Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen erfolgreich gesenkt
Dramatischer Neuanstieg um über zwanzig Prozent für 2005 befürchtet
Report mit Ausblick auf Arzneimittelmarkt
Berlin (ots)
2004 war das bisher erfolgreichste Jahr bei der Senkung der Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Mit einem über zehnprozentigen Rückgang sank der Bruttoumsatz für Fertigarzneimittel um nahezu 2,5 Mrd. Euro von 24,1 Mrd. Euro im Jahre 2003 auf 21,7 Mrd. Euro in 2004. Noch drastischer lässt sich der Rückgang bei den verordneten Packungen beziffern. Wurden 2003 noch 749 Mio. Packungen verordnet, gingen diese Zahlen um fast ein Viertel auf 570 Mio. Packungen zurück. Das über viele Jahre überproportionale Wachstum des Arzneimittelsektors konnte so gebremst werden, dass der Ausgabenanteil für Arzneimittel an den GKV-Leistungsausgaben auf 15,6 Prozent zurückging. Damit liegen die Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherungen für Arzneimittel mit 21,8 Mrd Euro unter den Kosten für ärztliche Behandlungen (23,0 Mrd. Euro). Ausschlaggebend für den Erfolg der rückläufigen Arzneimittelausgaben sind die Auswirkungen des 2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG). Dennoch, so konstatieren die Herausgeber des Arzneiverordnungs-Report, ist für das erste Halbjahr 2005 ein dramatischer Neuanstieg um über zwanzig Prozent festzustellen. Der im Wissenschaftsverlag Springer erschienene Arzneiverordnungs-Report 2005 (AVR) der Herausgeber Prof. em. Dr. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath analysiert und bewertet die Entwicklung der Arzneimittelverordnungen des Jahres 2004. Der Arzneitherapie bei Kindern ist in diesem Jahr ein besonderes Kapitel gewidmet. Der Report erscheint jährlich seit 1985.
Den größten Einfluss auf den Rückgang der Arzneimittelumsätze hatte der weitgehende Ausschluß von rezeptfreien Medikamenten aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen. Weitere wichtige Maßnahmen seitens des Gesetzgebers waren Änderungen der Zuzahlungsregelungen und der Arzneimittelpreisverordnung sowie die Erhöhung der Herstellerrabatte. Darüber hinaus kam die Erhöhung der Patientenzuzahlung sowie die Einführung der Praxisgebühr zum Tragen. "Allerdings werden einmalige Einsparungen wie zum Beispiel der Zusatzrabatt für Arzneimittel ohne Festbetrag (1 Mrd. Euro) und der Vorzieheffekt im Jahre 2005 wieder voll zu Buche schlagen", betonte der Heidelberger Pharmakologe Schwabe auf der Berliner Pressekonferenz. Er verwies auf die Entwicklung des laufenden ersten Halbjahres mit einem Ausgabenanstieg von 20,5 Prozent. "Selbst bei absolut identischem Verordnungsverhalten ist ein hoher Sockelbetrag vorprogrammiert. Auf diesen Reboundeffekt müssen Ärzte wie Krankenkassen gefasst sein", so Schwabe.
Noch offene Einsparpotenziale
Trotz vieler Kostensenkungen gibt es noch immer ein großes Einsparpotenzial, das der Arzneiverordnungs-Report für 2004 auf 2,9 Mrd. Euro beziffert (Vorjahr 4,5 Mrd.Euro). Für die Generika haben die Herausgeber Wirtschaftlichkeitsreserven von 1,1 Mrd. Euro (Vorjahr 1,45 Mrd. Euro) errechnet. Bei den Analogpräparaten sind die Einsparpotenziale von 2,0 Mrd (2003) auf 1,2 Mrd. Euro zurückgegangen. Ursache dafür ist die Tatsache, dass durch die neue Arzneimittelpreisverordnung teure Präparate billiger und preiswerte Generika teurer wurden. Bei den umstrittenen Arzneimitteln berechneten die Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports 2005 ein Einsparpotenzial von 600 Mio. Euro gegenüber 1,0 Mrd. im Vorjahr.
