Münchner Linux-Umstellung durch EU-Softwarepatente gefährdet
München (ots)
- Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus will "unkalkulierbaren Schaden für die ortsansässige IT-Wirtschaft und die Stadt München verhindern"
- Deutsche Bundesregierung soll im EU-Rat ihre Zustimmung zu Softwarepatenten zurückziehen
Das vielbeachtete Vorhaben der Stadt München, die Stadtverwaltung auf das Betriebssystem Linux umzustellen, ist der Bedrohung durch Softwarepatente ausgesetzt. Mitverantwortlich ist das deutsche Bundesjustizministerium, das im EU-Rat entgegen allen Warnungen aus Mittelstand und Open-Source-Bewegung für die breite Patentierbarkeit von Software eintritt.
Softwarepatente gelten als grösste Gefahr für den Einsatz und die Weiterentwicklung von Linux und anderer Freier Software. Alleine der sogenannte "Basisclient", den die Stadt München auf den Computern von 14'000 Mitarbeitern installieren will, steht nach einer ersten Recherche im Konflikt zu über 50 europäischen Softwarepatenten.
Der Grünen-Stadtrat Jens Mühlhaus fordert in zwei offiziellen Anfragen - siehe Anhang - den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) dazu auf, die Bundesregierung zu einem Kurswechsel zu bewegen und die Konsequenzen der EU-Politik für das Münchner Linux-Projekt zu untersuchen. So könnten Patentklagen den Ausfall kompletter Referate der Stadtverwaltung bewirken. Mühlhaus stellt in Frage, "ob Linux und andere Open-Source-Software mittel- und langfristig überhaupt noch wettbewerbsfähig sein und den Anforderungen der Stadtverwaltung genügen kann, wenn deren Weiterentwicklung durch [Softwarepatente] massiv eingeschränkt wird". Diesbezügliche Warnungen kamen bereits vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft, dem Kieler Institut für Weltwirtschaft und der Deutschen Bank.
Auf einer Veranstaltung am 23.7. bestätigte der oberste EDV-Verantwortliche der Stadt München, Wilhelm Hoegner, dass es "unverzichtbar" sei, die Auswirkungen der EU-Softwarepatente-Richtlinie auf Open-Source-Software zu überprüfen. Ein entsprechender Fehler im Richtlinientext wäre eine "Katastrophe für das Migrationskonzept der Stadt München, und natürlich auch für den gesamten Markt der Freien Software".
Mehr Ehrlichkeit verlangt Florian Müller, ein aktiver Teilnehmer an der Softwarepatente-Debatte: "Die Bundesjustizministerin soll nicht länger behaupten, sie wolle nur technische Erfindungen patentieren lassen. Diese plumpe Unwahrheit kaufen ihr nicht einmal ihre eigene Parteibasis und die anderen Ministerien derselben Bundesregierung ab."
Müller ist Softwareentwickler und Unternehmer. Er berät den grössten europäischen Open-Source-Softwarehersteller MySQL. Aus seiner Sicht befindet sich die Europapolitik in der Softwarepatente-Frage "auf dem Weg in ein Fiasko unglaublichen Ausmasses". Europa sei "drauf und dran, eine historische Chance für Kosteneinsparungen und Wachstum mutwillig zu zerstören, nur damit die Patentbürokratie glücklich ist und überwiegend ausländische Grosskonzerne den Mittelstand abwürgen können."
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