Bühlers Vorwürfe entgegnet Implenia-Sprecher Claude Vollenweider: "Jeder verfolgt seine Interessen."
Gurit-CEO Rudolf Hadorn: "Zielmarge ist im Moment nicht in Reichweite"
Die erwarteten positiven Effekte der weltweiten Konjunkturprogramme werden sich im laufenden Jahr kaum mehr einstellen, ist der Chef von Gurit überzeugt. "Die Programme sind im Fluss, aber noch sind die positiven Effekte nicht spürbar. Weder in den Bestellungen, noch in den Umsätzen. Alle warten darauf, aber für 2009 ist es wohl zu spät. Für 2010 sind wir optimistisch", sagt Hadorn im Interview mit der "Handelszeitung". Dennoch soll der Hersteller von Hochleistungskunststoffen operativ die gleiche Ertragsrate erzielen wie 2008. "Wenn wir wieder ein Umsatzniveau von 2008 erreichen, dann sind die 8 bis 10% Ebit gut erreichbar", bestätigt Hadorn. Aber: "Im Moment ist die Zielmarge nicht in Reichweite, weil die operativen Verbesserungen von den negativen Volumeneffekten und deren Fixkostenfolgen überlagert werden."
Vögele-CEO André Maeder: "Verfolgen keine Verkaufsstrategie"
André Maeder, der CEO des Modekonzerns Charles Vögele, fährt die Osteuropa-Strategie zurück und will sich künftig auf die Hauptmärkte wie die Schweiz fokussieren. "Zwar sehen wir in Osteuropa immer noch Länder mit Potenzial", sagt Maeder im Interview mit der "Handelszeitung". Die Wirtschaftskrise habe Länder wie Ungarn aber sehr stark getroffen. "Wir haben die Osteuropa-Strategie zurückgefahren", erklärt Maeder und ergänzt: "Wir wollen uns künftig vor allem auf unseren Hauptmärkte fokussieren: Schweiz, Süddeutschland, Benelux und Österreich." Eine Zusammenarbeit mit Migros schliesst Maeder nicht aus: "Wir erfahren zurzeit Veränderungen auf allen Ebenen, weshalb das keine Priorität hat, aber ich schliesse eine Zusammenarbeit mit Migros für die Zukunft nicht aus." Für das 2. Halbjahr hat Maeder wenig gute Nachrichten zu verkünden. "Das 2. Semester wird sicher ganz schwierig", sagt er. Im 1. Halbjahr schrieb Vögele Verluste.
IWC-Chef Georges Kern: "Es gibt Zeichen für eine Stabilisierung"
Im Juli sind die Schweizer Uhrenexporte um ganze 26% eingebrochen. Doch Uhrenhersteller IWC schlägt sich besser: "Asien entwickelt sich Gott sei Dank gut", bestätigt Georges Kern, CEO der Schaffhauser Uhrenmanufaktur IWC, im Interview mit der "Handelszeitung". "China und die wichtigen Märkte Hongkong und Macao erweisen sich für uns als robust und entwickeln sich besser, als wir dies vor ein paar Monaten erwartet hatten." In den USA dagegen seien die Verkäufe aller Marken zurückgegangen - "diesem Trend können auch wir uns nicht entziehen", räumt Kern ein. Für das 2. Halbjahr hofft Kern auf eine Besserung auf den Märkten. "Es gibt erste Anzeichen zumindest für eine Stabilisierung", erklärt Kern. "Wir hoffen, die Krise mit ein paar blauen Flecken zu überstehen." Den Gerüchten, als CEO des Luxusgüterherstellers Richemont im Gespräch zu stehen, erteilt Kern eine Absage. "All diese Nachfolgegerüchte sind frei erfunden. Ich fühle mich sehr wohl beim 'Maison' IWC", betont Kern.
