Rat für Persönlichkeitsschutz: Die Umklammerung der Persönlichkeitsrechte durch den Staatsschutz
Bern (ots)
Der Rat für Persönlichkeitsschutz, dem führende Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wirtschaft angehören, stellt im Entwurf des rev. Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) besorgniserregende rechtsstaatliche Mängel fest. Das Gesetz ist geeignet, elementare Persönlichkeitsrechte stillschweigend auszuhöhlen.
Ausdrücklich anerkennt der Rat die Bedeutung und die Rolle des Staatsschutzes, ebenso die Fortschritte, die der neue Entwurf gegenüber den früheren rechtsstaatlich unannehmbaren Texten aufweist.
Die im Gesetz vorgesehene präventiv verstandene "besondere Informationsbeschaffung", die in einem komplizierten Zusammenspiel der beteiligten Organe des Bundes (EJPD und VBS) und der Kantone stattfinden soll, umfasst das Überwachen des Post- und Fernmeldeverkehrs, das Beobachten an nicht allgemein zugänglichen Orten, auch mittels technischem Überwachungsgerät, und das geheime Durchsuchen von Datenverarbeitungssystemen, auch solcher unbeteiligter Dritter. Die Massnahmen orientieren sich laut der Botschaft stark an ausländischen Vorbildern.
Die "besondere Informationsbeschaffung" soll vorgängig oder rückwirkend durch eine besondere Kammer des Bundesverwaltungsgerichts auf ihre Rechtsstaatlichkeit geprüft werden. Anders aber als in den ordentlichen Strafverfahren, die stets mit Einstellung oder einer Anklageerhebung abgeschlossen werden und wo der Betroffene mittels seines Akteneinsichtsrechts die Begründetheit der Massnahme selber überprüfen kann, gibt das BWIS die Möglichkeit, diese Akteneinsicht mit dem Hinweis auf die Gefährdung der inneren Sicherheit zu verweigern. Damit würde eine wesentliche systemimmanente Kontrolle durch den Betroffenen im Unterschied zum ordentlichen Strafverfahren wegfallen. Das heisst, das Bundesverwaltungsgericht wird mangels Detailkenntnisse die vorgängige und nachträgliche Begründetheit einer Zwangsmassnahme kaum überprüfen können, womit die Gefahr besteht, dass die richterliche Überprüfung nicht effektiv ist und zu einem rechtsstaatlichen Feigenblatt verkommt. Daran ändern die vorgesehenen periodischen Orientierungen an die Geschäftsprüfungsdelegation nichts.
Die Botschaft zum BWIS stellt zudem fest, dass die Verwaltung durch den Austausch mit ausländischen Instanzen ihre Position verstärken könne, im Sinne eines Gebens und Nehmens, somit eine Verbesserung der Polizeizusammenarbeit realisiert werde. Da auf diese Weise Informationen ins Ausland gelangen, deren Richtigkeit nie in einem ordentlichen Verfahren überprüft wurde, können ungerechtfertigte Nachteile für die Schweiz, aber auch für betroffene Personen und Organisationen entstehen.
Festzuhalten ist sodann, dass angesichts der Schwere der Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen deren Verteidigungsrechte schlecht ausgebildet sind und einer markanten Verbesserung bedürfen. Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen, dass das heute geltende indirekte Einsichtsrecht rechtsstaatlich bedenklich ist und dringend verbessert werden muss, was auch die Eidgenössische Datenschutzkommission in einem kürzlich publizierten Entscheid fordert.
Die Persönlichkeitsrechte, ein wesentliches Element unseres freiheitlichen Gesellschaftssystems, dürfen nicht hinter einer Wand von legislatorischer Unübersichtlichkeit, fragwürdigen Verfahrensgrundsätzen und ausländischen Begehrlichkeiten erodiert werden.
Da gemeinsam mit den neuen Vorschriften 40 neue Stellen im Staatsschutz geschaffen werden sollen, die naturgemäss deutliche Aktivitäten entfalten werden, sind grösste Sorgfalt und Klarheit unabdingbar. Der Entwurf zum BWIS erfüllt diese Anforderung in einem zentralen Punkt nicht.
Mitglieder des Rats für Persönlichkeitsschutz
- Prof.Dr. Kurt Bauknecht, Zürich - Dr. Elisabeth Blum, dipl. Arch. ETH, Zürich - Dr. med. Jacques de Haller, Präsident FMH, Bern - PD Dr. med. Mario Gmür, Zürich - Maître Jean-Pierre Gross, Gross & Associés, Lausanne - Matthias Kummer, Fürsprecher, Kummer Public Affairs, Bern - Charles H. Pictet, Mitglied der Eidg. Bankenkommission, Genf - Prof.Dr.iur. Franz Riklin, Universität Freiburg, Freiburg - Prof.Dr.iur. Rainer J. Schweizer, Präsident Eidg. Datenschutzkommission, Universität St. Gallen, St. Gallen - Hanspeter Thür, Fürsprecher, Eidg. Datenschutzbeauftragter, Bern
Kontakt:
Matthias Kummer, Fürsprecher
Marktgasse 4
3000 Bern 7
Tel. +41/31/310'20'60