Im diesjährigen Arzneiverordnungs-Report werden erstmals die führenden Arzneimittelhersteller mit ihrem Produktsortiment, ihren Preise sowie ihren Einsparpotenzialen des Jahres 2004 präsentiert. "Der Arzneiverordnungs-Report bietet den Krankenkassen eine Entscheidungsgrundlage, ob sich Vertragsverhandlungen mit einzelnen Pharmaherstellern überhaupt lohnen und der jeweilige Hersteller ein interessanter Vertragspartner für einen Rabattvertrag darstellt", so Herausgeber Paffrath.
Qualität der kinderärztlichen Arzneitherapie
Trotz großer Fortschritte gibt es bei Kindern immer noch erkennbare Defizite in der Anwendung und Prüfung von Arzneimitteln. Im Vordergrund steht das in der Kinderheilkunde seit langem bekannte Problem der Anwendung von Medikamenten außerhalb der Zulassung (Off Label Use). Noch häufiger werden bei Kindern in der ambulanten Therapie Arzneimittel eingesetzt, die zwar für diese Altersgruppe zugelassen sind, aber keine ausreichende Evidenz für einen therapeutischen Nutzen haben. Dazu gehören vor allem rezeptfreie Medikamente aus den Gruppen der Expektorantien (schleimlösende Mittel), Rhinologika (Nasentropfen), Magen-Darm-Mittel und Dermatika (zur Hautbehandlung). Für das Jahr 2004 berechnet der Arzneiverordnungs-Report für Kinder und Jugendliche 71,3 Mio. Verordnungen mit einem Umsatzvolumen von 1,01 Mrd. Euro. Mit diesem Anteil von 4,7 Prozent an den gesamten Arzneimittelausgaben benötigen Kinder deutlich weniger Arzneimittel als Erwachsene.
Der Report beschreibt jährlich die Einführung neuer Medikamente, bewertet den therapeutischen Nutzen, berechnet die Kosten und gibt Ärzten konkrete Verordnungsempfehlungen. Dank der Spitzenverbände der Gesetzlichen Krankenversicherung und des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland als Projektträger des GKV-Arzneimittelindex im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) stehen jährlich die entsprechenden Arzneimittelverordnungsdaten zur Verfügung. Auf der Basis von 400 Millionen kassenärztlichen Rezepten analysiert der Report die Verordnungs- und Umsatzentwicklung und formuliert neue Therapie-Trends. Konkrete Wirkstoffgruppen und Präparate werden in 46 pharmakologischen Kapiteln dargestellt. Ärzten steht damit ein Hilfsmittel zur Verfügung, um eine Verordnung nach therapeutischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten treffen zu können. In den marktbezogenen Kapiteln werden unter anderem die ökonomischen Auswirkungen der GMG beschrieben, wie auch die 3.000 führenden Präparate im Arzneimittelmarkt 2004 mit ihren Verordnungen und Umsätzen gelistet. Der Arzneiverordnungs-Report gilt als Standardwerk und genießt hohe Anerkennung in allen wichtigen Gremien und Verbänden, die sich mit Fragen der Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik in Deutschland beschäftigen. In Europa gibt es bislang keine vergleichbare wissenschaftliche Bewertung von Arzneimittelverordnungen.
Ulrich Schwabe; Dieter Paffrath (Hrsg.) Arzneiverordnungs-Report 2005 Aktuelle Daten, Kosten; Trends und Kommentare Springer 2006. 1235 S., 60 Abb., Broschiert, EUR 34,95; ISBN 3-540-28368-4
Pressekontakt:
Renate Bayaz, Springer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Tel.: 06221/ 487-8531, E-mail: renate.bayaz@springer-sbm.com