Schweizer Uhrenbranche: Hersteller und Händler hoffen auf bessere Zeiten
Auch der Schweizer Uhrenhandel hofft auf bessere Zeiten - wobei es durchaus Marken gibt, die sich trotz Rezession gut verkaufen. "In unserer Gruppe laufen die Uhrenmarken Rolex, IWC und Omega sogar noch besser als im Vorjahr", sagt Adelbert Bütler, CEO von Bucherer, gegenüber der "Handelszeitung". Auch Patrick Frischknecht von Les Ambassadeurs stellt fest, dass einzelne Marken von der Kundschaft derzeit stark bevorzugt werden. "Neben IWC, Omega und Cartier gibt es mit Breguet und Patek Philippe Marken, die sich in dieser Krise überdurchschnittlich gut halten." Einen ähnlichen Trend vermeldet Patrick Cremers, Direktor von A L'Emeraude in Lausanne. Auch in seinem Geschäft gehören Patek Philippe und IWC zu den Brands, die gesucht sind. Die Beobachtungen der Schweizer Uhrendetailhändler bestätigt eine Studie der Credit Suisse über das Kaufverhalten vermögender Kunden im Ausland. Die CS-Analysten haben zehn Uhrendetailhändler in den USA, Europa und Asien zu den Verkaufstrends befragt und kommen zum Schluss, dass die hochpreisigen Uhrenmarken die Rezession zwar stark spüren, aber die Marken von Swatch und Richemont weniger als der Durchschnitt leiden.
Fredmund Malik: Statt auf Titel auf Inhalt und Qualität achten
Fredmund Malik, Gründer und Leiter des Malik Management Zentrums St. Gallen, nimmt kein Blatt vor den Mund, geht es um die Beurteilung der heutigen beruflichen Aus- und Weiterbildungsangebote: "Heute stehen vor allem jene auf der Strasse, denen das Falsche gelehrt wurde." Malik meint denn auch, die herkömmliche Aus- und Weiterbildung sei die Hauptursache für die Wirtschaftskrise. Malik: "Sie schuf den geistigen Nährboden für die Krise. Ursprung des Bildungsdesasters sind die USA." Zudem habe das Titelgestrüpp die Qualitätsmassstäbe weitgehend ruiniert. Malik: "Die Wissensgesellschaft ist auf Qualität und Niveau angewiesen." Der St. Galler Professor fordert deshalb: "Statt auf Titel muss man auf Inhalt und Qualität der Aus- und Weiterbildung achten. Mein Rat: Nicht bluffen lassen, selbst klingende Namen von Bildungsstätten sagen wenig."
Strategien spielerisch ausprobieren
Business Wargaming: Ein kriegerisches Computergame für gelangweilte Manager? Nein, Business Wargaming ist eine Methode zur Simulation von Unternehmensstrategien. Diese zu überdenken, drängt sich in Umbruchzeiten erst recht auf.
Gesetzt folgenden Fall: Eine grosse Versicherungsgesellschaft will wissen, mit welcher Strategie sie ihren Kunden gegenüber auftritt, falls es zu einer H1N1-Pandemie kommt. Wie kann sie den Betrieb sicherstellen, wenn plötzlich 40% der Belegschaft fehlen und wichtige Funktionen wie IT oder Kundenberater für mehrere Tage nicht verfügbar sind? Dafür gibt es eine Methode mit einem etwas martialisch anmutenden Namen: Business Wargaming.
"Mit dieser Methode zur dynamischen Strategiesimulation schlüpfen die Manager in die Rollen ihres eigenen Unternehmens, ihrer Kunden, Wettbewerber oder anderer relevanter Stakeholder. Sie analysieren über einen simulierten Zeitraum, wie sich das Umfeld entwickelt und welche Auswirkungen verschiedene Strategien haben." Daniel F. Oriesek, Chef des Zürcher Büros der Strategieberatung A.T. Kearney (International) AG und Buchautor zum Thema, ist überzeugt, dass derlei Simulationen "Unternehmenswert schaffen und schützen".
Zwar handelt es sich nicht um ein kriegerisches Computerspiel für gelangweilte Topmanager, doch kommt der Wortteil "war" nicht von ungefähr: Vor rund 5000 Jahren schufen chinesische Generäle ein Spiel zur "Einkesselung", das nach dem Zweiten Weltkrieg in der US-Navy weiterentwickelt wurde und heute von Militärs weltweit verwendet wird. In der Wirtschaftswelt ermöglicht die Methode, Strategien zu testen und herauszufinden, ob diese wirklich den erhofften Nutzen bringen - und zwar bevor man riesige Investitionen tätigt.
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Nähere Auskunft erteilt Ihnen gerne Herr Martin Spieler, Chefredaktor
"Handelszeitung" Zürich.
Tel. 043 444 59 00